Die Bande vom Vorwald. Siegfried Böck

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Die Bande vom Vorwald - Siegfried Böck


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ist es doch wirklich ein herrlicher Tag. Die Sonne scheint immer kräftiger vom Himmel und dem Forstmeister wird es bei der Arbeit mit Axt und Motorsäge schnell warm in der dicken Försterjacke.

      „Puh, ist das heiß!“, ächzt er und wischt sich mit seinem grünen Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Schwerfällig schält er sich aus der Jacke und schaut sich suchend um. Er will die gute Jacke nicht einfach so auf den Waldboden legen, denn der ist mit einem Teppich aus dürren Fichtennadeln bedeckt und dürre Fichtennadeln auf der Lodenjacke sind etwas, was seine liebe Frau, die Forstmeisterin Waldtraud Sägebrecht, einfach nicht ausstehen kann.

      „Waldemar, wie oft muss ich es dir denn noch sagen! Fichtennadeln lassen sich von der Lodenjacke nur ganz, ganz schwer abbürsten. Also, Waldemar, leg deine Jacke bitte nicht einfach so auf den Waldboden, ich bekomme sie sonst nicht mehr sauber!“ Genau so hat ihn Frau Sägebrecht schon öfters gescholten und auf neuerliche Zurechtweisungen ist Forstmeister Sägebrecht nicht sonderlich erpicht.

      Sein suchender Blick fällt auf einen hohen Pfahl. Besser gesagt auf einen Wegweiser, denn auf der Spitze des Pfahles ist ein Schild mit der Aufschrift „Zur Lichtung Tannengrün 500 m“ angeschraubt.

      Sieh an, das ist doch der ideale Kleiderständer, denkt sich der Forstmeister und ein paar Sekunden später hängt die Jacke sicher an der Pfahlspitze. Dort oben kann das gute Stück bestimmt nicht schmutzig werden. Zufrieden mit seiner Lösung wendet er sich wieder seiner Arbeit zu.

      Aber die hat heute ihre Tücken. Immer wieder verkantet sich die Kettensäge in dem verwachsenen Holz der Fichte und klemmt so fest, dass er das Sägeschwert nur mit viel Mühe, viel Schweiß und mithilfe etlicher Keile wieder freibekommt.

      „Verflixt und zugenäht, so ein störrisches Biest! Das hab ich ja seit meiner Lehrzeit nicht mehr erlebt“, brummelt er verdrießlich in sich hinein. Prüfend betrachtet er sein bisheriges Werk.

      Der Einschnitt hinten ist eigentlich tief genug. Jetzt noch ein Einschnitt hier vorne, dann müsste der Baum doch fallen, überlegt er sich und setzt, keuchend vor Anstrengung, die Motorsäge noch einmal an. Die Säge jault auf, frisst sich ins Holz und dann passiert etwas, was einem altgedienten Forstmeister nie und nimmer passieren darf. So etwas dürfte nicht einmal dem jungen Horst Förster passieren und wenn, würde ihm gehörig der Marsch geblasen werden. Die Stelle für den Einschnitt war wohl falsch gewählt, denn die störrische Fichte fällt zwar endlich um, aber nicht in die Richtung, in die sie eigentlich fallen sollte. Nein, sie fällt ganz anders, und zwar genau auf den Holzpfahl mit dem Wegweiser „Zur Lichtung Tannengrün 500 m“ und damit auch auf die Försterjacke, die da hängt, um nicht mit Nadeln verschmutzt zu werden. Was für ein gewaltiges Knistern und Knacken, als der stürzende Baum den Wegweiser mitsamt der Försterjacke umreißt und dann mit einem ohrenbetäubenden Plumps zu Boden fällt. Wäre das Knistern und Knacken der fallenden Fichte nicht so laut gewesen, hätte man in einer Tasche der Försterjacke noch ein anderes, leiseres Knacken hören können. So ein typisches Geräusch, als wenn etwas Wertvolles zu Bruch gehen würde.

      „Verflixt und zugenäht, das darf doch nicht wahr sein!“, schimpft Forstmeister Sägebrecht und betrachtet missmutig seine Schnupftabakdose, die er gerade aus der Tasche seiner jetzt über und über mit dürren Fichtennadeln bespickten Jacke gezogen hat. Es ist die schöne Dose aus goldglänzendem Metall und mit dem Waldbild auf dem Deckel. Das zerknautschte Ding, das er jetzt in der Hand hält, hat allerdings kaum mehr Ähnlichkeit damit und das Schlimmste daran ist – aus einem großen Loch auf der Unterseite der einstmals schönen Dose rieselt ein schwarzbraunes Pulver.

      „Mein guter, teurer Schnupftabak!“, ruft Forstmeister Sägebrecht entsetzt und presst seinen dicken Zeigefinger so fest auf das Loch, dass kein einziger Krümel es mehr schafft, zu entfliehen. Mit dem Zeigefinger auf dem Loch in der Dose rennt er dann, so schnell ihn seine alten Beine tragen, zu seinem Rucksack, den er ein Stück weiter weg an einem Buchenstamm abgelegt hat. Der gute Schnupftabak muss gerettet werden, koste es, was es wolle. Und unser Forstmeister hat auch schon eine Idee. Im Inneren des Rucksackes befindet sich neben verschiedenen Sachen, die ein Forstmeister eben so braucht, wie Jagdmesser, Feldflasche und Regenumhang, auch ein leckeres Vesperbrot, welches Frau Forstmeisterin Sägebrecht heute Morgen liebevoll mit Schinken und Käse belegt hat. Dabei erinnert er sich noch gut an ihre Worte.

      „Waldemar, hör mir zu! Deine Vesperdose ist kaputt. Ich verpack dein Vesperbrot heute ausnahmsweise in eine Aluminiumfolie und besorge dir heute noch im Supermarkt eine neue Dose.“ So hat seine Waldtraud heute Früh doch gesprochen. Frau Sägebrecht denkt sehr umweltbewusst und will die wertvolle Alufolie wirklich nur für diesen Notfall als Vesperbrotverpackung benützen.

      Diese Alufolie soll nun der Notbehälter für seinen Schnupftabak werden. Mit der freien Hand wickelt Forstmeister Sägebrecht umständlich die Folie von der Brotstulle und lässt Brot, Käse und Schinken fast achtlos in den Rucksack zurückgleiten. Bis zur Brotzeit geht es auch ohne Verpackung. Vorsichtig nimmt er jetzt den Finger von dem Loch und lässt sein geliebtes Pulver behutsam in die Alufolie rinnen.

      „Eins, zwei, drei, da noch zwei Krümel und hier noch drei Körnchen und da hinten in der Ecke ist ja noch eine ganze Portion, aber jetzt – das dürfte alles gewesen sein“, murmelt er erleichtert, als das Pulver endlich sicher in der Folie aufbewahrt ist. Bevor er die Folie aber sorgfältig zusammenfaltet und in der Seitentasche seines Rucksackes verstaut, nimmt er erst noch einmal eine deftige Prise. Anschließend schnäuzt er sich kräftig in sein Taschentuch und noch während des Schnäuzens beschließt er, sich zu seinem Geburtstag eine neue Schnupftabakdose zu wünschen. Nach diesem Beschluss und mit dem guten Gefühl, dass sein Schnupftabak sicher verwahrt ist, wendet er sich wieder seiner Arbeit zu.

      „So, Sägebrecht, jetzt wird es aber höchste Zeit weiterzumachen, sonst wird es Feierabend und die verflixte Fichte ist immer noch nicht zersägt“, brummt er in sich hinein und hat es auf einmal sehr eilig, zu seiner Motorsäge zurückzukehren, die er achtlos auf dem Waldboden zurückgelassen hat.

      Gut versteckt im Blättergewirr der Buche hat Emil Elster das ganze Geschehen mit wachsendem Interesse verfolgt. Zuerst war es ja nur der Rucksack, der ihn hierhergelockt hat. Dieser grüne Rucksack, der direkt unter ihm am Stamm der Buche lehnt. Emil weiß, dass grüne Männer immer grüne Rucksäcke dabeihaben, und er weiß auch, dass in diesen Rucksäcken immer etwas Essbares steckt. Mehr als einmal ist es Emil gelungen, sich aus so einem Rucksack zu bedienen, und es waren bestimmt nicht die schlechtesten Mahlzeiten in seinem Elsternleben. Doch im Augenblick hat die Nahrungsaufnahme für Emil keinerlei Bedeutung. Schuld daran ist dieses wunderschöne, glänzende Ding, das aus der offenen Seitentasche des Rucksacks hervorlugt und verführerisch zu ihm hochfunkelt. Was für ein Schatz. Angesichts dieser Schönheit wäre jeder Gedanke an schnödes Essen geradezu vulgär. Nervös trippelt Emil von einem Krallenfuß auf den anderen. Wie gerne würde er sich das glänzende Schmuckstück jetzt sofort holen. Ganz behutsam würde er es aus der Tasche herausziehen und dann … Aber er weiß, es ist noch zu früh. Schweren Herzens muss er sich zurückhalten. Zumindest noch so lange, bis der grüne Mann wieder mit seinem Baum beschäftigt ist. Leise und beschwörend schäckert Emil in sich hinein, als könne er das Tun des grünen Mannes damit beeinflussen.

      „Täk, täk, grüner Mann, auf was wartest du denn noch, geh doch zu deinem Baum und lass dem guten Emil den glänzenden Schatz, täk, täk.“

      Eine kurze Weile passiert gar nichts, aber dann hallt plötzlich das Kreischen der Motorsäge durch den Wald und zeugt davon, dass der grüne Mann wieder die sinnlose Tätigkeit aufgenommen hat, einen Baum in kleine Stücke zu zerlegen. Emils Beschwörungen wären dazu aber sicher nicht notwendig gewesen, denn grüne Männer tun ja schließlich nie etwas anderes, als Bäume zu zerlegen.

      Als Freund der schönen Künste verachtet Emil natürlich solche unsinnigen Beschäftigungen und wer so etwas macht, der kann einfach keinen Anspruch auf glänzende Kunstgegenstände haben. Sowieso wäre der Schatz in seiner Sammlung viel besser aufgehoben.

      Seelisch und moralisch gestärkt durch diese Elsternlogik wirft Emil noch einen Blick in Richtung des grünen Mannes, aber der ist hinter den Bäumen verschwunden und nur der Lärm der Motorsäge verrät, dass


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