Leipziger Mörderquartett. Tatjana Böhme-Mehner

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Leipziger Mörderquartett - Tatjana Böhme-Mehner


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du von dir immer im Pluralis Majestatis? Hast du hier eine Katze, die ich nicht gesehen habe? Oder meinst du damit ernsthaft mich?«

      »Wen sonst?«

      »Okay! Das nächste Mal würde ich gern gefragt werden. Du weißt doch gar nicht, ob ich Zeit habe.«

      »Und ob, der nächste große Konzertblock des Gewandhausorchesters ist übernächstes Wochenende. Ihr fangt keinesfalls vor Montag in einer Woche mit den Proben an; und üben kannst du auch neben unseren Recherchen.« Anna war von einer fast kindlichen Begeisterung und Verwegenheit gepackt, die Habakuk zwangsläufig mitreißen musste.

      Also sagte er: »Lass uns Nägel mit Köpfen machen.«

      12

      Was Anna auf jeden Fall heute – am Sonntag – noch tun konnte, war jener Anruf bei der Polizei, der sie offiziell mit ins Rennen um die Informationen brachte. Anschließend musste sie jenen kurzen Bericht schreiben, der morgen im »Anzeiger« verkünden würde, was ohnehin die ganze Stadt wusste, nämlich, dass am Samstagabend im In-and-Out ein Musiker von einem Scheinwerfer erschlagen worden war. Außerdem, dass sich der »Anzeiger« ins Zeug legte, um Licht in die Hintergründe des Geschehens zu bringen. – »Licht in die Hintergründe des Geschehens« … So konnte sie das in diesem Kontext nicht formulieren. Wortspiele waren bei so einer ernsten Angelegenheit bestimmt nicht jedermanns Sache. Vielleicht konnte sie mit Habakuks Hilfe rund um die technischen Ermittlungen schon etwas in Erfahrung bringen und in den Text einflechten.

      Habakuks große Stunde schlug morgen. Er hatte den Termin mit seinem Versicherungsvertreter nicht abgesagt. Er wollte so tun, als gäbe es das Instrument noch und als wollte er es über Wert versichern.

      »Lass uns das nachher kurz besprechen«, sagte Anna. »Ich muss mich beeilen, um den kurzen Bericht für die morgige Ausgabe noch rechtzeitig fertig zu bekommen. Nimm dir gern ein Sandwich oder was anderes aus dem Kühlschrank.« Sie deutete auf den Eingang zur Küche. »Obstschale steht auf der Arbeitsplatte. Kaffeemaschine musst du bloß anschalten. Ich mache mir einen Tee, wenn ich den Anruf erledigt habe.«

      Habakuk stand ein wenig verwirrt in der Mitte des Raumes, tat aber dann wie geheißen. »Soll ich dir etwas mitbringen?«

      »Einen Pfirsich vielleicht.« Anna erinnerte sich, dass sie gestern Morgen in einem Anflug von Größenwahn völlig überteuerte Flachpfirsiche – wenigstens hatten sie ein Bio-Siegel – gekauft hatte, um die frühsommerliche Stimmung zu verstärken. Das war jetzt eine willkommene Erfrischung.

      Bevor sie gleich bei der Polizei anrief, sollte sie sich kurz ins Redaktionssystem einloggen, um zu checken, was über die Nachrichtenagenturen und die Mail­adresse der Redaktion hereingekommen war. Gut, dass das inzwischen von zu Hause aus ging. Vielleicht verfolgten andere bereits die gleiche Spur oder es gab neue Erkenntnisse oder ein Hintergrundfeature. Was im Wettlauf um Informationen nicht immer von Vorteil war.

      Anna gab gerade ihr Passwort ein, als es laut krachte. Sie schreckte zusammen, musste sich im nächsten Moment aber ein Lachen verkneifen. Habakuk war es zwar in ihrer Küche gelungen, ein Tablett ausfindig zu machen und Obstschale und Kekse darauf zu stellen. Aber mit dem Tablett vor der Nase hatte er nicht ganz denselben Weg aus der Küche herausgenommen wie hinein und war über den Wäschekorb gestolpert. Dieser stand immer noch an der kleinen Wand zwischen der Treppe zur Terrasse und der Küchentür an strategisch ungünstiger Stelle. Glücklicherweise hatte Habakuk den Korb nur mit einem Bein erwischt, mit dem anderen hatte er sich auf dem Knie abgefangen und hielt heldenmutig das Tablett nach oben. In dieser mit Sicherheit äußerst unbequemen Stellung kauerte er auf dem Boden, und Anna eilte ihm zu Hilfe. Sie nahm ihm das Tablett ab, stellte es beiseite und entschuldigte sich für die Stolperfalle.

      »Ich wollte die Wäsche schon längst bügeln, aber du weißt ja selbst …« Sie verbot sich ein weiteres Grinsen oder gar lästerliche Hintergedanken, denn das Ganze wäre schließlich nicht passiert, wenn sie ordentlicher gewesen wäre.

      Inzwischen hatte sich Habakuk aufgerappelt. Anna schnitt am Couchtisch einen Pfirsich auf und holte anschließend den Laptop von ihrem Schreibtisch. Das Redaktionssystem, das von außerhalb noch langsamer war als in der Redaktion, war inzwischen komplett hochgefahren. Im Polizeibericht stand nichts Neues; es wurde auf »laufende Ermittlungen zur Unglücksursache« hingewiesen. Nun die Nachrichtenagenturen. Der »Anzeiger« leistete sich den Luxus eines Abonnements von vier Agenturen, der vermeintlichen Ausgewogenheit und Vielfalt der Berichterstattung wegen. Dabei waren die Differenzen zwischen den vier Ansätzen so gering, dass sie sich in der Veröffentlichung kaum noch niederschlugen.

      Keine Überraschung, auch dieses Nachrichtenangebot brachte keine zusätzliche Erkenntnis. Zwei Agenturen reproduzierten weitgehend die Meldung aus dem Polizeibericht, wonach gestern im In-and-Out der Musiker Thorsten Steinmüller, Mitglied des Kleistenes-Quartetts, während eines Konzertes durch einen herabstürzenden Scheinwerfer getötet worden war, versehen mit dem Hinweis, dass die Ermittlungen zur Unglücksursache andauerten. Einer Agentur war die Sache ganz durchgerutscht und die vierte hatte – absurderweise – das Opfer anonymisiert. Anna und Habakuk hatten also noch nichts verpasst.

      »Habakuk, während ich versuche, mit der Polizei in Kontakt zu kommen, könntest du deine Kontakte ins In-and-Out spielen lassen, um zu erfahren, wie dort der Stand der Dinge ist.«

      »Das hatte ich ohnehin vor. Aber wäre es nicht klüger, das vor deinem Anruf bei der Polizei zu machen, sodass du dir gegebenenfalls bestätigen lassen kannst, was ich rauskriege?«

      Anna musste zugeben, dass das eine äußerst sinnvolle Strategie war; also musste ihr Anruf noch ein paar Minuten warten.

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