Seewölfe Paket 10. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.er. „Ben, Ferris, Shane!“
„Sir?“
„Habt ihr die geborgenen Schiffbrüchigen gezählt?“
„Hölle und Teufel“, wetterte der Profos los. „Ich hab’s ja gewußt, daß wir was vergessen haben.“ Er wollte schon zum Schanzkleid rennen und sich überbeugen, um bei der gekenterten Jolle, die längsseits der Galeone lag, nach weiteren Insulanern zu suchen, aber die Rote Korsarin rief: „Es sind zwanzig, Hasard. Zehn Mädchen und zehn Männer.“
„Zwei fehlen!“ stieß Big Old Shane entsetzt hervor. „Thomas Federmann und Zegú, von denen wir wissen, daß sie auch mit verschleppt worden sind.“
„Nein!“ schrie Blacky von der Back aus. „Andai hat mir eben gesagt, daß Thomas und der Häuptling von Hawaii noch auf der Insel sind!“
„Demnach haben wir aus der See wohl alle herausgefischt“, meinte Carberry verwirrt.
Andai stieg von der Back hinunter und bestätigte es auf spanisch. Er gesellte sich zu Moho und Numil, die inzwischen zu Siri-Tong getreten waren. Sie verbeugten sich alle drei vor der Korsarin, und Andai richtete sich als erster wieder auf und sagte – wieder auf spanisch: „Schöne Frau, Perle der Südsee, gestatte es uns, daß wir uns auch bei dir bedanken – für die Rettung.“
Sie lächelte ihnen zu und entgegnete: „Es war selbstverständlich für uns, dies zu tun. Es war unsere Pflicht. Mehr noch, wir sind euch ja von Hawaii aus gefolgt, um euch herauszuhauen.“
Andai beugte sich vor, legte ihr die Hände auf die Schultern und küßte sie auf beide Wangen.
Hasard stand da und staunte nicht schlecht. Er glaubte aber auch, den leicht spöttischen und auftrumpfenden Blick wahrzunehmen, den Siri-Tong ihm über Andais Schulter hinweg zuwarf.
„Schöne Perle mit schwarzem Haar“, stieß Numil aufgeregt hervor. „Erzähle uns mehr von Hawaii‘ Ihr – dort gewesen? Was dort passiert?“
Hauula und Mara blickten den Seewolf aus großen Augen an, und Mara flüsterte: „Ist das wahr? Von Hawaii kommt ihr?“
„Wartet“, sagte er.
Philip junior und Hasard junior hatten sich vorsichtig genähert und musterten die beiden Hawaii-Mädchen, die ihren Vater mit Beschlag belegt hatten, argwöhnisch.
„Dad“, sagte Philip junior. „Was wollen die beiden Tanten eigentlich von dir?“
„Herhören!“ rief der Seewolf. „Wir gehen alle bis auf die Deckswache in die Mannschaftsmesse hinunter. Dort können wir uns besser unterhalten.“
„Was wird mit dem Boot, Sir?“ fragte der Profos.
„Das bergen wir.“
„Aye, Sir – und welchen Kurs nehmen wir?“
Der Seewolf drehte sich zu ihm um. „Bevor ich das entscheide, muß ich den Bericht unserer Freunde von Hawaii gehört haben. Solange bleiben wir beigedreht im Sturm liegen, Ed.“
8.
In der Mannschaftsmesse der „Isabella“, die früher Teil des achteren Laderaums gewesen war und bis ins Quarterdeck reichte, stand der seltsame Ofen, den Ferris Tucker seinerzeit aus Mangel an Baumaterial aus Silberbarren errichtet hatte. Bei der Durchquerung der Nordwestpassage hatten sie diesen Ofen bitter nötig gehabt, aber inzwischen wurde er nicht mehr gebraucht. Auch in einer stürmischen Nacht wie dieser war es in diesen Breiten immer noch so warm, daß man bedenkenlos mit freiem Oberkörper herumlaufen konnte.
Daran hielten sich auch die Insulaner. Unbekümmert gruppierten sie sich um den Silberbarrenofen mit der Tür aus Kupferblech. Ehe Big Old Shane jedoch zwei Öllampen entfachte, schickte Siri-Tong die Zwillinge los, damit sie saubere Leinentücher aus einer der Achterdeckskammern holten. Damit sollten sich die Männer und Frauen erstens abtrocknen und zweitens ihre Blößen verhüllen.
Philip junior und Hasard junior brachten die Tücher – ganze Packen davon. Nachdem die Insulaner sich mit freundlichem Lächeln darin vermummt hatten, sorgte Shane für Licht.
In dem schwankenden Schiffsraum zuckte der Lampenschein hin und her und zeichnete vage Muster auf die Gestalten. Hasard richtete sein Wort an Andai und stellte ihm gezielte Fragen über das, was seit ihrem Aufbruch wider Willen von Hawaii geschehen war.
Wie bei Alewa, die ihnen in der Bucht vor Hawaii den Hergang der Ereignisse geschildert hatte, erforschte der Seewolf auch bei Andai das Geschehen, indem er ihn geschickt ausfragte. Für einen vollständigen, zusammenhängenden Bericht reichte Andais Spanisch nämlich nicht aus.
Als Andai die Flucht von der Piraten-Galeone und das Kentern des Bootes in allen Einzelheiten wiedergegeben hatte, sagte der Seewolf: „Und beim Kentern der Jolle erhieltest du das Dollbord ins Kreuz, Andai. So muß es gewesen sein. Himmel, deine Göttin Pele muß dir wirklich beigestanden haben, daß du es überlebt hast.“
„Ich dachte – tot zu sein“, sagte Andai in etwas schwerfälligem und fehlerhaftem Spanisch.
„Nicht tot, sondern bewußtlos“, berichtigte der Kutscher.
„Auf jeden Fall hast du ein höllisches Glück gehabt“, stellte der Profos noch einmal nachdrücklich fest. „Aber jetzt habe ich eine Frage, wenn sie mir gestattet ist. Sir?“
„Nur heraus damit, Ed.“
Carberrys Spanisch war auch nicht das beste, aber er gab sich redliche Mühe, sich der passenden Vokabeln zu bedienen, damit die Polynesier ihn auch verstanden.
„Warum seid ihr von der ‚Saint Vincent‘ getürmt? Ihr hättet nur noch den Anker zu lichten brauchen, dann hättet ihr euch heimlich aus der Bucht verholen können – und dieser Masot, dieser Bastard, hätte das Nachsehen dabei gehabt.“
„Zumal sich an Bord der ‚Saint Vincent‘ wohl auch der Schatz befindet, den sie euch abgenommen haben“, sagte Ferris Tucker auf die Worte Carberrys hin.
„Ja, die Achterstücke, die wir damals erbeutet haben, als wir vor Hawaii die Manila-Galeone aufgebracht haben!“ rief Dan O’Flynn.
Andai stand auf und begann zu gestikulieren. Moho sagte ihm etwas in ihrer Muttersprache, und Andai beruhigte sich daraufhin, fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen und erklärte: „Zu schwierig für uns. Können kein großes Schiff lenken. Brauchen dazu Hilfe von Thomas Federmann.“
„Ihr hattet Angst, zu stranden oder auf die Riffe zu laufen?“ erkundigte sich Old O’Flynn. „Hölle, nach dem, was wir eben über die Insel und das Atoll erfahren haben, kann ich das wirklich gut verstehen.“
„Erst einmal fort“, sagte Andai.
„So dachten wir“, fügte Moho hinzu.
„Aber großes Fehler von uns“, gestand Numil niedergeschlagen. „Zegú und Thomas allein bei Masot. Vielleicht jetzt schon tot.“
„Nein!“ schrie Mara.
Hauula kroch zu ihr hinüber und sprach leise auf sie ein. Das sehr schreckhafte, verängstigte Mädchen ließ sich besänftigen.
Damals, als Ciro de Galantes den schwarzen Segler entführt hatte, war sie mit Hauula, Alewa und Waialae an Bord gewesen. Damals hatte sie noch mehr Mut aufgebracht, aber bei der Landung von Masot und dessen Kerle auf Hawaii mußte sie einen nachhaltigen Schock erlitten haben, von dem sie sich erst nach und nach erholen würde.
„Ich glaube nicht, daß sich die Franzosen an Thomas und Zegú vergriffen haben“, sagte der Seewolf nachdenklich. „Noch hoffen sie, den Schatz zu finden. Sie können die beiden nicht einfach umbringen, vor allem Thomas ist ihnen zu wichtig.“
„Wir müssen die beiden befreien“, sagte die Rote Korsarin. „Noch in dieser Nacht.“
Die Tür öffnete sich, und Blacky trat herein. „Sir“, meldete er. „Der Sturm hat etwas nachgelassen.