Killer sind auch nur Mörder: 7 Strand Krimis. A. F. Morland

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Killer sind auch nur Mörder: 7 Strand Krimis - A. F. Morland


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Sie angemeldet?“, fragte er und machte eine unwirsche Handbewegung, die der stehen gebliebenen Linda bedeuten sollte, dass ihre Anwesenheit nicht länger erwünscht war.

      „Nein“, sagte Roberto.

      Linda ging.

      Archie Wingate musterte den Besucher prüfend und fand, dass er das gewisse Etwas hatte. Wingate hielt sich auf seine Menschenkenntnis einiges zugute, sie hatte ihm geholfen, seine jetzige Position zu erobern.

      „Worum geht’s?“, fragte Wingate.

      „Um Cindy Bell.“

      „Treten Sie näher“, sagte Wingate gelassen, machte kehrt und strebte durch die große Diele in das elegant möblierte Wohnzimmer.

      Roberto schloss die Tür hinter sich und folgte Wingate. „Sind wir allein?“, fragte er beim Überqueren der Wohnzimmerschwelle.

      „Ja, warum?“, fragte Wingate. Er zog den Gürtel seines seidenen, blaurot abgesetzten Morgenmantels straffer und ließ sich in einen Sessel fallen. Dann lachte er plötzlich. „Ich kenne meinen Ruf. Die meisten Leute vermuten bei mir Gorillas oder so was Ähnliches. Düstere Gestalten mit viel Muskeln und Kanonen. Ich kenne ein paar Leute, die mir, falls notwendig, Schützenhilfe leisten würden, aber in meinen eigenen vier Wänden hasse ich solche Typen, ihr Schweißgeruch verursacht mir Übelkeit. Wie heißen Sie, bitte?“

      „Briggs“, sagte Roberto.

      „Briggs, Briggs“, murmelte Wingate und legte die Stirn in Falten. „Klingt irgendwie vertraut. Muss ich den Namen kennen?“

      „Sie kennen ihn. Durch Herb Greene“, sagte Roberto, der neben der Tür stehen geblieben war.

      „Was wollen Sie von mir?“

      „Die Antworten auf ein paar Fragen. Ich werde sie nicht gleich bekommen“, befürchtete Roberto, „aber früher oder später werde ich Sie dazu zwingen, mir das Gewünschte zu geben.“

      „Sie riskieren eine ganze Menge, junger Mann“, sagte Wingate lächelnd.

      Er fühlte sich keineswegs unbehaglich. Angst war ihm nahezu fremd. Er hatte seinen Weg vor allem deshalb gemacht, weil er sich jeder Herausforderung gestellt hatte und mit seinen Problemen auf diese oder jene Weise fertiggeworden war. Obwohl er keine Skrupel hatte und zur Brutalität neigte, war er durchaus imstande, vorsichtig zu handeln und vor einem Stärkeren auf Distanz zu gehen. Er suchte den Kampf nicht um jeden Preis, aber er ging ihm auch nicht aus dem Weg.

      „Ich war dabei, als Cindy starb“, sagte Roberto. „Ich habe beschlossen, die Hintergründe des Mordes aufzuklären. Deshalb bin ich hier.“

      „Sie sind Reporter?“

      „Sagen wir: ein Wahrheitsfinder“, meinte Roberto.

      „Sie waren mit dem Girl befreundet?“

      „Nein. Das waren Sie.“

      „Das ist lange her“, erklärte Wingate und zuckte mit den Schultern. „Sehen Sie mich an. Ich bin verheiratet, glücklich verheiratet, wie ich betonen möchte. Das hält mich nicht davon ab, den Reiz amouröser Abenteuer zu suchen. Ich habe eine Schwäche für schöne Mädchen. Eines davon ist Ihnen gerade über den Weg gelaufen. Linda Dorsey, ein Topmodell. Ich war auch mit Cindy intim, vor langer Zeit. Ich habe sie aus den Augen verloren. Ich hatte keinen Grund, ihr zu schaden – von Mord ganz zu schweigen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das zur Kenntnis nehmen würden!

      „Wie ich hörte, haben Sie eine steile Karriere hinter sich“, sagte Roberto.

      „Sie sind keineswegs einer Falschinformation zum Opfer gefallen“, spottete Wingate. „Ich bin mit mir zufrieden. Ich bin ein Junge aus den Slums, wissen Sie. Der einzige aus einer Straßenbande von zwanzig, der es zu etwas gebracht hat. Sie mögen darüber denken, wie Sie wollen, aber darauf bin ich stolz.“

      „Ich finde Leistung imponierend – vorausgesetzt, dass sie auf persönlicher Tüchtigkeit, auf Fleiß und Ehrlichkeit beruht.“

      „Ehrlichkeit! Jetzt muss ich lachen. In dieser Welt gibt es keine Ehrlichkeit. Oder sind Sie ehrlich? Ich wette, Sie treten unter falschem Namen auf und taktieren auch sonst so, wie es Ihnen nützlich erscheint. Ich verüble Ihnen das nicht. Ehrlichkeit ist Dummheit. Die Politiker exerzieren uns das ja vor. Wir wären verrückt, wenn wir daraus nicht unsere Lehren zögen.“

      „Ich fürchte, Sie haben sich ein verdammt schiefes Weltbild zurechtgezimmert“, meinte Roberto. „Es mag in den Grundzügen stimmen, trotzdem ist es verkehrt. Sie sind wie ein Mann, der auf das Atmen verzichten möchte, weil es Mühe macht. Praktiken dieser Art haben Bumerangwirkung und enden tödlich. Es beginnt damit, dass man seinen Charakter versaut, und das ist der Anfang vom Ende.“

      „Hören Sie, Briggs, ich bin nicht in der Stimmung, mir einen Wanderprediger anzuhören. Kommen Sie zur Sache, oder ich muss Sie bitten, zu gehen.“

      „Wer bezahlte Rufus Maretti?“

      „Ich höre den Namen zum ersten Mal.“

      „Maretti hat Cindy erschossen.“

      „Wenn das zutrifft, frage ich mich, warum Sie zu mir kommen und sich nicht an die Polizei wenden.“

      „Ich bin noch am Recherchieren“, sagte Roberto.

      „Ich halte Sie nicht davon zurück, bedaure Ihnen jedoch erklären zu müssen, dass Sie sich in der Adresse geirrt haben“, meinte Archie Wingate.

      Er erhob sich und trat an die gläserne Schiebetür, die zum Dachgarten führte. Er hielt seine Rechte in den Strahlengang des Radarauges und sorgte auf diese Weise dafür, dass das schwere Kristallglas fast geräuschlos zur Seite glitt. Wingate betrat die Terrasse. Er atmete tief durch. „Ein herrlicher Tag“, sagte er. „Das Leben ist schön.“

      „Nicht mehr für Cindy Bell“, meinte Roberto und folgte Wingate auf das Dach.

      Um ein Blumenbeet waren kugelrund geschnittene Lorbeerbäumchen aufgestellt; in der Mitte des Beetes plätscherte ein Springbrunnen. Über die fast brusthohe Begrenzungsmauer hatte man einen fantastischen Blick über die Stadt. Ganz in der Nähe landete ein Helikopter auf dem Landeplatz eines Geschäftshauses.

      „Sie könnte noch leben“, sagte Wingate.

      „Aber sie ist tot.“

      „Sie hat ein paar Fehler gemacht, nehme ich an. Fehler sind in dieser Stadt tödlich.“

      „Ich werde Sie an Ihre Worte erinnern“, versprach Roberto.

      Sein Blick glitt über die Dächer. Dann sprang er nach vorn, packte Wingate mit beiden Händen an der Schulter und riss ihn mit sich zu Boden.

      Fast gleichzeitig wurde ein merkwürdiges Geräusch laut. Ein Projektil schrammte über die Ziegelmauer des Außenkamins und riss ein Stück Zementfüllung heraus. Die Kugel geriet ins Trudeln und zwitscherte als Querschläger durch die Luft.

      Wingate lag flach auf dem Bauch. Er hob den Kopf, maßlose Verwunderung im Blick.

      Es geschah nicht zum ersten Male, dass auf ihn geschossen wurde, aber seit dem letzten Anschlag waren Jahre verflossen. Niemand hatte es seither gewagt, den Schwiegersohn von Don Bruno anzugreifen. Wingate rang um Luft und Fassung. Er setzte sich auf.

      „Das galt Ihnen“, sagte Roberto und wies auf den Kaminabzug. „Sehen Sie sich das Loch an. Dort befand sich Ihr Kopf. Auf gleicher Höhe mit ...“ Er unterbrach sich, weil Wingate in diesem Moment lachte. Das Lachen war laut, hässlich und sogar wütend.

      „Ein hübscher Trick“, sagte er. „Sie geben jemand den Befehl, auf mich zu schießen. Ihr Helfer sollte mich nicht treffen, sondern erschrecken. Er sollte Ihnen die Gelegenheit verschaffen, sich als mein 'Lebensretter' zu bewähren. Was versprechen Sie sich von der Schmierenkomödie? Dass ich Ihnen jetzt aus der Hand fresse, oder dass ich vor Angst zu schlottern beginne?“


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