Anabasis. Xenophon
Читать онлайн книгу.Flügel zu führen; seine Leute stellte er selbst in Schlachtordnung. Nach der Musterung kamen mit Anbruch des Tages Ueberläufer vom Großkönige und brachten dem Cyrus Nachrichten vom feindlichen Heere. Cyrus ließ die Ober- und Unterbefehlshaber der Griechen zu sich kommen, berathschlagte mit ihnen über die Anordnung der Schlacht und munterte sie durch folgende Rede auf: »Hellenische Freunde, nicht aus Mangel an einheimischen Leuten habe ich euch zu meinen Bundesgenossen gewählt, sondern weil ich euch vor der Menge der Barbaren den Vorzug zuerkannte. Zeigt euch nun würdig der Freiheit, die ihr besitzt, und deretwillen ich euch glücklich preise. Denn seid überzeugt, ich würde sie statt aller der vielen und mannichfaltigen Güter gewählt haben. Um euch aber von dem Kampfe, der euch bevorsteht, einen Begriff zu geben, so wißt, ein zahlreiches Heer wird euch mit vielem Geschrei angreifen; aber haltet nur dies aus, was das Uebrige betrifft, so schäme ich mich recht bei der Vorstellung, wie ihr unsere inländischen Truppen finden werdet. Wenn ihr nun Männer seid, wenn ihr mit angestammtem Muthe kämpft, so will ich den, der in seine Heimat zurückkehren will, mit solchen Vortheilen entlassen, daß ihn seine Mitbürger beneiden sollen. Ich hoffe es aber dahin zu bringen, daß viele die Verbindung mit mir den Verbindungen in ihrer Heimat vorziehen sollen.«
Hierauf trat Gaulites, ein Vertriebener aus Samos und treuer Anhänger des Cyrus, hervor und sprach: »Aber, mein Cyrus, es sagen Einige, deine jetzigen großen Versprechungen würden blos durch den kritischen Zeitpunkt der herannahenden Gefahr, in dem du dich befindest, veranlaßt; aber nach etwaigem glücklichen Erfolge würdest du nicht mehr daran denken. Andere sind der Meinung, daß es dir, wenn auch nicht an Erinnerung und gutem Willen, doch an dem Vermögen fehlen würde, Alles zu erfüllen, was du versprichst.« Cyrus erwiderte hierauf: »Mein väterliches Reich, ihr Männer, erstreckt sich gegen Mittag bis dahin, wo die Hitze den Menschen die Wohnungen versagt; gegen Mitternacht aber, wo es die Kälte thut, Alles, was in der Mitte liegt, wird von den Satrapen, die meinem Bruder treu sind, beherrscht. Wenn wir den Sieg erlangen, so muß ich meine Getreuen über diese Länder setzen. Daher fürchte ich nicht, wenn uns das Glück begünstigt, für all meine Freunde nicht Vermögen genug, aber wol, für alle mein Vermögen nicht Freunde genug zu haben. Jedem aber unter euch Griechen will ich noch eine goldene Krone schenken.«
Als sie das hörten, wurden sie durch dies Versprechen noch viel bereitwilliger und machten es ihren Waffenbrüdern bekannt. Es waren nämlich, außer den Anführern, noch einige andere Griechen zu ihm gekommen, um zu erfahren, was sie zu hoffen hätten, wenn sie den Sieg erhielten; Cyrus nun machte es Allen nach Wunsche und entließ sie. Alle, die sich mit ihm unterredeten, ermahnten ihn, nicht selbst zu fechten, sondern sich hinter die Front zu stellen. Klearch fragte ihn bei dieser Gelegenheit, ob er denn glaube, daß sein Bruder mit ihm streiten werde? »Bei den Göttern,« antwortete Cyrus, »da er des Darius und der Parysatis Sohn und mein Bruder ist, so werde ich mich dieser Länder nicht ohne Kampf bemächtigen.«
Hierauf wurde die Armee, während sie sich rüstete, gezählt. Das griechische Heer bestand aus20 zehntausendvierhundert Hopliten und aus zweitausendvierhundert Peltasten; die persischen Truppen unter Cyrus' Commando waren hunderttausend Mann stark und hatten ungefähr zwanzig Sichelwagen. Die Zahl der Feinde hingegen belief sich, wie man sagte, auf 1,200,000 Mann mit 200 Sichelwagen. Hierzu kamen noch ein Corps von sechstausend Mann Cavallerie, das unter Artagerses' Befehle stand und in Schlachtordnung seinen Stand vor dem Könige hatte. Ueber das königliche Heer commandirten vier Oberbefehlshaber, Abrokomas, Tissaphernes, Gobryas und Arbaces, von denen jeder dreihunderttausend Mann anführte. Von dieser Kriegsmacht kamen neunhunderttausend Mann und hundertfünfzig Sichelwagen ins Treffen; denn Abrokomas langte von seinem Marsche aus Phönicien erst fünf Tage nach der Schlacht an. Davon benachrichtigten den Cyrus die Ueberläufer von der Armee des großen Königs vor der Schlacht, und nach der Schlacht erfuhr man es auch von den Gefangenen, die man gemacht hatte.
Von hier aus machte Cyrus einen Marsch von drei Parasangen und ließ das ganze Heer, Griechen und Perser, in Schlachtordnung fortrücken, weil er glaubte, daß der König noch an demselben Tage schlagen würde; denn auf der Hälfte dieses Marsches stieß man auf einen tiefen Graben, der an Breite fünf und an Tiefe drei Klaftern betrug. Er lief landeinwärts über die Ebene zwölf Parasangen lang bis zur medischen Mauer.21 Hier nun fangen die Kanäle an, die aus dem Tigris fließen; es sind ihrer vier, ein Plethrum breit, sehr tief und von Getreideschiffen befahren. Sie ergießen sich in den Euphrat, stehen von einander eine Parasange weit ab und sind mit Brücken versehen.
Am Euphrat war ein schmaler Durchgang zwischen dem Flusse und dem Graben, gegen zwanzig Fuß breit. Diesen Graben hatte der Großkönig auf die Nachricht von Cyrus' Anzuge anlegen lassen, um sich desselben als einer Schutzwehr zu bedienen; durch den Paß nun zog Cyrus mit seinem Heere und ließ den Graben hinter sich. An diesem Tage ließ sich der König in kein Treffen ein und man sah an den zahlreichen Fußtapfen von Pferden und Menschen, daß er sich zurückzog. Jetzt ließ Cyrus den Wahrsager Silanus aus Ambracia zu sich kommen und gab ihm dreitausend Dareiken, weil ihm derselbe elf Tage vorher beim Opfer gesagt hatte, der König würde binnen zehn Tagen noch keine Schlacht liefern. Cyrus hatte ihm erwidert: »Entweder in zehn Tagen schlagen wir uns oder gar nicht; für den Fall, daß deine Weissagung eintrifft, verspreche ich dir zehn Talente.« Diese Summe zahlte er ihm jetzt, denn die zehn Tage waren verflossen. Da der König das Heer des Cyrus nicht verhindert hatte, über den Graben zu gehen, so glaubten Cyrus und Alle, er suche eine Schlacht zu vermeiden. Dies hatte zur Folge. daß Cyrus den Tag darauf mit größerer Sorglosigkeit marschirte. Am dritten Tage ließ er sich gar auf dem Marsche fahren, und nur wenige Mannschaft zog gerüstet vor ihm her; der größte Theil marschirte ungeordnet und viele Soldaten legten ihre Waffen ab auf Wagen und Lastthiere.
8.
Schon war es um die Mittagszeit, und der Lagerplatz, wo man Halt machen wollte, nahe, als Patagyas, ein Perser und Vertrauter des Cyrus, im stärksten Galopp auf schweißtriefendem Pferde heransprengte und Allen, auf die er stieß, auf persisch und griechisch zurief: der König rücke mit einem großen Heere in Schlachtordnung an. Da entstand ein gewaltiger Aufruhr, denn Griechen und Perser erwarteten sogleich, noch ungerüstet von ihm angegriffen zu werden. Cyrus sprang vom Wagen, legte sich den Harnisch an, ergriff die Wurfspieße und befahl, Jeder solle sich rüsten und auf seinen Posten stellen. Dies geschah mit großer Geschwindigkeit. Klearch nahm seinen Posten auf dem rechten Flügel am Euphrat ein, ihm schloß sich Proxenus und diesem die übrigen Anführer an; Menon aber bildete mit seinem Corps den linken Flügel des griechischen Heeres. Von den persischen Truppen standen tausend paphlagonische Reiter auf dem rechten Flügel beim Klearch, wohin sich auch die griechischen Peltasten gestellt hatten. Den linken Flügel bildete Ariäus, Unterbefehlshaber des Cyrus mit den andern barbarischen Truppen. Im Mitteltreffen befand sich Cyrus mit sechshundert Reitern, die alle mit großen Panzern, Beinharnischen und Helmen bewehrt waren. Cyrus allein machte eine Ausnahme, denn er erwartete den Kampf, ohne den Kopf mit einem Helme zu beschützen, wie überhaupt die Perser meist mit unbewehrtem Haupte ins Treffen gehen sollen.22 Alle Pferde bei der Armee des Cyrus hatten Stirn- und Brustschilde, und die Reiter führten auch griechische Schwerter. Schon war es Mittag, und der Feind hatte sich noch nicht sehen lassen. Nachmittags aber erblickte man Staub, der einer weißen Wolke glich, nicht lange darauf sich in ein gewisses Dunkel verwandelte und die ganze Fläche einnahm. Man näherte sich noch mehr, und sogleich leuchtete das Metall hervor, und man erkannte deutlich die Wurfspieße und die Abtheilungen des Feindes. Auf dem linken Flügel desselben rückte Reiterei an, mit weißen Harnischen gerüstet und wurde, wie es hieß, von Tissaphernes commandirt; an diese schlossen sich Truppen mit geflochtenen Schilden; ihnen zur Seite marschirte schwergerüstetes Fußvolk mit hölzernen Schilden, die bis an die Füße reichten, dem Vernehmen nach Aegypter; noch andere Truppen, theils Reiterei, theils Bogenschützen, folgten diesen. Das gesammte Kriegsheer war nach Völkerschaften abgetheilt, die in geschlossenen Vierecken einzeln aufmarschirten. Vor der Front fuhren Sichelwagen, durch große Zwischenräume von einander getrennt. Die Sicheln gingen quer von den Achsen aus und waren erdwärts gebogen, um Alles, was sie erreichten, zu zerschneiden. Man hatte die Absicht, mittelst derselben die Reihen der Griechen zu trennen.
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