Italien - Gefangen in Land und Liebe. Alexander Frey
Читать онлайн книгу.herzerfrischend natürlich. Ich war begeistert von dieser Schönheit. Stille – langes Schweigen.
„Ich komme morgen wieder.“
„Bravo, also bis morgen“, antwortete sie.
Mario war glücklich. Er hatte es mal wieder geschafft.
„Gefällt sie Ihnen, Korporale? Was habe ich gesagt! Bella Signorina!“
„Du hast Recht, Mario, sie ist sehr schön. Morgen gehen wir wieder hin.“
„Si, Korporale, ich verstehe. Ich komme wieder mit, va bene.“
So ging das einige Tage. Ich kaufte zwei Brötchen, wir lächelten uns an, ich sah in ihre faszinierenden Augen und verließ, jedes Mal von Neuem begeistert, das kleine Geschäft. Nach einer Woche machte sie mich mit ihrer Mutter bekannt, die plötzlich im Laden stand, die Situation erkannte und sofort mit großer Überzeugungskraft auf mich einredete, um mich zum Abendessen einzuladen.
„Sie müssen unbedingt kommen. Ich bereite Ihnen Ihr Lieblingsgericht, wenn Sie wollen. Sie müssen wissen, ich koche leidenschaftlich gern. Meine Küche müssen Sie kennen lernen.“
„Danke, ich komme gern“, antworte ich schüchtern. Ich war völlig überrascht von dieser Herzlichkeit. Ja, ich war glücklich. Zufrieden machte ich mich auf den Heimweg. In unserer Unterkunft, einer Bauernstube, war es ungemütlich, kalt und schmutzig. Die Wände waren nur mit einfacher Kalkfarbe gestrichen, oben weiß, unten hellblau. Es war schon alles recht mitgenommen und die Holzbetten waren immer zu zweit übereinander montiert, so wie in jedem Landserlager.
Der einzige Platz war am Tisch, wo gelesen, gegessen und geschrieben wurde. Er war daher immer besetzt. Die Flucht nach draußen, nach Abwechslung, war darum nur zu verständlich. Für uns eine willkommene Entspannung. Manchmal liefen wir abends einige Kilometer, um auf andere Gedanken zu kommen, oder einfach mal was anderes zu sehen. Oft landeten wir in den Kneipen und waren am anderen Morgen noch halb trunken vom italienischen Wein.
Um so mehr freute ich mich über diese Einladung. Aufgeregt, wie beim ersten Stelldichein, ging ich abends zu der Bäckerei. Die ganze Familie war zu meinem Empfang versammelt und ich wurde mit einer Herzlichkeit, einer Selbstverständlichkeit, begrüßt, die ich bis dahin nirgends angetroffen hatte. Ich wurde sofort wie ein Sohn in die Familie aufgenommen.
Die Mutter brachte die herrlichsten Speisen aus der Küche. Der Vater bot mir von seinem Rotwein an. Nonno und Nonna (Opa und Oma), für ihr Alter sehr rüstig und aufgeweckt, voll am Leben teilnehmend, tranken mir zu. Flora, die hübsche Tochter des Hauses, bediente mich mit einer Fürsorge, durch die ich mich in dieser wunderbaren Familie ganz zu Hause fühlte.
Aber auch die Eltern und Großeltern standen dem in nichts nach.
„Sie müssen unbedingt wieder kommen“, ließ die Mutter in ihrer herzlichen Art nicht locker.
„Ja, danke, gerne!“ antwortete ich.
Nachdem ich vier Wochen auf herrliche Weise meine Freizeit in diesem Hause verbracht hatte, machte mir die Mutter das Angebot, hier bei ihnen zu wohnen.
„Wir haben oben noch ein hübsches Zimmer, das wird Ihnen sicher gefallen. Morgens gehen Sie dann von hier aus zu Ihrem Dienst.“
„Ja, natürlich“, stimmte Flora begeistert zu.
„Ich habe mir schon immer einen Sohn wie Sie gewünscht“, sagte der Vater. „Glauben Sie mir, Sie sind uns allen sehr willkommen.“
Ich war mehr und mehr überrascht. Glücklich, kaum begreifend, nahm ich das großartige Angebot an und zog gleich am nächsten Tag in ein nett eingerichtetes Privatzimmer.
Von diesem Tag an war ich der Sohn des Hauses, mit allen Bequemlichkeiten. Ich habe überhaupt immer sehr schnell auf die Mentalität anderer reagiert. Nun hatte ich neben Eltern und Großeltern auch noch die hübscheste Schwester, die man sich denken konnte. Schon als kleiner Junge hatte ich mir neben meinen vier Brüdern immer eine Schwester gewünscht.
Stefano, der tüchtige Vater, stand meistens in der Backstube.
Bereits nach zwei Uhr stand er auf und steckte seinen Ofen mit Reisig an, um ihn auf die richtige Temperatur zu bringen. Dann bereitete er seinen Teig vor, um pünktlich um sechs Uhr die ersten Brötchen ausliefern zu können.
Emma, seine Frau, war dann die nächste. Sie richtete die anderen Dinge, die zu erledigen waren, her. Noch halb schlafend kroch sie aus dem Bett. Und doch immer munter, lustig und gut aufgelegt.
Sie war eine großartige Frau, gutmütig bis aufs Hemd, von der man alles haben konnte. Sie nahm mich wie ihr leibliches Kind ans Herz.
Um 7.00 Uhr krochen dann auch der Nonno und die Nonna aus den Betten, um am täglichen Familienleben Anteil zu haben.
Nachdem der Nonno zunächst einen tiefen Schluck aus seiner immer in der Nähe stehenden Rotweinflasche genommen hatte, ging er zu Stefano in die Backstube. Trotz seines Alters war er noch sehr rüstig. Die Weinflasche war sein Kompagnon, und vielleicht hatte auch sie ihren Anteil an seinem hohen Alter.
Ich musste pünktlich um acht Uhr meinen Dienst beginnen. So war ich der letzte, der aus den Federn kroch, um mich sogleich, sofern ich keinen Nachtdienst hatte, an den bereits gedeckten Tisch zu setzen.
Die obligatorische Mahlzeit mit viel Milch, wenig Kaffee und reichlich Zucker, man bezeichnet sie als Kaffeelatte, schmeckte mir so schon ganz gut. Ich richtete mich nach meinen Gastgebern und tunkte die alten Brötchen in diese Süßigkeit. Das schmeckte mir ausgezeichnet.
Der Dienst wollte einfach nicht mehr vergehen. Er kam mir von Tag zu Tag länger vor, bis ich endlich wieder zu meiner geliebten Familie gehen konnte. Die Bäckerei war mein Zuhause geworden. Hier gab es jeden Abend etwas anderes, jeden Tag eine neue Überraschung und Abwechslung, ganz gleich, ob es sich nun um das Essen oder um unseren sonstigen Zeitvertreib handelte.
Emma war eine ausgezeichnete Köchin. Sie liebte es, mich zu verwöhnen und empfing mich meistens schon an der Tür.
„Rate mal, was ich Dir heute gekocht habe?“ waren dann immer ihre ersten Worte.
Ich lachte, legte den Arm um ihre Schultern, küsste ihre Wange und versuchte zu raten.
„Pasta a la Bolognese?“
„No, heute bekommst Du Hühnchen. Salvatore war heute bei uns und hat einige mitgebracht. Viele Grüße soll ich Dir von ihm bestellen, er mag Dich.“
„Danke Emma“, sagte ich, „Du bist großartig!“
„Und hinterher bekommst Du noch einen Vino buono, molto buono, Du hast nie einen besseren getrunken.“
„Komm, gehen wir rein, jetzt hast Du mich richtig neugierig gemacht, außerdem habe ich einen Mordshunger.“
Emma verstand es, ihre Kochkunst anzubieten und sie hatte wahrlich ein unheimliches Geschick darin, den richtigen Geschmack zu treffen.
Dann, nach dem ausgedehnten Mahl, es handelte sich dabei immer um eine längere Sitzung, die über eine oder sogar mehrere Stunden ging, widmete ich mich der Tochter des Hauses, Flora.
„Hast Du heute keine Lust, italienisch zu lernen?“ fragte sie vorsichtig, wenn ich dann meist vom Essen derart mitgenommen war, dass ich träge auf dem Stuhl saß und mich kaum rühren konnte.
„Nonna, mach dem Rudi schnell einen Espresso“, sagte sie dann zur Oma. Alle Achtung, der Kaffee hatte es in sich und half mir auch gleich wieder auf die Beine.
Dann begann Floras große Stunde: „Das ist eine Gabel. Das ist ein Löffel. Ich wohne hier im Haus.“ usw. Bis tief in die Nacht ging das so.
Die Eltern dagegen zogen sich meist früh zurück. Nonna lag müde auf der Tischkante und Nonno hatte seine Weinmenge intus und war schon lange zuvor in tiefen Schlaf versunken. Nur wir zwei waren noch wach, redeten miteinander, so gut einer den anderen verstehen konnte und fanden uns mehr und mehr in inniger Verbundenheit.
Nein, es war nicht nur