Ein Rindvieh für Gaddafi. Günther Thömmes
Читать онлайн книгу.den Kopf.
»Du lässt nicht locker.«
»Berufskrankheit.«
»Das darf ich dir leider trotzdem nicht verrate. Noch nicht. Wie ich dir gestern und auch heute Nachmittag schon gesagt habe.«
Stummel zog einen Flunsch.
»Nun sei nicht gleich beleidigt. Mach doch eine Story aus dem Schrecken, den diese Kegelbrüder und -schwestern dabei erlitten haben. Den Schrecken, das Entsetzen. Die darfst du interviewen, was das Zeug hält.«
»Das reicht aber nur für maximal drei Tage. Dann wird’s langweilig.«
Wimmer wiegte seinen Kopf hin und her.
»Vielleicht wissen wir bis zum Wochenende mehr. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: entweder darfst du dann darüber schreiben, mit allen Informationen.«
»Oder?«
»Der Fall wird, wie bisher, weiterhin als geheim eingestuft. Dann musst du das Ganze vergessen.«
Sie prosteten sich zu.
»Dann hoffe ich mal auf Ersteres.« Elisabeth Körner lächelte. »Sonst suche ich mir einen anderen Tanzpartner.«
Wimmer lächelte zurück. Er wusste, dass dies eine leere Drohung war. Die Ironie seiner Freundin hatte er exklusiv. In ihrem Beruf, im Boulevard-Journalismus, gab es das nicht.
Kapitel 4
Getroffen hatte er seinen Hauptgeschäftspartner nur ein einziges Mal.
Um sein Gesicht zu zeigen und auch zu wahren – manche Gepflogenheiten galten weltweit, nicht nur in Fernost, hatte er sich nach den ersten Telefonaten und Telex-Nachrichten auf den Weg nach Libyen gemacht.
Auf die Unterstützung der Sozialistischen Internationale oder anderer Organisationen, die Kreisky knapp zwei Jahre genossen hatte, hatte er notwendigerweise verzichten müssen. Es gab keine Land Rover, keine Militärpatrouille hatte ihn begleitet. Bei ihm gab es keine politischen oder altruistischen Gründe, sondern ausschließlich kaufmännische.
Wie bei Kreiskys Delegation hatte das Ziel Wadi Jarf geheißen. Ein paar Hundert Kilometer südwestlich von Tripolis gelegen. Eine lange Strecke, wenn man allein in einem gänzlich unbekannten Land war und sich den Kenntnissen eines Beduinen-Chauffeurs und dessen klapprigen, alten Mercedes-Limousine ausliefern musste. Der hatte am Flughafen in Tripolis zuerst laut gelacht, als Edgar ihm sein Ziel genannt hatte, und auf einer erheblichen Vorkasse bestanden.
»In case you get shot«, hatte er humorig verkündet. Aber mit jeder Militärkontrolle, bei der Edgars Passierschein, unterschrieben von Gaddafi höchstpersönlich, genau untersucht und der Mercedes dann anstandslos durchgewunken worden war, waren Respekt und Freundlichkeit des Fahrers gegenüber seinem europäischen Passagier gestiegen.
Edgar hatte ein großes Zelt erwartet, in dem Gaddafi angeblich mehrere Stunden täglich meditierte. Tatsächlich hatten sie irgendwann auf einer gekiesten Auffahrt vor einer sandfarbenen großen Villa angehalten, die sehr, sehr neu aussah.
Eine große sonnenbeschienene Terrasse Richtung Süden, die großen Flügeltüren nach innen weit geöffnet, hatten ihn eher an die Côte d’Azur denken lassen. Wenn es Meer in der Nähe gegeben hätte. Es gab aber nur Wüste und ein kleines Rinnsal, das Wadi. Und trotzdem dieses, zumindest auf den ersten Blick, luxuriöse Anwesen. Edgar hatte sich noch gerade gefragt, wie es möglich war, an diesem gottverlassenen Fleckchen Erde so etwas zu erbauen, da war auf der Terrasse ein Mann in einer Operettenuniform erschienen und hatte ihn zu sich hinauf gewunken, über die weitgeschwungene Freitreppe mit etwa 20 Marmorstufen. Edgar hatte mancherlei Geschichten gehört über Gaddafis Personal. Nicht nur, dass die Träger dieser Operettenuniformen Gaddafis persönliche Milizen waren, die sogenannten Kata’ib, denen er erheblich mehr vertraute als den offiziellen Militärs. Die reguläre Armee war für Infiltration um einiges anfälliger. Ein so reichlich gehasster Mann wie Gaddafi musste immer mit Attentaten rechnen. Die Kata’ib waren von seinem Stamm, loyal bis in den Tod. Und gut bezahlt natürlich auch. Seine private Leibwache.
Der uniformierte Kata’ib hatte vor ihm salutiert, was er höchst befremdlich gefunden hatte, und ihn dann durch eine der Flügeltüren in ein Vorzimmer eskortiert, wo er oberflächlich auf Waffen durchsucht und dann nach wenigen Minuten zum libyschen Staatsoberhaupt vorgelassen wurde.
Da Edgar auch gehört hatte, dass er manche Besucher stundenlang warten ließ, empfand er seine Behandlung als bevorzugt und ließ ihn die Dringlichkeit erahnen, mit der Gaddafi ihr gemeinsames Geschäft betrachtete.
Das große Büro war geschmackvoll eingerichtet mit dicken und sündhaft teuren Teppichen, die kaum noch einen Blick auf die Marmorböden zuließen, und bequemen Sesseln. An der Decke hatten zwei imposante Lüster gehangen, die in Edgars Augen heftig mit der Klasse der Möbel und Teppiche kontrastierten, genau wie die kitschigen Bilder mit arabischen Motiven und grellen Sonnenuntergängen. Große Fenster ohne Vorhänge erlaubten es der Sonne, das Arbeitszimmer mit Licht zu durchfluten. Gaddafi selbst hatte hinter einem enormen Schreibtisch gesessen, vor sich eine Armada altmodischer Bakelit-Telefone, wie sie im Österreich der 70er-Jahre kaum jemand mehr verwendete. Alle schwarz bis auf eines, das feuerrot herausstach. Sein direkter Draht zu Breschnew?, war es Edgar durch den Kopf geschossen, bevor er sich wieder auf den Mann vor ihm konzentrierte. Der hatte sich leicht schwankend erhoben und war hinter dem Tisch hervorgekommen, nachdem ihm Edgar lächelnd entgegengeeilt und ihn mit einer leichten Verbeugung begrüßt hatte. Der Libyer trug eine Art Knickerbockerhose und glänzende schwarze Knobelbecher aus Leder. Dazu ein eng geschnittenes schwarzes Hemd aus Seide mit Stehkragen und orientalischen gestickten Goldornamenten entlang der Knopfleiste und um den Ausschnitt.
Im Gang ein Preuße, dazu englische Hosen, und das Herz schlägt unter einer arabischen Bluse, subsummierte Edgar die Erscheinung Gaddafis für sich. Das passte, genau so präsentierte der Libyer sich gerne; als undurchschaubarer, vielschichtiger Mensch, der mehreren Kulturen gerecht werden wollte.
Er hatte überdies eine dicke Sonnenbrille aufgehabt, und wenn Edgar sich nicht sicher gewesen wäre, dass er in muslimischen Gefilden weilte, hätte er behauptet, Gaddafi leide an einem schweren Kater. Zumindest hatte er schläfrig gewirkt oder irgendwie sediert.
Im Gespräch war der Mann jedoch plötzlich hellwach und detailliert informiert gewesen und hatte ihn in höflichem, gepflegtem Englisch über die neuen Handelsbeziehungen in Kenntnis gesetzt. So zumindest hatte Edgar es empfunden, es war keine Verhandlung gewesen, sondern eher ein »Friss oder stirb!«, nur höflicher. Dies war jedoch nur der Anfang gewesen; sein Gastgeber hatte nur zeigen wollen, wer das Sagen hatte. Es war mehr als offensichtlich, dass sich Gaddafi nach dieser Audienz aus dem Geschäft offiziell zurückziehen und die weiteren Verhandlungen seinen Adlaten überlassen würde. Er neigte zwar zur Einmischung in die banalsten Alltagsdinge, aber alles konnte auch ein Mann, der so von sich selbst überzeugt war wie Gaddafi, nicht selber erledigen. Das Gespräch war in Edgars Erinnerung als etwas Unwirkliches zurückgeblieben. Es war völlig ohne Agenda, ohne Protokoll abgelaufen. Kein Papier hatte Gaddafis Schreibtisch verunziert, es wurde auch nichts unterschrieben oder zumindest abgezeichnet. Gerade das hatte wohl das Gefühl des gegenseitigen Vertrauens verstärken sollen, nach dem Motto: Wir sind Ehrenmänner, unser Wort ist Vertrag genug.
Der Rückweg war mit beinahe militärischen Ehren erfolgt. Mit vier Land Rovern als Eskorte. In Tripolis hatten sie alle Ampeln genauso ignoriert wie den wahnsinnigen Verkehr, und sie waren mit derart rücksichtslosem und höllischem Tempo zum Flughafen gefahren, dass Edgar vor dem kleinen baufälligen Terminal mit schlotternden Knien ausgestiegen war.
Diese Begegnung hatte er niemals vergessen.
Kapitel 5
»Du, Sterz, wir müssen reden. Ich brauche deine Hilfe.«
Wimmer schaute überrascht von seinen Papieren auf und sah Elisabeth Körner in der halb offenen Türe stehen. Sie kam ansonsten nie unangemeldet, also musste es ernst sein. Er winkte sie heran.
»Wo brennt’s denn wieder mal?«
»Na,