Ein Rindvieh für Gaddafi. Günther Thömmes
Читать онлайн книгу.einzige bleiben wird.«
Edgar nahm seinen Faden wieder auf.
»Libyen und Österreich möchten den gemeinsamen Handel intensivieren. Sie sind heute hier, weil Sie Rinder kaufen möchten. Regelmäßig, zum Transport nach Tripolis. Sind meine Informationen korrekt?«
Der Prinz nickte.
»Haben Sie eine Vorstellung über die Menge und Qualität der Tiere?«
»Wir wünschen Transporte von jeweils etwa 2.500 Rindern, und das alle vier bis sechs Wochen.«
»Und bezahlen werden Sie mit Erdöl, ist das korrekt?«
Der Prinz nickte entschieden.
»Das sollten wir aber heute außen vor lassen. Für das Öl bin ich nicht zuständig. Unser Thema sind die Rinder. Das Formelle und die Planung für die Lieferungen. Die Zeitpläne und Logistik.«
Erst jetzt erschien es Edgar opportun, die Herren miteinander bekannt zu machen. Michel und Fritz stellte er dem Prinzen vor als »die führenden, die größten Viehherden- und Schlachthausbesitzer Österreichs«. Die drei nickten einander beflissen zu. Prinz Ahmida war laut Edgars Einführung der »persönliche Sekretär Muammar al-Gaddafis im Range eines Staatssekretärs des libyschen Wirtschaftsministeriums«. Die beiden Wiener sprachen ein unbeholfenes Englisch mit unverkennbarem Wiener Einschlag, während der Prinz zeigte, dass er eine Ausbildung in Oxford genossen hatte; allerdings mit britischem Understatement, ohne überheblich zu wirken.
Diesem Gespräch waren wochenlange Brief- und Telexwechsel vorausgegangen. Prinz Ahmida und Edgar hatten schon einige Waren nach Libyen gebracht, man kannte sich. Oberst Gaddafi war ein ungeduldiger Kunde und doch als Geschäftspartner sehr begehrt. Er zahlte gut und, im Vergleich zu anderen Leuten, mit denen Edgar sonst noch Geschäfte machte, auch einigermaßen pünktlich.
Edgar war Freiberufler und konnte sich als Produkte, die es zu vermitteln gab, so ziemlich alles vorstellen. Er hielt sich jedoch an seine eigenen Leitlinien, die da hießen: keine Waffen, kein Militärgerät, keine Drogen, keine Menschen. Für Waffen, Panzer und Ähnliches gab es andere Profis; Leute, mit denen man besser keinen Streit vom Zaun brach, indem man sich als unliebsamer Konkurrent entwickelte. Das Gleiche galt für Drogen. Und Menschen, speziell junge Frauen oder Mädchen – am beliebtesten waren Blondinen – zu vermitteln oder gar zu verkaufen, das widersprach einfach seinen Moralvorstellungen. Es gab mit den Dingen, die er mochte und die so weit legal waren, genug Geld zu verdienen. Aber Vieh, das war mal ganz etwas Neues. Da bahnte sich ein Geschäft an, bei dem sogar die hohe Politik mit einbezogen werden konnte.
Edgar war überrascht gewesen, wie leicht das gewesen war. Er informierte sich stets gut, ausführlich und seriös über den Nahen Osten, seine Probleme und seine geschäftlichen Möglichkeiten. Nachdem Bruno Kreisky selbst zwei Jahre zuvor im Rahmen einer diplomatischen Reise der Sozialistischen Internationale bei Gaddafi zu Besuch gewesen war, hatten letztere sich stetig verbessert. Seither hatte sich, so sah es zumindest Edgar August, fast so etwas wie Freundschaft zwischen dem Kanzler Österreichs und dem international geächteten Machthaber Libyens entwickelt. Auch wenn beide das offiziell nicht so nennen würden. Freundschaft wäre auch vielleicht zu hoch gegriffen. Vertrauen war jedoch in jedem Falle da zwischen dem Bundeskanzler mit den Wiener bürgerlich-jüdischen Wurzeln und dem exzentrischen Libyer, wenn auch auf eine unerklärliche Art und Weise. In Gesprächen mit Gaddafis Mitarbeitern war eine derartige Erwähnung immer hilfreich.
Außerdem hatten die erste Ölkrise einerseits und Importverbote vieler Länder für libysches Öl andererseits beide Seiten noch gesprächsbereiter gemacht, als dies unter normalen Umständen der Fall gewesen wäre.
Es wäre ein langer, dorniger Weg durch die Bürokratie geworden. Doch das Kanzleramtsbüro hatte sofort auf die erste Anfrage hin reagiert, – die Option »Rinder gegen Öl« war einfach unwiderstehlich, und Kreiskys Devise war sowieso, die arabische Welt nicht von der westlichen zu isolieren und nicht gleichgültig gegenüber deren Problemen zu sein. Gute Beziehungen zu Israel hin oder her. Allein schon aus energiepolitischen Gründen.
»Immer gesprächsbereit bleiben«, den Spruch hörten seine Mitarbeiter öfter, als ihnen lieb war.
So hatte man sogleich Fachleute aus dem Außen- und Wirtschaftsministerium hinzugezogen, sogar mit den als schwierig bekannten italienischen Behörden kooperiert, und im Vorfeld alle Fragen, alle aufkommenden Probleme hinsichtlich des Transports, eventuell anfallender beziehungsweise wegfallender Zölle, Quarantäne und veterinärmedizinischer Aspekte in Betracht gezogen und die meisten souverän aus dem Weg geräumt. Es hatte sich bezahlt gemacht, dass Edgar bislang die Finger von schmuddeligen, anrüchigen Deals gelassen hatte.
Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Hier saßen sie nun, im »Zigarrenkistl« des Bundeskanzlers, und arrangierten ein Geschäft zu allseitigem Nutzen, das zudem auf Dauer angelegt war. Es würde Gaddafis Heldenstatus im eigenen Land fördern und der Republik Österreich nicht nur viel, viel Geld und Öl, sondern auch unschätzbare Kontakte und Starthilfe für weitere dicke Geschäfte einbringen. Edgars Position und Vorteile entsprachen hierbei ziemlich exakt denen der Republik Österreich.
Der Hinterzimmer-Charakter des Geschäfts erklärte sich aus der Herkunft der handelnden Personen. Edgar hatte von vornherein darauf bestanden, das Projekt »Rindviecher für Gaddafi« unter Ausschluss der Öffentlichkeit abzuwickeln. Das konnte er einfach am besten. Er war kein Mann fürs Rampenlicht. Genauso wenig wie die anderen Partner in diesem Geschäft.
Kapitel 3
Je mehr Oberst Wimmer über die Identität seines Mordopfers erfuhr, desto mehr fluchte er. Es war immer noch bemerkenswert wenig, aber die Art und Weise, wie diese Informationen hereintröpfelten, machten ihn sehr misstrauisch. Er telefonierte herum, mit diversen Ministerien und einmal sogar kurz mit dem Kanzleramt, bevor er zu dem Schluss kam, dass es beinahe wichtiger war, darauf zu achten, was nicht gesagt wurde.
Er rief Stummel an, um sich mit ihr für den Abend zu verabreden. Auf ihre erneute Bitte um Informationen erwiderte er sofort: »Wir sind angehalten, diesen Fall mit besonderer Diskretion zu behandeln. Sonst treten wir jemandem in der hohen Politik auf die Füße. Keine Presse, keine Alleingänge. Alle Informationen kommen zuallererst zu mir. Und bleiben bei mir. Ohne Ausnahme! Ich habe keine Lust, auf dem diplomatischen Parkett auszurutschen und danach in Zukunft als Schülerlotse zu agieren.«
Stummel lachte.
»Musst du immer so übertreiben?«
Wimmer lachte nicht.
»Es war mir nie ernster.«
Drei Stunden später war alles vergessen, sie tanzten Walzer.
Es war keine Frage, wer hier wen führte, Elisabeth Körner legte ihre Wange in Wimmers Armbeuge und wiegte sich im Takt der Musik von Johann Strauß.
Ihre Beziehung, die nur auf gegenseitiger Sympathie und der Liebe zum Tanzen basierte und keinerlei Sex enthielt, war anfangs von vielen Menschen als ein wenig bizarr angesehen worden.
Sicher spielten auch ein wenig Wimmers Beschützerinstinkte gegenüber seiner kleinen Tanzpartnerin eine Rolle; er wäre auch als Erster bereit gewesen, dies zuzugeben. Aber nur am Rande.
In Stummels Motive zu dieser ungewöhnlichen Freundschaft spielten auch die Tatsachen hinein, dass Wimmer bei der Polizei einflussreich war und Zugang zu erstklassigen Informationen hatte. Sie hatten jedoch beide stillschweigend vereinbart, dass keiner die beruflichen Quellen des anderen zu seinem Vorteil unangemessen ausnutzen würde. Gelegentliche harmlose Unterstützung konnte aber nichts schaden. So pedantisch war man in Wien nicht.
Beim Tanzen jedoch war alles tabu, was keine Noten hatte. Solang sie über das Parkett wirbelten, schwiegen sie.
Nach einer Stunde lösten sich die beiden erschöpft und glücklich voneinander und setzten sich an einen Tisch in der zum Tanzklub gehörenden Bar.
Wimmer bestellte ein Bier für sich. Elisabeth Körner einen Whisky Sour.
»Jetzt erzähl schon«, sie konnte ihre Neugier einfach nicht verbergen,