Das Mündel des Apothekers. Stefan Thomma

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Das Mündel des Apothekers - Stefan Thomma


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hatte, als man ihn aufgefunden hatte«, erklärte der Stadthauptmann und überreichte ihr die Geldkatze des Stiefvaters.

      »Das ist alles? Wo sind seine Kleidung und seine Taschenuhr?«

      »Willst du etwa behaupten, ich hätte die Sachen an mich genommen?«

      »Nein, es ist nur… Man hatte ihn doch nicht etwa wegen einer Taschenuhr ermordet!«

      »Hungernde würden wegen einer Scheibe Brot morden! Wo seine Kleidung ist, weiß ich nicht. Frag den Totengräber!«

      »Weshalb ich eigentlich hier bin: Ihr wart einer der Letzten, die Wilhelm lebend gesehen haben. Könnt Ihr mir noch irgendeinen Anhaltspunkt geben, wo er sein kann, falls er noch lebt?«

      Entgeistert sah der Wachmann sie an.

      »Das hab ich dir doch schon alles hundert Mal erzählt. Wilhelm hat den Oberbefehlshaber Graf von Holzappel nach Augsburg gebracht. Mehr weiß ich nicht! Ich dachte, du kommst wegen unserer Hochzeit zu mir. Willst du dich davor drücken und hoffen, deinen Wilhelm wiederzufinden? Bin dir wohl nicht gut genug, hä?«

      »Ich glaube, es war ein Fehler von mir, hierherzukommen«, bemerkte Katharina und stand auf, um zu gehen. Erich umfasste ihre Hüften und lächelte sie an, dass seine wenigen braunen Zähne zum Vorschein kamen.

      »Wir wären doch ein hübsches Paar«, hauchte er ihr ins Gesicht. Katharina schloss die Augen und drehte ihren Kopf zur Seite. Sein fauliger Atem ließ sie beinahe würgen.

      »Lass mich los! Das bringt doch nichts!« Doch ihn beeindruckten ihre Worte nicht. Er versuchte, sie zu küssen. Katharina drehte ihren Kopf zur Seite und so schmierte Erich mit seinem fettigen Mund über ihre Wangen.

      »Hör auf!« Panik stieg in ihr auf. Er ließ von ihr ab, griff in ihren Ausschnitt und fetzte mit einem Ruck ihr Mieder in zwei Hälften. Versteinert vor Entsetzen stand sie mit entblößtem Oberkörper vor ihrem Peiniger. Mit einem fiesen Grinsen öffnete Stracke seinen Hosenlatz und trat näher. Sie ließ ihr Knie mit voller Wucht nach oben schnellen. Der Stadthauptmann sackte schmerzverzerrt zusammen.

      »Du dreckige kleine Hexe!«, brüllte Stracke, nach Atem ringend. Katharina raffte ihre Strickjacke und stürmte die Stufen hinab.

      Am Eingang standen einige Wachsoldaten, die Katharina musterten.

      »Eurem Hauptmann geht es nicht so gut. Ich glaube, er hat Leibgrimmen«, sagte sie beim Vorbeigehen mit einem leichten Grinsen im Gesicht. Entgeistert sahen die Männer ihr nach.

      Ihr Weg führte Katharina ohne Umwege zu ihrem Jugendfreund. Simon Mühlbichler war mittlerweile zu einem stattlichen Mann herangewachsen. Er hatte durch die schwere körperliche Betätigung in der Zimmerei einen sehnigen Körper, der von der Arbeit an der Sonne gebräunt war. Sein schwarz gelocktes Haar reichte bis zu seinen Schultern. Das bartlose Gesicht wurde von einer schiefen Nase unterstrichen, die er sich gebrochen hatte, als er aus dem Baumhaus stürzte.

      »Alles, was ich vom Verschwinden von Wilhelm erfahren habe, ist, dass er den schwerverletzten Oberbefehlshaber, Graf von Holzappel, nach Augsburg gebracht haben soll. Danach verliert sich jede Spur«, erklärte ihm Katharina. »Ich muss sofort nach Augsburg, um ihn zu suchen!«

      »Wie willst du als Frau allein in Augsburg jemanden finden?«

      »Ich bin nicht allein, du wirst mich begleiten«, schmunzelte sie.

      »Ich kann hier nicht einfach so weg. Mein Vater springt mir an die Kehle. Jetzt wo wir endlich wieder genug Arbeit haben, kann ich ihn doch nicht einfach allein lassen!«

      Simon sah Katharina in die Augen und überlegte.

      »Allerdings kann ich dich ja nicht im Stich lassen. Wann soll’s denn losgehen?«

      »Am besten gleich morgen früh, dann sind wir abends in Donauwörth und, wenn alles gut läuft, übermorgen in Augsburg.« Wie es dann weitergehen sollte, wusste Katharina auch noch nicht. Sie würden sich einfach durchfragen und hoffen, dass Wilhelm dort irgendwelche Spuren hinterlassen hatte.

      Kapitel 7

      Mit Tränen in den Augen winkte Elfriede Breitenbach Simon und Katharina auf ihren Pferden hinterher, bis sie die beiden nicht mehr sehen konnte. Sie hatten die Stadt durch das Reimlinger Tor verlassen und bald waren nur noch einzelne Bauern zu sehen, die ihrer Arbeit auf den Feldern nachgingen.

      Sie waren jetzt im Gebiet des Grafen Johann von Oettinger-Wallerstein und würden heute noch die Harburg passieren, den Stammsitz des Grafen. Der war auf die Nördlinger nicht sonderlich gut zu sprechen. Der Graf Oettinger-Wallerstein sollte vor langer Zeit die Nördlinger Wachen bestochen haben, damit diese das Tor nachts nicht verriegelten. So sollte ein Überfall auf die Stadt gelingen. Durch einen Zufall sah die Frau des Lodwebers, wie sich eine Sau am offen stehenden Tor kratzte. Die rannte sofort zum Bürgermeister und schlug Alarm. Die bestechlichen Torwächter wurden daraufhin gevierteilt.

      Als die Sonne den höchsten Stand erreichte, bog Simon in ein Waldstück ab. Sie kamen an eine Lichtung, durch die ein kleiner Bach floss. Hier hatte er des Öfteren Rast gemacht, um die Pferde zu tränken. Der Waldboden war dick mit Moos bewachsen und sah im Sonnenlicht wie ein flauschiger Samtteppich aus.

      Mit Speck, einem Kanten Brot und etwas Käse stärkten sich die beiden.

      »Mein Gott, hast du deinen gesamten Hausstand mitgenommen?«Simon grinste, als er den Leinenbeutel von Katharina musterte.

      »Nein«, lachte sie. »Da ist nur eben alles drin, was man so braucht. Reiseproviant, Schlageisen und Zunder zum Feuermachen, Nadel und Faden für Reparaturen der Kleidung, getrocknete Pfefferminzblätter für frischen Atem, Salben und Kräuter für die verschiedensten Leiden, Leinenstreifen zur Herstellung eines Wundverbands und noch vieles mehr.«

      Nach längerem Schweigen brach Katharina die Stille.

      »Warum hast du bis jetzt nicht geheiratet?«

      Nachdem Simon seinen Bissen hinuntergeschluckt hatte, erklärte er:

      »Es ist mir nicht nur einmal im Leben passiert, dass ich mich in eine Frau verguckt habe, die später zwangsverheiratet wurde. Ich bin es leid geworden. Da bleibe ich lieber allein.«

      »Ich wünschte, mir wäre das damals alles erspart geblieben.« Katharina stocherte mit einem kleinen Ast im moosigen Waldboden.

      »Wir sollten weiter«, unterbrach Simon ihre Gedanken. »Es ist noch ein gutes Stück bis Donauwörth.«

      Nach einem langen Ritt rief Simon zu Katharina:

      »Siehst du den Turm vor uns? Das ist das Kloster Heilig Kreuz von Donauwörth. Dort werden wir versuchen, ein Nachtlager zu bekommen.«

      »Das sieht ja nicht besonders einladend aus!«

      »Dafür kostet es nichts!«

      Als sich nach mehrmaligem Klopfen eine kleine Luke in der Klosterpforte öffnete, schaute ein Augenpaar mit getrübten Linsen verwundert auf die Reisenden.

      »Was wollt ihr? Wir nehmen keine Fremden auf!«

      »Wir würden euch nur für diese Nacht belästigen und sind mit der einfachsten Kammer zufrieden«, beschwichtigte ihn Katharina. »Wir kommen aus Nördlingen und haben wichtige Erledigungen in Augsburg zu tätigen.«

      »Meinetwegen, aber Ansprüche braucht ihr nicht zu stellen. Seit dem Krieg sind große Teile des Klosters zerstört und zu essen habe ich für euch auch nichts«, murrte der Mönch, während er die Klosterpforte einen Spalt öffnete. Beim Durchschreiten des verwilderten Klostergartens erzählte er weiter:

      »Seit dem Tod von Bruder Jakobus letztes Jahr bin ich allein hier. Man muss aufpassen, es ist viel Gesindel unterwegs. Ich bin übrigens Bruder Antonius.

      Hier könnt ihr schlafen. Wenn ihr noch etwas braucht, findet ihr mich in der Kirche beim Abendgebet.« Dankend schloss Katharina die schwere Türe hinter dem Mönch.

      »Da sind wir mal keine Minute zu früh hier angekommen«, bemerkte Simon,


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