Vogelgrippe. Tino Hemmann

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Vogelgrippe - Tino Hemmann


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sind wohl von hier?« Hinrich goss sich Kaffee nach.

      »Ja. Ich habe neben den Frankes gewohnt. Bis meine Eltern nach Schwerin gezogen sind. Das war vor zwei Jahren. Die haben den Umzug wegen mir gemacht.«

      »Dann kennen Sie natürlich auch Kevin?«

      »Besser, als manch anderer. Kevin war ziemlich oft bei uns. Wissen Sie, ich hatte einen eigenen Computer und er nicht.« Michael Sörbig lächelte. »Außerdem hat sich Kevin oft verkrümelt, weil er seinem Vater helfen musste. Der hat eine Werkstatt und repariert alles Mögliche, vor allem landwirtschaftliche Maschinen. Kevin ist sieben Jahre jünger als ich. Und als er acht war, hat sein Vater schon davon gesprochen, dass Kevin mal die Werkstatt übernehmen soll. Kevin will aber Kapitän werden. Bei mir hat er immer nur ein Spiel gespielt: Die Simulation einer Schiffsbrücke, auf der Kevin Kapitän sein durfte. Er beherrschte das Spiel viel besser als ich.«

      »Vielleicht hat der Junge Probleme mit seinem Vater?« Hinrichs Frau mischte sich in das Gespräch ein.

      Sörbig zuckte mit den Schultern. »Glaube ich nicht. – Sie waren zwar nicht immer die besten Freunde. Wissen Sie, die Miriam, das ist Kevins Mutter, die lebte mit Kevin allein. Das war noch so … als ich neun war. Ja, neun oder zehn. Dann hat sie Thomas kennen gelernt, ihren Mann. Er ist nicht Kevins richtiger Vater. Aber ich glaube, sie haben es Kevin nie gesagt. Die anderen vier Kinder, die sind von Thomas. Das letzte Mädchen wurde erst geboren, als ich nicht mehr hier wohnte. – Aber direkt Probleme mit Thomas …? Er hat seinen Großen ziemlich hart rangenommen. Aber deswegen weglaufen? Nein, das glaube ich nicht. Meine Mutter hat sich immer gefragt, wie die das machen. Fünf Kinder, und sie leben in einer Eintracht …«

      »Wir müssen jetzt los«, unterbrach Martin Wallner.

      »Was haben Sie denn vor?«

      »Das werden wir gleich erfahren. Hauptkommissar Feldmüller, der den Einsatz leitet, lässt derzeit in alle Richtungen suchen. Favorisiert wird jedoch die Annahme, dass Kevin am Morgen das Grundstück der Familie Semmer verlassen hat, weil er Angst bekam, es könnte zu Hause Ärger geben. Er wusste nicht, dass seine Mutter mit Frau Semmer gesprochen hatte. Also ist es wahrscheinlich, dass auf dem kurzen Heimweg etwas passiert ist.«

      »Was soll da passiert sein?« Frau Hinrich schüttelte ihren Kopf. »Ist es nicht eher denkbar, dass sich der Junge aus Angst versteckt hat?«

      Sörbig schüttelte seinen Kopf. »Das mag man vielleicht annehmen, aus meiner Sicht ist es aber nicht so. Kevin steht zu den Fehlern, die er begangen hat. Er ist ehrlich und liebt seine Mutter über alles. Er liebt seine ganze Familie.«

      Die beiden jungen Männer erhoben sich und grüßten freundlich.

      »Und, was machen wir heute?« Die Frau des Kommissars wedelte Brötchenkrümel von ihrem Schoß.

      »Die Augen und Ohren offen halten.«

      Die Wirtin setzte sich an den Tisch. »So ein Stress«, sagte sie. »In Ihrer Stadt fällt es bestimmt nicht auf, wenn jemand verschwindet. Aber, wenn von unseren zweiundvierzig Hanseln eins fehlt, dann ist das schon bedeutungsvoll.«

      Hinrich lächelte. »Nee, ganz so ist das nicht. Auch in der Stadt gibt es einen Aufruhr. Gerade bei verschwundenen Kindern. Es passiert nur häufiger als hier.« Hinrich beugte sich ein wenig zu der Wirtin. »Verraten Sie mir, wer hier im Ort als erster aufsteht. Wer von ihren zweiundvierzig Hanseln ist zuerst munter?«

      »Na Sie wollen ja Sachen wissen, Herr Hinrich. – Der Kramer, der ist zuerst auf der Straße. Am Morgen sucht er seinen Hund Jockey, zum Frühstück trinkt er das erste Bier, spätestens mittags ist er besoffen und schläft ein. Darum ist er in der Nacht der erste, der wieder munter wird. – Das ist schon immer so. Außerdem ist er Frühaufsteher. Der war lang genug LPG-Vorsitzender.«

      Hinrich trank seinen Kaffee aus. »Haben Sie uns wieder einen Verpflegungsbeutel gemacht, Frau Kern?«

      »Aber natürlich, Herr Hinrich, warten Sie einen Moment.«

      »Warum hast du es plötzlich so eilig?«, fragte die Frau des Kommissars.

      »Ich will diesem Herrn Kramer einen Besuch abstatten. Bevor er besoffen ist.«

      »Denkst du daran, dass wir Urlaub haben?«

      »Mäuschen, glaubst du wirklich, ich kann mich erholen, wenn ich nicht sicher bin, dass ich alles getan habe, was ich tun konnte, um dem Kind zu helfen?«

      »Ach, Holger, du bist und bleibst unverbesserlich.«

      »Bitte! Es geht um ein Kind.«

      Matti Semmer kroch in das Zelt, in dem tropische Temperaturen herrschten. Es war zehn Uhr und die Sonne sorgte wieder für unerträgliche Hitze.

      Der Junge legte sich auf die Iso-Matte. Tränen standen in seinen Augen. Kevin fehlte ihm. Er war sein bester Freund und meist das einzige Kind, das sich mit ihm beschäftigte. Nur selten hatten die beiden Streit miteinander.

      Am Morgen waren viele Leute vor dem Haus. Matti sah sie von seinem Kinderzimmerfenster aus. Auf den unbefestigten Straßenrändern der Dorfstraße standen unzählige Autos. Ständig versuchten Fremde, mit Vater oder Mutter zu sprechen. Sie wollten Berichte für die Zeitung oder für das Fernsehen. Einige hatten Matti heimlich fotografiert.

      Warum war Kevin nur verschwunden?

      Vorsichtig steckte Matti den Kopf aus dem Zelt. Stimmen waren zu hören. Als er nach oben schaute, blickte er in unbekannte Gesichter. Fremde Leute schauten Matti an.

      »Guten Morgen«, flüsterte der Junge und wischte sich die Tränen von den Wangen. Einige der Erwachsenen nickten. Alle hatten Uniformen an.

      »Okay!«, rief ein Mann. »Von hier aus verteilen wir uns. Es wird in Linie gesucht. Schaut hinter jeden Strauch, unter jede Wurzel. Alles, was nicht in den Wald gehört, wird mitgenommen und ausgewertet. Auf mein Signal sammeln wir uns hier am Ausgangsort. Wird etwas Ungewöhnliches gefunden, will ich sofort informiert werden. – Und Abmarsch!«

      Matti beobachtete, dass sich die Leute daran machten, den Wald abzusuchen. Langsam entfernten sie sich von seinem Zelt.

      Nur der Mann, der gerade gesprochen hatte, setzte sich ins Gras, gleich neben Matti, der noch halb im Zelt steckte, und zündete sich in aller Ruhe eine Zigarette an.

      »Guten Morgen«, meinte er nach einem Weilchen und blies Qualm aus seinem Mund.

      Matti kroch aus dem Zelt und setzte sich neben den Mann. »Sind Sie von der Armee?«, fragte er und sah den Mann kontrollierend an.

      »Ja. Die Leute hier sind alle vom Bund. Sie helfen mir. – Wie heißt du?«

      »Matti Semmer.«

      »Und Kevin Franke ist dein Freund?«

      »Mein bester Freund. – Werden Sie ihn finden? – Ich will, dass Kevin wieder hier ist!«

      »Das wollen wir alle, Matti. Und wir wollen, dass er gesund und munter ist. Verstehst du?«

      »Hm. – Meinen Sie, Kevin kann was passiert sein?«

      Der Mann rauchte stumm weiter.

      Matti sah ihn lange an. Dann erhob sich der Junge und ging zum Haus zurück. Niemand kümmerte sich um ihn, deshalb lief Matti auf die Straße und sah sich um. Noch mehr Autos hatten sich versammelt, am Ortseingang standen Armeelaster. Matti schlich dahin, träumte, wäre fast gegen einen älteren, kräftigen Mann gestoßen, neben dem eine Frau lief.

      »Na, junger Mann.«

      Matti schaute hinauf. »Guten Morgen«, sagte der Junge.

      Jockey kam angelaufen und kroch durch die Beine des Jungen. »Jockey, lass das. – Haben Sie die Abkürzung gefunden?«

      Der Mann lächelte. »Ihr habt es uns richtig gut erklärt. – Du bist ein kluger Kopf, Matti. Erinnerst du dich an meinen Namen? Ich bin Holger Hinrich. – Wir haben gehört, was mit Kevin


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