Anabasis. Xenophon

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Anabasis - Xenophon


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aus der Fassung bringen lassen, erfolgte nicht: denn sie rückten in der möglichsten Stille, ruhig, mit gleichem und langsamem Schritte an. Jetzt ritt Cyrus mit dem Dolmetscher Pigres und drei oder vier Andern vorüber und rief dem Klearch zu: er solle das Heer gegen das Mitteltreffen des Feindes führen, weil sich daselbst der König befände. »Haben wir dieses überwunden,« setzte er hinzu, »so ist der Sieg für uns entschieden.« Klearch sah nun zwar das feindliche Cavalleriecorps im Mittelpunkte und hörte auch von Cyrus, daß der König weit außerhalb des griechischen linken Flügels stehe, denn Artaxerxes war dem Cyrus an Menge so überlegen, daß er im Mittelpunkt seiner Armee schon die linke Flanke desselben überflügelte, – Klearch, sage ich, wollte aber dessen ungeachtet den rechten Flügel nicht vom Flusse abziehen, aus Besorgniß, von beiden Seiten eingeschlossen zu werden; indessen versprach er dem Cyrus, dafür zu sorgen, daß Alles gut ginge.

      Inzwischen marschirte das feindliche Heer in gerader Linie heran; das griechische aber stand und seine Abtheilungen stellten sich, so wie sie nach einander anrückten, in Schlachtordnung. Cyrus, der in einer ziemlichen Entfernung von seiner Linie herausgeritten kam, betrachtete abwechselnd beide Heere. Als ihn unter den Griechen Xenophon, der Athener, erblickte, ritt er zu ihm heran und fragte, ob er noch etwas zu befehlen hätte. Cyrus hielt und gab ihm den Auftrag, Allen anzukündigen, daß die Opfer einen glücklichen Erfolg versprächen. Indessen hörte er ein Gemurmel, das durch die Reihen lief, und fragte nach der Ursache desselben. Xenophon sagte ihm, die Losung würde zum zweiten Male ausgegeben.23 Cyrus, dem es unbekannt war, wer sie auszutheilen pflegte, wunderte sich darüber und fragte, wie sie hieße? »Zeus, der Retter und Sieg!« war die Antwort. »Wohlan, sagte Cyrus, dies sei die Losung!« und ritt auf seinen Posten zurück. Kaum drei oder vier Stadien waren nun beide Heere von einander entfernt, als die Griechen ihren Schlachtgesang anstimmten und auf den Feind losgingen. Durch das schnelle Vordringen eines Theils ihrer Linie bekam diese eine Beugung, so daß die Andern laufen mußten, um keine Lücke zu machen. Während dieses allgemeinen Laufens erhoben Alle ein Geschrei, wie es bei der Anrufung des Ares gewöhnlich ist und schlugen zugleich, wie Einige erzählen, Schild und Lanze zusammen, um die Pferde scheu zu machen. Eh' es aber noch zum Pfeilschuß kam, wendete sich die feindliche Cavallerie und floh. Die Griechen verfolgten sie aus allen Kräften und schrieen einander die Warnung zu, nicht durch den schnellen Marsch die Linie zu brechen. Die Sichelwagen aber, ihrer Führer beraubt, gingen theils selbst durch das feindliche Heer, theils durch die Griechen. Diese, die es voraus bedacht hatten, öffneten jetzt ihre Reihen; Mancher wurde zwar dabei, wie auf der Rennbahn, gestreift und von seinem Platze gedrängt, doch hat man nicht gehört, daß Einer dabei verletzt wäre. Ueberhaupt litt kein Grieche etwas in diesem Treffen, einen Einzigen auf dem linken Flügel ausgenommen, der, wie man erzählte, einen Pfeilschuß erhielt.

      Cyrus bemerkte mit Vergnügen die Fortschritte der Griechen und die Flucht ihrer Feinde und wurde von seinen Begleitern schon als König begrüßt. Indessen fand er es doch nicht für gut, selbst zu verfolgen, sondern hielt sein Begleitungscorps von sechshundert Reitern zusammen und erwartete die Bewegungen des Königs, der, wie ihm bekannt war, das Centrum der persischen Armee führte. Auch die übrigen persischen Generale commandirten in der Mitte ihres Treffens, aus dem doppelten Grunde, weil sie den Standort, wo sie auf beiden Seiten von ihren Truppen gedeckt waren, für den sichersten hielten, und weil ihr Corps von da aus die nöthigen Befehle in kürzester Zeit erhalten konnte. Da nun der König, der, wie gesagt, mit dem Centrum seiner Armee die linke Flanke des Cyrus überflügelte, keinen Feind vor sich fand, der ihn oder das vor ihm postirte Corps angriff, so machte er eine Schwenkung, um den Feind einzuschließen. Cyrus, der jetzt besorgte, daß der König durch einen Angriff im Rücken das griechische Heer über den Haufen werfen möchte, ging ihm entgegen, griff mit seinem Gardecorps von sechshundert Mann die sechstausend Mann starke Reiterei, die vor dem Könige stand, an und schlug sie in die Flucht; den Anführer Artagerses tödtete er, der Erzählung nach, mit eigner Hand. Seine Cavallerie indessen zerstreute sich durch die hitzige Verfolgung, und nur sehr wenige Freunde, die man seine Tischgenossen nannte, blieben bei ihm. Da erblickte er den König unter seiner Bedeckung, und nun hielt ihn nichts mehr, sondern mit den Worten: »Ich sehe ihn!« sprengte er auf ihn los und verwundete ihn mit einem Stoße auf die Brust durch den Harnisch, wie der Arzt Ktesias, der die Wunde, seiner Aussage nach, geheilt hat, versichert. Während dem warf ein Anderer dem Cyrus mit großer Gewalt einen Wurfspieß unter das Auge. Wie viele bei diesem Kampfe der Brüder und ihrer beiderseitigen Bedeckung von königlicher Seite geblieben sind, berichtet Ktesias, der sich bei dem Könige befand. Diesseits fiel Cyrus, und über ihn wurden acht seiner tapfersten Begleiter hingestreckt. Artapates aber, sein treuster Diener unter den Zepterträgern, sprang, wie man erzählt, bei dem Anblick von Cyrus' Sturz vom Pferde und warf sich über ihn hin. Hier wurde er, wie Einige behaupten, auf Befehl des Königs von Jemandem erstochen; nach Andern nahm er sich selbst das Leben. Er trug ein goldnes Schwert, eine Halskette, Armbänder und dergleichen Schmuck, wie die vornehmsten Perser, denn bei Cyrus hatte er wegen seiner Anhänglichkeit und Treue in hoher Gunst gestanden.

      9.

       Inhaltsverzeichnis

      So starb Cyrus, ein Mann, der, nach den einstimmigen Zeugnissen Aller, die ihn genauer kannten, unter den Persern, die seit dem ältern Cyrus lebten, am fähigsten und würdigsten war, ein Diadem zu tragen. Schon in seiner frühen Jugend, als er mit seinem Bruder und andern Knaben unterrichtet wurde, zeichnete er sich in jeder Rücksicht unter Allen am Meisten aus. Denn die Kinder der persischen Großen werden alle am Hofe erzogen, wo sie viele Gelegenheit haben, ihren sittlichen Charakter zu bilden, und keine unanständigen Reden oder Handlungen lernen. Die Knaben bemerken es eben so wol, wenn der König gegen Manche Verachtung äußert, als wenn er Andern seine Hochachtung zu erkennen gibt: sie lernen also schon frühzeitig die Kunst zu befehlen und zu gehorchen. Hier zeichnete sich Cyrus vor allen seinen Gespielen durch sein bescheidenes und schamhaftes Betragen aus, und bewies gegen ältere Personen mehr Folgsamkeit als Andere, die unter seinem Stande waren. Mit Pferden beschäftigte er sich sehr gern, und in ihrer Behandlung besaß er die größte Fertigkeit; auch in den kriegerischen Künsten: den Bogen zu führen und den Wurfspieß zu werfen, erklärte man ihn für den gelehrigsten und fleißigsten Knaben. Als er in die Jünglingsjahre getreten, wurde er ein leidenschaftlicher Liebhaber der Jagd und bewies dabei den kühnsten Muth. Einst, als ein Bär auf ihn loskam, erwartete er ihn, und obgleich dieser ihn vom Pferde riß und ihm einige Wunden versetzte, machte er ihn doch endlich nieder. Den, welcher ihm zuerst zur Hilfe gekommen war, beschenkte er dafür sehr reichlich.

      Als er von seinem Vater als Satrap von Lydien, Großphrygien und Kappadocien und als Oberbefehlshaber aller der Truppen, die sich in der Ebene bei Kastolos zur Musterung versammeln müssen, abgeschickt war, zeigte er zuvörderst, daß er für die heiligste Pflicht hielte, Bündnisse, Verträge und Zusagen genau zu erfüllen. Daher besaß er auch das Zutrauen der ihm anvertrauten Städte und einzelner Menschen, ja sogar Feinde besorgten nichts von ihm, wenn er einmal den Vertrag geschlossen hatte. In dem Kriege gegen Tissaphernes traten deswegen alle Städte auf Cyrus' Seite, die Milesier ausgenommen; denn diese fürchteten sich vor ihm, weil er die Sache der Vertriebenen nicht aufgeben wollte. Hier erklärte er und bestätigte es mit der That, daß er sie, da er nun einmal ihr Freund sei, nie verlassen würde, und wenn ihre Anzahl auch noch geringer und ihre Lage noch schlimmer wäre. Sowol dem, der ihm Gutes erwiesen, als dem, der ihn beleidigt hatte, suchte er es, wie man deutlich sehen konnte, zuvorzuthun; und er äußerte einmal, wie man erzählt, den Wunsch, so lange zu leben, bis er Freunde und Feinde durch Wiedervergeltung übertroffen hätte. In unserer Zeit ist er daher auch wol der einzige Mann, dem so viele Menschen Schätze, Städte und ihre eignen Personen anvertrauten. Doch ließ er auch im Gegentheil, wie Jeder eingestehen muß, von schlechten und ungerechten Leuten seiner nicht spotten, sondern ahndete ihre Vergehungen aufs Schärfste. An den Landstraßen hatte man daher oft den Anblick von Menschen, die der Hände, der Füße oder der Augen beraubt waren:24 dies bewirkte aber auch eine solche Sicherheit in seinem Gebiete, daß Jeder, Grieche oder Nichtgrieche, wenn er selbst nichts Böses that, mit Hab' und Gut ohne Furcht reisen konnte, wohin er wollte. Männer von Tapferkeit zeichnete er, wie ja auch allgemein bekannt, ganz vorzüglich aus. Sein erster Feldzug ging gegen


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