Vogelgrippe. Tino Hemmann
Читать онлайн книгу.du, dass sie deinen Freund dort finden? – Ich habe gerade mit Michael Sörbig gesprochen. Kennst du den?«
»Natürlich kenn ich den Michael. – Ist er zurück?«
»Er will helfen, deinen Kevin zu finden.«
Matti schaute sich um. »Ich glaube nicht, dass Kevin sich im Wald versteckt. Niemals einen ganzen Tag und eine ganze Nacht.«
»Was denkst du dann, Matti?«
»Dass er nach Hause gegangen ist, am Sonntag, ganz zeitig. Kevin hatte Angst, weil seine Mutti nicht wusste, dass er bei mir geschlafen hat. Die wusste das aber doch. Von meiner Mutti.«
»Sag mal, hat Kevin denn was mitgehabt? Einen Rucksack oder so?« Kriminaloberkommissar Hinrich griff nach einer Hand des Jungen, spürte, dass sie ganz kalt war.
Matti schüttelte den Kopf. Aber er dachte nach. Dann berichtigte er sich selbst. »Doch. Kevin hatte eine gelbe Tüte für die Badehose. Die lag nicht mehr im Zelt. Er hat sie gestern Abend in mein Zelt geworfen. Das weiß ich genau. Dann sind wir in den Wald gegangen. Das war gruselig.«
Der Kommissar holte seinen Notizblock heraus, machte kurze Notizen. »Weißt du, Matti, das bleibt aber unser großes Geheimnis, es darf niemand wissen, denn so erfahre ich vielleicht Dinge, die manche Leute der Polizei nicht erzählen wollen: Ich bin aus Leipzig und arbeite bei der Kriminalpolizei. Ich habe schon viele Kinder wieder gefunden.« Hinrich zeigte dem Jungen seine Polizeimarke.
Matti sah den Mann mit großen Augen an.
»Und manchmal waren es ganz kleine, unwichtige Dinge, die uns auf die richtige Spur geführt haben.« »So wie die gelbe Tüte?«
»Wie die gelbe Tüte. – Was meinst du, kann es sein, dass jemand Kevin was Böses antun will? Du kennst Kevin viel besser als ich. Gibt es jemanden, der Kevin eins auswischen will?« Hinrich rieb die Hand des Jungen.
Matti zuckte mit den Schultern. »Ich glaube nicht.«
»So, so. Du glaubst es nicht. – Hör zu, Matti, wenn dir etwas einfällt, dass es jemanden geben könnte, der was mit der Sache zu tun haben könnte, irgendetwas, was dir nicht ganz geheuer vorkommt, auch die kleinsten Dinge, sag es mir einfach. – Okay?«
»Hm, okay.« Matti lächelte.
»Holger …« Hinrichs Frau war es nicht wohl zumute, denn zwei Männer näherten sich.
»Guten Tag«, sagte der eine. »Was wollen Sie von dem Jungen? Sind Sie von der Presse?«
Hinrich begab sich wieder in die Senkrechte. »Seh’ ich so aus? – Angenehm, Holger Hinrich, derzeit Urlauber von Beruf. – Und das ist meine Frau.«
»Was wollte dieser Mann von dir?« Kommissar Feldmüller schaute Matti fragend an.
»Er … er hat mich nach dem Weg gefragt.«
»Nach dem Weg? – Du solltest besser zu Hause sein, Matti. – Und lass dich nicht mit fremden Männern ein.« Feldmüllers Stimme klang fordernd und belehrend.
Matti drehte sich um. »Sie sind doch auch ein Fremder«, rief er und lief zurück zu seinem Elternhaus.
»Wir wohnen im Seeblick, Matti.« Hinrich winkte dem Jungen hinterher. – »Einen Superumgang haben Sie mit Kindern.« Vorwurfsvoll richtete sich Hinrichs Stimme an Feldmüller. »Haben Sie eine Ahnung, was der Junge gerade durchmacht?«
Der Schweriner sah den Leipziger kontrollierend an. »Was mischen Sie sich ein? Es bringt mir nichts, wenn wir am Ende des Tages nach zwei Kindern suchen, Herr Hinrich. – Was wollten Sie von dem Jungen? – Ich leite hier die Ermittlungen, nicht Sie. Ich bin nämlich von der Kripo.«
»Ach …« Hinrich biss sich auf die Zunge. »… sind Sie das wirklich? Haben Sie auch einen Namen?«
»Feldmüller. – Und nun verschwinden Sie besser.«
Hinrich grinste. Jockey, der Hund, der einen heruntergekommenen Eindruck machte, hatte sich auf Hinrichs Schuh gelegt und kratzte sich am Hals. »Sie sehen ja, ich kann gerade nicht weg hier. – Sagen wir … Ich bin Hobbykriminalist. Ich weiß, Kommissare wie Sie, die mögen das nicht hören. Doch häufig sind die Untersuchungsmethoden der Kripo etwas eingefahren. – Haben Sie schon nach der gelben Plastiktüte gesucht?«
»Was für eine Plastiktüte? – Verarschen Sie mich?«
»Das liegt mir fern, Herr Feldmüller. Es geht um das Leben eines Kindes. Glauben Sie mir, in solchen Fällen verbietet sich mir jede Art von Verarschung. – Es sollte Kevins Badehose in der gelben Tüte sein. – Und warum wurden die Straßenränder nicht abgesperrt? – Nehmen Sie an, Kevin wollte nach Hause, dann musste er genau hier lang laufen. Doch da, wo seine Spuren eventuell sein könnten, stehen die Fahrzeuge der Polizei und der Medienvertreter.«
Feldmüller lief rot an. Ohne ein weiteres Wort machte er kehrt und wandte sich dem »Seeblick« zu, in dem die nächste Lagebesprechung stattfinden sollte. Anschließend stand eine Pressekonferenz auf dem Plan. Unzählige Medienvertreter lungerten vor dem Gasthaus herum, selbst die Öffentlich-Rechtlichen Sender waren vor Ort.
Der zweite Mann, Stellvertreter Boger, folgte ihm, nachdem er einen prüfenden Blick auf den eigenen Mercedes geworfen hatte. Das S-Klasse-Schiff passte nicht so recht zum Straßenrand von Zellerau.
Hinrich schaute den Männern nach, dann umgriff er die Schultern seiner Frau. »Der hat ja noch Eierschalen hinter den Ohren. – Kein Glücksgriff für diesen Fall.«
»Komm Holger, du hast auch so angefangen. – Was hat denn nur der Hund?« Hinrichs Frau schaute zu Jockey, der heulend zwischen den geparkten Fahrzeugen herumkroch.
Hinrich lief zu Jockey und kraulte ihn hinter den Ohren. »Ich glaube fast, der könnte uns viel erzählen.« Der Kommissar kniete auf dem Boden und schaute unter einen dunklen Audi. »Wenn das mal nicht …«
Am rechten Hinterrad des Fahrzeuges war eine gelbe Tüte zu sehen, eingeklemmt zwischen Reifen und Sandboden. Sofort erhob sich Hinrich, warf einen Blick auf das Nummernschild.
Dann lief er, ohne weitere Worte zurück zum Gasthaus und platzte in den Gastraum. Feldmüller wollte gerade die Lagebesprechung eröffnen.
»Herr Kriminalhauptkommissar, erlauben Sie mir, eine Frage zu stellen?« Hinrichs Stimme klang außerordentlich arrogant.
Die Anwesenden betrachteten den Leipziger erwartungsvoll. Martin Wallner, der am Rand stand, lächelte.
Feldmüller erhob sich ruckartig. »Wenn Sie weiterhin unsere Arbeit behindern, organisiere ich persönlich, dass Sie den Rest Ihres Urlaubes im Thüringer Wald verbringen, Herr Hinrich. Oder noch weit dahinter.«
Hinrich ging durch die Reihen, baute sich vor Feldmüller auf, Aug in Aug. »Soll ich wirklich raus gehen?«, flüsterte er. »Die Presseleute wären begeistert, wenn ich ihnen mitteile, wie leichtfertig Sie mit den wenigen Spuren umgehen. So werden Sie den Jungen niemals finden, Herr Kriminalhauptkommissar.« Hinrich trat zwei Schritte zurück. Mit lauter Stimme fuhr er fort: »Wem gehört der schwarze Audi mit dem Kennzeichen Otto Viktor Paula Strich Anton Sieben Sieben Sieben?«
Feldmüller lief dunkelrot an. »Was soll das?«
Hinrichs Gesicht verzog sich zu einem bösen Grinsen. »Nein, das gibt’s doch nicht! Ist es Ihr Fahrzeug? – Gratulation. Wahrscheinlich haben Sie die einzigen Spuren vernichtet, die Ihnen weiterhelfen könnten. – Folgen Sie mir einfach.« Mit den letzten Worten machte Hinrich kehrt und verließ den Gastraum.
Der Einsatzleiter warf einige Blicke in die Runde. Augen waren auf ihn gerichtet. Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, dann folgte er Hinrich. »Ich bin gleich wieder da! – Sie warten hier!«
Keiner wagte es, dem Kommissar zu folgen, als der hinaustrat, sich einen Schweißfilm von der Stirn wischte und mit kurzen, raschen Schritten zu seinem Audi lief.
Hinrich stand auf dem Asphalt der Straße, ein paar Meter entfernt wartete seine Frau.
»Bewegen