Seewölfe Paket 10. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.Frauen waren hochgewachsen und schlank, und sie schienen eitel und gefallsüchtig zu sein, denn sie lächelten ungeniert und herausfordernd. Auf ihren schwarzen Haaren trugen sie den tahitianischen Rewarewa, einen zierlichen Kopfputz aus den jungen zarten Blättern der Kokospalme, den sie sich in die üppige Haarpracht gesteckt hatten. Zwei andere hatten ihr wallendes Haar mit den feurigen Blüten des Hibiskus rosasinensis geschmückt.
Hasard und Dan fielen besonders ihre kleinen zierlichen Hände und Füße auf, obwohl sie figürlich etwas größer als Siri-Tong waren, ungefähr einen halben Kopf.
Ihre Oberkörper waren wie die der jungen Männer nackt, und sie zeigten ungeniert ihre festen Brüste. Von den Hüften ab trugen auch sie rote, hellblaue oder lila Gewänder, die bis zu den Knien reichten.
Alles in allem waren sie wohlproportioniert, hatten schöne Gesichter mit intelligentem Ausdruck und sinnlich-fleischige Lippen. Ihr Teint war von gelblichbrauner Farbe, aber in der Sonne schimmerte er in Goldtönen.
Die Verblüffung auf seiten der „Isabella“-Crew war wesentlich größer als umgekehrt.
„Donnerwetter“, sagte Dan begeistert, und sein Wort löste unter den Aualuma wiederum laszives Gekicher aus.
Der Oberkörper des Alten war ebenfalls nackt. Als Zeichen seiner Würde trug er von den Hüften ab ein faltiges Gewand, das ebenfalls an den Knien endete.
Lange Zeit musterten sie sich gegenseitig ungeniert. Hasard sah in ehrliche und offene Gesichter, und er fühlte, daß sie hier willkommen waren, denn wahrscheinlich hatte man sie lange beobachtet. Auch das unbekümmerte Bad in dem kleinen See hatte den Insulanern offenbar gefallen.
Er spürte die begehrlichen Blicke der jungen Frauen, die das bunte Tuch musterten und miteinander tuschelten, kicherten und immer wieder darauf hinwiesen.
Auch Siri-Tong wurde mit großem Interesse gemustert und begutachtet, denn für die Insulaner war eine fremde Frau noch viel ungewöhnlicher als ein fremder Mann.
„Dann wollen wir mal mit der völkerverbindenden Verständigung beginnen“, sagte der Seewolf unbekümmert.
Niemand verstand ihn, nur das Gekicher der Aualuma begann wieder, und die jungen Burschen grinsten ebenfalls.
Hasard übergab dem Alten den Stoffballen und legte ihm auch die Messer vor die Füße. Er wußte nicht, ob sie Messer dieser Art kannten, deshalb demonstrierte er mit einem, wie man blitzschnell einen Zweig vom Ast trennte.
Dann warf er das Messer aus der Drehung zwischen Daumen und Zeigefinger auf einen Baumstamm, in dem es steckenblieb.
Die jungen Burschen brüllten begeistert, griffen zu den Messern, verbeugten sich und nahmen sie in die Hand.
Dann trat der Papalagi vor und deutete eine Verbeugung an.
Mit einer allumfassenden Bewegung, die die gesamte Insel einschloß, sagte er laut und deutlich:
„Otaheite!“
„Otaheite heißt die Insel also, die wir Tahiti nennen“, sagte Hasard.
Das Brausen des Wasserfalles, der aus einer Höhe von fast zweihunderts Yards herabstürzte, klang immer noch in seinen Ohren, und er mußte genau hinhören, um die Worte zu verstehen.
Der alte Mann deutete auf sich und sagte: „Papalatschi!“
„Otaheite, Papalatschi“, wiederholte Hasard und vollführte dabei die gleichen Bewegungen.
Der Alte nickte eifrig, und über sein verwittertes Gesicht zog ein strahlendes Lachen. Wieder kicherten die Aualuma, und eine von ihnen, die leuchtende Hibiskusblüten im langen schwarzen Haar trug, trat näher, sah ihm aus kohlschwarzen Augen ins Gesicht und legte ihm kichernd die Hand auf die Schulter. Daß ihr Busen ihn dabei berührte, störte sie nicht im geringsten.
„Na, hier scheint uns ja noch einiges bevorzustehen“, murmelte Dan O’Flynn, aber er war nicht unglücklich darüber, wenn die Mädchen hier so offenherzig waren.
Er grinste zurück, und damit hatte er bereits ihr Herz gewonnen.
Hasard hielt sich zurück, er sagte nichts, er wies auch Dan O’Flynn nicht zurecht, der auf die Annäherungsversuche einging. Andere Länder, andere Sitten, war seine Devise, und wenn die Insulaner eben so waren, dann mußte man auch auf sie eingehen. Alles andere führte nur zu Mißverständnissen und Ärger, und den wollte er gern vermeiden.
Er deutete auf sich und sagte: „Hasard.“ Dann nannte er Dans Namen und den der Roten Korsarin.
Der Papalagi versuchte nachzusprechen, aber bei dem Versuch brach er sich fast die Zunge ab, was bei den Aualuma wiederum einen Sturm der Heiterkeit hervorrief.
„Hasaid“, wiederholte der Papalagi verbissen, „Dehn, Siritonga.“
Hasard lachte mit. Was soll’s, dachte er, diese aufgeschlossenen, fröhlichen Menschen gefielen ihm. Sie waren natürlich und gaben sich fröhlich und unkompliziert.
Der Papalagi redete auf Hasard ein, in einer wohlklingenden Sprache, von der Hasard jedoch kein einziges Wort verstand.
Hasard versuchte seinerseits zu erklären, daß sie von dem Schiff in der Bucht waren, und brachte dem Papalagi bei, daß sie die anderen verjagt hätten, die die Brotfrucht stehlen wollten.
Der alte Mann nickte ernst, als verstünde er jedes Wort. Er zeigte durch Gesten an, daß sie alles gesehen hätten.
Von da an ging es viel leichter, und die Verständigung, die der Seewolf als so schwierig gesehen hatte, klappte ganz gut.
Lediglich die jungen Mädchen stifteten noch leichte Verwirrung, aber wenn der Papalagi das ungerührt hinnahm und die anderen sich auch nichts dabei dachten, dann mußte Hasard es erst recht hinnehmen.
Einige Aualuma streiften ungeniert ihre Röcke ab, stellten sich etwas abseits hin und probierten den Stoff aus. Daß sie dabei hüllenlos dastanden, störte keinen, nur der Seewolf dachte mit leisem Bangen an seine Crew. Wenn die Kerle erst einmal herausgekriegt hatten, wie natürlich sich die Inselschönheiten gaben, dann war bei denen kein Halten mehr.
Aber das würde die Zeit mit sich bringen, überlegte er.
Durch Gesten bedeutete der Papalagi ihnen, zu folgen.
5.
Hasard hätte sich in dieser Wildnis niemals zurechtgefunden, und er mußte seine Meinung über die Insel Otaheite noch einmal gründlich revidieren.
Tahiti war nicht nur groß, es war ein riesiges Felsmassiv mit schroffen Bergen, steil abfallenden Felswänden, undurchdringlichem Regenwald, Wasserfällen und kleineren Seen.
Der Papalagi führte sie einen steilen Pfad hoch, der in gekrümmtem Bogen dem Wasserfall folgte.
Der Alte ging unbekümmert, als wäre er erst zwanzig Jahre alt. Er kannte keine Rast, unermüdlich stieg er weiter.
Wieder nahm sie der tropische Hochwald auf. Einmal blieb der Papalagi stehen und zeigte mit der Hand in die Tiefe. Von einer Lichtung aus sahen sie die „Isabella“, so unvorstellbar klein, daß man sie scheinbar in der hohlen Hand verbergen konnte.
Es gab völlig einsame und verlassene Täler in dieser romantischen Inselwelt. Weiter hinten zeigten sich siebentausend Fuß hohe Berge mit schaurigen Felshängen. Drei der Bergspitzen sahen aus wie das Diadem einer Riesendame. Sie funkelten prachtvoll im hellen Licht der Sonne.
Nach einer Weile sahen sie den großen See.
„Waihiria“, sagte der Alte und nickte dem Seewolf zu.
Seitlich des Waihiria-Sees standen ein paar Hütten, und davor tummelte sich ein unbesorgt scheinendes Völkchen, das ihnen neugierig entgegenlief.
Die drei von der „Isabella“ wurden bestaunt, betastet, und jeder lächelte ihnen zu.
Der Papalagi sprach zu ihnen, schnell, sprudelnd, wie es sonst gar nicht