Anders – aber trotzdem glücklich. Anke Dalder

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Anders – aber trotzdem glücklich - Anke Dalder


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erleichtern. Aber es war zu spät für sie, sich umzugewöhnen.

      Asta wurde auch während ihres letzten Lebensjahres nicht glücklich. Da sie über eineinhalb Jahrzehnte dahinvegetiert hatte, war sie völlig verunsichert. Vor vielen alltäglichen Dingen hatte sie einfach nur Angst, so z. B. vor dem Abwischen oder Bürsten, was jedoch wichtig war, um ihren Kot aus dem Fell zu bekommen. Erst langsam und am Ende ihres Daseins erfuhr Asta, was es bedeuten kann, mit Menschen, die sie lieben, zu leben, ebenso mit Artgenossen und anderen Tieren. Sie begann zu schmusen und merkte, wie schön es ist, gestreichelt zu werden. Unbeholfen steckte sie dabei ihren Kopf zwischen unsere Beine. Auch was eine Belohnung ist, lernte sie erst jetzt kennen. Aber das Jahr war für sie auch sehr anstrengend, denn sie musste schließlich erst einmal die grundlegenden Dinge lernen.

      Leider haben viele Menschen bei Asta zu viele Fehler gemacht. Auch ich habe dazugelernt. Wenn ich nochmals einen jahrelang an der Kette gehaltenen Hund aufnehmen würde, würde ich heute in manch einer Hinsicht anders handeln. Zum Beispiel würde ich anfangs, wenn nötig, auch bei dem Tier auf dem Boden schlafen, um mitzubekommen, wann es Zeit ist, den Hund hinauszulassen, bevor er sein Geschäft im Haus erledigt. Ich würde außerdem viel mehr mit Leckerlis arbeiten. Inzwischen führt auch eine Rampe von der Terrasse in den Garten, die von den Hunden, die jetzt bei uns leben, gerne benutzt wird und sicher auch der armen Asta vieles leichter gemacht hätte. Ich würde mehr Mimik und Blickkontakt einsetzen und selbst mit tauben Hunden sprechen. Uns fehlten damals helfende Hinweise, trotz jahrelanger Erfahrung im Umgang mit normal gehaltenen Hunden. Die Tierschützer sagten uns nur, Asta brauche ein warmes, weiches Plätzchen. Die Hündin verhielt sich hingegen völlig anders, als wir es uns vorgestellt hatten. Sie lief – langsam, aber stetig – viele Stunden lang durch Haus und Garten. Selbst wenn sie lag oder schlief, schien sie noch zu rennen. Einmal kam sie nachts nicht ins Haus zurück, was ich erst gegen 5.30 Uhr früh bemerkte. Ich ging hinaus und fand sie liegend im Garten. Als ich bei ihr war, wurde sie munter, stand auf und folgte mir in aller Ruhe. Es war ihr sonst nichts anzumerken. Im Nachhinein denke ich manchmal, dass sie damals vielleicht einen Schlaganfall erlitten hat.

      Asta starb, nachdem sie ein Jahr und fünf Tage bei uns verbracht hatte. Sie war nicht krank, aber ihr Leben, das keines gewesen war, ging einfach zu Ende. Das Sterben dauerte tagelang. Die Hündin lief wie immer langsam umher und legte sich ab und zu an irgendeiner Stelle hin. Manchmal sah es aus, als wenn sie sich etwas erholt hätte, dann war wieder ganz das Gegenteil zu beobachten. Kurz vor ihrem Tod raffte sie sich nochmal auf, ging auf die Terrasse und schaute zum Himmel in diese so besch … Welt. Dann brach sie zusammen, genau in dem Moment, als der Tierarzt klingelte, den ich voller Vorahnung gebeten hatte zu kommen. Er gab ihr die letzte Spritze, die sie vielleicht nicht einmal mehr gebraucht hätte. 15 Jahre Kettenhund »im Dienste der Menschen« waren vorbei.

      Es kann kein Trost sein, dass Asta wenigstens noch für eine kurze Zeit Liebe, Achtung und Qualfreiheit genießen konnte. Denn eigentlich hätte dieser wunderbaren, sanften Hündin ein artgerechtes und ihren Bedürfnissen entsprechendes Leben mit Zuwendung und Geborgenheit zugestanden, so wie es bei allen Tieren sein sollte. Immer wieder stellt sich für uns die Frage: Mit welchem Recht knechten Menschen Tiere, halten sie würdelos und beuten sie ohne Gnade aus? Massentierhaltung und Tiertransporte sind Beispiele genug dafür. Warum missbrauchen, vergiften, zerstückeln sie sie wie in Tierexperimenten? Der Umgang von uns Menschen mit unseren Mitgeschöpfen, den Tieren, kommt den Verbrechen der Inquisition, der Hexenverfolgung und der Sklavenhaltung gleich – und das im 20. bzw. 21. Jahrhundert. Besonders in der Kettenhundhaltung, die auf dem Lande leider keine Seltenheit ist, wird deutlich, wie schlecht der Mensch den Hund, seinen angeblich besten Freund, behandelt. Dabei würde ein Bewegungsmelder in solchen Fällen das bessere Ergebnis für den Besitzer bringen und kein Tier würde gequält werden müssen.

      Die Tiere haben den Menschen sehr viel voraus. Trotz Qual und Missachtung durch die »Krone der Schöpfung« bringen sie immer wieder Dankbarkeit und Zuneigung auf und gewinnen zum Teil auch ihre Lebensfreude zurück, wenn wir ihnen den letzten Rest oder eine Zeit ihres Lebens liebevoll gestalten. Sprache, Seele, Vernunft und Gefühl – wodurch Menschen sich angeblich auszeichnen –, über all das verfügen die Tiere genauso und oftmals noch intensiver als wir! Nur sind wir nicht bereit, den Tieren gleichermaßen ihre Rechte zuzugestehen. Das lässt die menschliche Anmaßung nicht zu. Kein Tier quält und tötet bewusst und berechnend und vor allem ohne Notwendigkeit, wie wir Menschen das tun bzw. zulassen, aus Gleichgültigkeit oder um uns einen zweifelhaften Vorteil zu verschaffen.

      Tierschutz ist der Testfall für die Menschheit. Der Umgang mit den Tieren ist die Bewährung für jeden von uns.

      von Marianne Deininger

      Janga ist eine etwa neunjährige Dackel-Mischlingshündin. Sie war zwei bis drei Jahre alt, als sie im April 2000 in unseren Dreipersonenhaushalt – mein Mann, meine Mutter, die über neunzig ist, und ich – einzog.

      Janga kommt aus Serbien. Sie hat als Straßenhund in einem Park in Belgrad gelebt und sich alleine durchgeschlagen. Tierfreundinnen, die dort regelmäßig die Hunde mit Essbarem versorgten, kannten die kleine Hündin bereits. Eines Tages fiel ihnen auf, dass Janga schon seit Längerem nicht mehr aufgetaucht war. Viele Wochen später fand eine der Frauen den Hund im Park wieder. Jugendliche, die bereits mehrfach aufgefallen waren, weil sie mit Steinen nach den Straßenhunden warfen, hatten Janga eingefangen und ihr mit Rasierklingen beide Ohren abgeschnitten. Die Tierfreundinnen waren selbst sehr arm und konnten keinen zusätzlichen Hund aufnehmen. Sie wussten aber von einem vorbildlich geführten Tierheim in einem serbischen Dorf, das seit über 18 Jahren von einer Schweizerin geleitet wird. Dorthin brachten sie die an Körper und Seele leidende Janga.

      Die kleine Hundedame verbrachte mehrere Monate in diesem Tierheim. Sie war in einer gemischten Hundegruppe mit Welpen, jungen und ausgewachsenen Hunden integriert, in der sie sich wohlzufühlen schien. Da sie einen ausgeprägten Mutterinstinkt hat, spielte sie stundenlang mit den Welpen. Ihre körperlichen Wunden heilten langsam ab. Zu Menschen war sie sehr zurückhaltend. Wir unterstützten die Arbeit des serbischen Tierschutzvereins bereits seit langer Zeit. Daher entschlossen wir uns, die Hündin aufzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt kannten wir nur ihre traurige Geschichte.

      Als Janga schließlich zu uns kam, verhielt sie sich zunächst sehr unterwürfig. Sie rutschte gleichsam über den Boden und mochte sich kaum aufrichten, wenn ein Mensch in ihrer Nähe war. Ich kannte bis dahin nur den Umgang mit selbstsicheren, eher draufgängerischen Hunden und hatte daher anfangs Probleme, mich auf Jangas Verhalten einzustellen. Ich wollte ihr Mut machen und versuchte, sie auf die Beine zu stellen. Aber dadurch zeigte die Hündin sich nur noch devoter. Ich musste also lernen, anders auf sie einzugehen. Fortan setzte oder legte ich mich zu ihr auf den Boden und machte mich genauso klein wie sie. Das funktionierte; Janga kam zu mir und leckte meine Hände. In dem Moment fing ich an, sie vorsichtig zu streicheln. Von Tag zu Tag traute sie sich nun etwas mehr zu. Sie schien zu begreifen, dass sie vor meinen Händen keine Angst haben musste. Nach ungefähr zwei Wochen zeigte sie mir schon von selbst, wenn sie gestreichelt werden wollte. Die geduckte Haltung hatte sie aufgegeben. Heute springt sie uns auf den Schoß und stellt ihre Forderungen unmissverständlich.

      Kurze Zeit später kam eine kleine, lebenslustige Terrier-Mischlingsdame zu uns; eigentlich als Vermittlungshund, aber wie es halt so ist: Janga, die ein bisschen größer als Tira ist, »adoptierte« die Kleine sogleich. Von da an hatten wir einen zweiten Hund, der natürlich nicht mehr zu vermitteln war. Die beiden sind inzwischen dicke Freunde geworden. Abends legen sie sich zusammen in ein Körbchen, denn Janga liebt und braucht Körperkontakt, entweder zu uns oder zu Tira, damit sie richtig entspannen kann. Im ersten Jahr hat sie tagsüber kaum geschlafen. Auch wenn sie sich hinlegte, hatte sie die Augen immer nur halb zu und war bei jedem noch so leisen Geräusch oder einer Bewegung sofort wieder wach. Das ist heute ganz anders und


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