Seewölfe Paket 10. Roy Palmer

Читать онлайн книгу.

Seewölfe Paket 10 - Roy Palmer


Скачать книгу
O’Flynn auf. Zorn auf Charangu, den indischen Halunken, der die schlichte Mentalität der Menschen von Kahoolawe skrupellos ausnutzte.

      Konnte er es allen Ernstes fertigbringen, die Mädchen in den Krater des Vulkans zu stürzen?

      Dan begann zu zweifeln. Aber andererseits: Wohin verschwanden die Mädchen, wenn es zwischen dieser Insel und der Außenwelt keinerlei Kontakte gab? Dans Entschlossenheit, das grausame Rätsel zu lösen, wurde übermächtig. Unbändige Willenskraft trieb ihn voran, seine Muskeln arbeiteten wie von selbst, als gehörten sie nicht zu seinem Körper.

      Das Gelände stieg jetzt an. Längst lag der Palmenwald hinter ihm. Gras, das bis zu seinen Hüften reichte, war durch einen schmalen Pfad geteilt.

      Auch in den Hügeln, die dem Berg vorgelagert waren, setzte sich dieser Pfad fort. Es mußte sich um einen Weg handeln, der ziemlich oft benutzt wurde. Aber von wem? Wenn der Vulkan so etwas wie ein heiliger Berg war, dann galt er bei den Insulanern mit Sicherheit als tabu. Dann durften nur einige Auserwählte hierher vordringen.

      Charangu und seine Schergen? Die Werkzeuge, die er sich unter den Polynesiern herangezogen hatte?

      Möglich.

      Dan brach seine Gedanken ab. Die Hügel forderten seine Kräfte mehr, als es zuvor in der Ebene der Fall gewesen war. Trotzdem gönnte er sich keine Verschnaufpause. Er verringerte lediglich sein Tempo und achtete weiterhin darauf, regelmäßig zu atmen.

      Das Felsmassiv war jetzt so nahe, daß es ihn zu erdrücken schien. Es wurde merklich kühler. Eine geradezu bedrohliche Kälte schien von dem Berg auszustrahlen.

      Dan überquerte eine flache Hügelkuppe. Nach der dahinterliegenden Senke stieg das Gelände steiler an. Abrupt endete die Vegetation. Doch deutlich war der schmale Paß zu erkennen, auf den der Trampelpfad zuführte. Der Boden unter Dans Füßen war hart und schwarz. Erkaltete Lava? Er hatte keine Zeit, es zu ergründen.

      Im Paß hallten seine Schritte hohl. Zu beiden Seiten ragten die Felswände senkrecht auf. Dan hatte das Gefühl, sich in der Tiefe eines Schachts zu befinden, aus der es kein Entrinnen gab.

      Nach etwa dreihundert Yards wichen die Felswände zurück und öffneten sich zu einem Plateau hin, das sich schwarz glänzend im Mondlicht ausdehnte. Am jenseitigen Ende des Plateaus ruhte der Kegelstumpf des Vulkans wie ein Koloß, der nur darauf wartete, zum Leben zu erwachen und den Tod zu bringen.

      Dan schätzte die Entfernung auf nochmals dreihundert Yards. Er war sicher, daß er dort vorn auf einen mühelosen. Aufstieg zum Rand des Kraters stoßen würde.

      Abermals beschleunigte er seine Schritte.

      Die Hälfte der Entfernung schaffte er.

      Aus der Dunkelheit am Fuß des Vulkans lösten sich Schatten. Sie wurden regelrecht ausgespien.

      Fächerförmig schwärmten sie aus, nur als menschliche Silhouetten erkenntlich. Ihre Bewegungen waren leichtfüßig und elastisch.

      Dan O’Flynn prallte zurück.

      Geduckt blieb er stehen.

      Kein Zweifel, daß sie versuchten, ihn einzukreisen. Und sie würden leichtes Spiel damit haben. Denn es waren neun oder zehn Männer. Eine erdrückende Übermacht.

      Dans Rechte tastete zum Griff des Entermessers, das an seiner Hüfte baumelte.

      Die Bewegungen der Männer wurden langsamer. Aber es lag kein Zögern in diesen Bewegungen. Auf Steinwurfweite waren sie herangenaht, und ihre Haltung hatte etwas Abtastendes, Lauerndes. Einen Halbkreis hatten sie bereits geformt. Wie ein Rudel Wölfe, das sein Opfer sicher wähnte. Und bei der ersten Nervenschwäche, die das Opfer zeigte, würden sie zustoßen.

      Dan zog das Entermesser aus der Scheide. Hell schimmerte die breite Klinge im fahlen Mondlicht. Er wußte, daß seine Chancen gering waren. Dennoch befiel ihn eine eisige Ruhe – wie stets in jenen Situationen, deren Endpunkt nur Leben oder Tod sein konnte.

      Daß sie ihn diesmal töten würden, stand fest. Diese Polynesier, die Moana entführt hatten, mußten von Charangu zu hirnlosen Instrumenten abgerichtet worden sein.

      Dan konnte es ihnen nicht einmal vorwerfen, daß sie in ihrer Mordlust keine Grenzen kennen würden. Aber er konnte sie auch nicht schonen. Einige von ihnen würden sterben, bevor er selbst auf die letzte Reise ging.

      Über eins fand er eine seltsame Art von Enttäuschung: Er hatte sich stets vorgestellt, daß er Schiffsplanken unter den Füßen haben würde, wenn die Zeit für ihn gekommen war. Ja, solche Gedanken hatte er gehegt, trotz seiner jungen Jahre. Denn allzu oft hatten sie auf der „Isabella“ dem Tod ins blanke Auge geblickt.

      Doch jetzt war alles anders als in seiner Vorstellungswelt. Der Tod erwartete ihn in einer fremden und unwirklichen Umgebung.

      Auch die Polynesier zogen jetzt ihre Messer. Sie taten es langsam, als hätten sie grenzenlose Zeit.

      Ebenso langsam schlossen sie den Ring enger um Donegal Daniel O’Flynn.

      Er fühlte sich so einsam wie nie zuvor in seinem Leben.

      Auch darüber empfand er Bitterkeit. Denn auch dies hatte er sich anders vorgestellt – Seite an Seite mit seinen Kameraden, furchtlos lachend im wilden Kampfgetümmel –, das war ein würdiger Moment für einen Mann, zu sterben.

      Nicht dies.

      Die Südseite der Insel Kahoolawe ragte wie ein Spitzkeil in die See. In der Dunkelheit wirkten die dichten Palmen, die nur durch einen schmalen Streifen Strand vom Wasser getrennt waren, wie eine feste Wand.

      Über Steuerbordbug segelnd, glitt die „Isabella“ mit ausreichendem Abstand vom Riff durch die ruhige See. Leise rang der Wind in Wanten und Pardunen. Rahen und Blöcke ließen nur ein verhaltenes Knarren hören.

      Ben Brighton und Siri-Tong hatten ihren Platz auf dem Quarterdeck beibehalten. Aufmerksam spähte die Rote Korsarin zum Korallenriff, das sich durch die weiße Linie der schäumenden Brandung deutlich abzeichnete.

      In kurzen Abständen gab Ben dem Rudergänger Kurskorrekturen. An Deck standen die Männer an den Brassen und warteten voller Spannung auf die Befehle Ben Brightons.

      Das Gefühl, das sie alle gepackt hatte, war anders als in allen Seeschlachten, die hinter ihnen lagen. Meist war es so gewesen, daß sie gewußt hatten, mit welcherart Feind sie es zu tun kriegten. Einer Gefahr ins Auge zu schauen, die man kannte, war nun einmal leichter. Doch was sie östlich der Insel Kahoolawe erwartete, war mehr als ungewiß.

      Vielleicht nur gähnende Leere.

      Doch daran glaubte niemand an Bord der Galeone so recht. Etwas Unheimliches strahlte von diesem düsteren Vulkan aus, der Kahoolawe überschattete. Eine Gefahr formte sich daraus, die nicht greifbar zu sein schien.

      Edwin Carberry verschaffte seinen Gefühlen Luft.

      „Steht nicht herum wie belämmerte Schafe!“ grollte er. „Was ist los mit euch lausigen Bilgenratten? Was, zum Teufel, hat euch die Sprache verschlagen, daß ihr eure Affenärsche zusammenkneifen müßt, als ob …“

      „Mister Carberry!“ rief Siri-Tong. Mehr nicht.

      Der Profos, der in der Nähe des Großmastes stand, duckte sich unwillkürlich.

      „Verzeihung“, brummte er mehr zu sich selbst, „hab vergessen, daß wir immer noch Minderjährige an Bord haben.“ Aber eines Tages, wenn die beiden kleinen Stinte ausgewachsen waren, dann würde er kein Blatt mehr vor den Mund nehmen. Das schwor er sich in diesem Moment.

      Hasard junior und Philip junior kauerten in andächtigem Schweigen auf dem Vorkastell. Sie wußten es zu schätzen, daß sie ausnahmsweise Erlaubnis hatten, in einer unklaren Situation an Deck sein zu dürfen. Und ebenso wußten sie, daß sie bei Gefahr im Verzug schleunigst ins Mannschaftslogis zu verschwinden hatten. So verharrten sie mucksmäuschenstill – in der leisen Hoffnung, daß man bei etwaigem Getümmel vielleicht doch ihre Anwesenheit vergaß.

      Die weiße Brandungslinie des Riffs schwang


Скачать книгу