Schweizer Wasser. Bernhard Schmutz

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Schweizer Wasser - Bernhard Schmutz


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      Bernhard Schmutz

      Schweizer Wasser

      Kriminalroman

      Impressum

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      sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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      Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

      Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

      unter Verwendung eines Fotos von: © MauMyHaTa / photocase.de

      ISBN 978-3-8392-6944-2

      März (1)

      Die Lautsprecher dröhnen überfordert von einem Stern – der einen Namen trägt. Verantwortlich dafür ist nicht der intellektuelle Tiefgang des Songtextes, sondern die Lautstärke und zu viel Bass. Das scheppernde Röcheln der Boxen scheint die schunkelnde Meute nicht zu stören. Die Menschen schreien sich an und hören doch nicht, was das Gegenüber sagt. Bei diesem Szenario kaum ein Nachteil. Denkt man sich den Ton weg, sieht es aus, wie wenn eine politische Fernsehdebatte für Hörbehinderte übersetzt würde. Ein penetranter Geruchscocktail aus Schweiß, Deo, Bier, Jägertee und anderen süßlich riechenden Alkoholika rundet das Ganze ab.

      Mit schweren Schritten kämpft sich Wim Richtung »für kleine Jungs«. Hätte er den Helm noch auf, würde er glatt als Astronaut durchgehen. Nur mit der Schwerelosigkeit hapert es. Mit beiden Händen klammert er sich am Handlauf fest und steigt sachte Tritt für Tritt die steile Treppe ins Untergeschoss. Einem Entfesselungskünstler gleich, Houdini hätte Augen gemacht, entledigt er sich seiner Rüstung. Nachdem er so sorgfältig wie möglich die Klobrille mit WC-Papier bedeckt hat, lässt er sich mit einem hörbaren Seufzer fallen. »Du musst wirklich unzurechnungsfähig gewesen sein, als du Ja zu dieser Tortur gesagt hast!«, flucht er über sich selbst.

      Am Vorabend hatte er zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wieder an einem Klassentreffen teilgenommen. Gleichzeitig sollten sich alle Ehemaligen am Tag danach als Volontärin oder Volontär zur Verfügung stellen: Das letzte Rennen der alpinen Skimeisterschaften stand auf dem Programm. Überredet hatte ihn Luke Mischler einige Wochen zuvor bei einer zufälligen Begegnung im Hotel Kirche.

      »Ich fass es nicht. Du hier?«, war er in seinen Geschäftstermin mit dem Küchenchef geplatzt. Breites Lächeln, fester Händedruck, die linke Hand auf Wims Schulter, sprudelte es wie die Lütschine während der Schneeschmelze aus ihm heraus. »Für die schnellen Disziplinen mussten wir auf die Lauberhornstrecke bei den Wengener-Freunden ausweichen. Den Abschluss wollen wir aber unbedingt näher bei unserem Dorf haben. Keinen Aufwand werden wir scheuen und eine Superpiste präparieren. Verbunden wird das Ganze mit der Velogemel Weltmeisterschaft. Ein Riesengaudi!«, schloss er nach fünf Minuten mit einem Klaps auf Wims Schultern. Gespräche mit Luke waren seit jeher Monologe. Wim war der Zuhörer. Schon zur Schulzeit. Um sein Kundengespräch fortsetzen zu können, hatte er eingewilligt, ohne die Konsequenzen abzuschätzen.

      Die Ellbogen auf die Oberschenkel und den Kopf in beide Hände gestützt, darauf gefasst, jeden Moment den Kopf in die WC-Schüssel stecken zu müssen, sitzt er da. Sobald er die Augen schließt, dreht sich alles um ihn herum noch schneller. Wie konnte er nur? Außerdem ist er mindestens seit zehn Jahren nicht mehr Ski gefahren.

      »Als Torwart reicht das allemal«, hatte Luke ihm versichert.

      »Ich war schon früher kein guter Goalie, auch wenn ich immer das Tor hüten musste.«

      Luke hatte seine ironische Bemerkung überhört. Oder er verstand sie nicht. Oder beides. Auch das hat sich nicht geändert. Immerhin stellte ihm Luke als Besitzer des lokalen Sportgeschäfts gratis die Skiausrüstung zur Verfügung. Der letzte Schrei, was den Skianzug betraf, und selbstverständlich das neueste Material an den Füßen. Völlig übertrieben und unpassend für Wims Fähigkeiten. Er hatte sich in Grund und Boden geschämt.

      Ein energisches Rütteln an der Tür reißt ihn aus seinen Gedanken. Oder war er weggedöst?

      »Was machst du Lüstling denn hier?« Knallrote Botoxlippen und ein giftiges, schwarz umrandetes Augenpaar empfangen ihn beim Verlassen seines intimen Rückzugsortes.

      »Tut mir wirklich leid! Ich habe nicht …« Peng! Die zugeknallte Tür zwei Zentimeter vor seiner Nase beendet den Erklärungsversuch. Nicht zum ersten Mal hatte er das Geschlechtersymbol verwechselt. Der Kreis mit dem nach unten angehängten Pluszeichen steht also nicht für »männlich«? Mit der letzten Energiereserve schafft er es in den Korridor, wo sein Magen ein weiteres Mal rebelliert, bevor er kapituliert und das Waschbecken mit seiner halb verdauten Nahrung der vergangenen 24 Stunden vollkotzt. Nach dem letzten Würgen muss Wim erst einmal den Stöpsel entfernen, damit der säuerlich riechende Mageninhalt abfließen kann. Dann spült er seinen Mund, trinkt ein paar Schlucke, schaufelt sich mit beiden Händen Wasser ins Gesicht und wagt einen Blick in den Spiegel.

      Wer bist du? Das einzig Farbige an dir sind die geröteten Augen. Und die Sonne trägt kaum die alleinige Schuld dafür. Na ja. Gestern ist es spät geworden. Luke war beim Schlummertrunk im Preso, dem In-Lokal schlechthin, großzügig gewesen und hatte ihm sogar die Übernachtung im Hotel bezahlt. Da brauchte es nach der Torwartarbeit nur wenig, um den Kater vom Vorabend in der schneefreien Schneebar aufzuwärmen. Wim kann sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal so abgestürzt ist.

      Leicht fröstelnd und voll konzentriert nimmt er den Aufstieg in Angriff. Nur noch nach Hause! Den Blick starr auf seine bepanzerten Füße gerichtet, schleicht er sich unbeachtet davon. Nichts und niemand hält ihn mehr zurück. Auch Helene nicht, die ihm atemlos hinterherträllert.

      Der Zielraum ist nach wie vor gut gefüllt, als Luke, der OK-Präsident des Skirennens, zum Mikrofon greift. »Liebe Bewohnerinnen und Bewohner von Grindelwald. Herzlichen Dank für euren grandiosen Einsatz! Nur dank euch ist es gelungen, einen so großartigen Anlass ohne nennenswerte Zwischenfälle durchzuführen. Von allen Seiten habe ich nur positive Feedbacks erhalten. Das ist in erster Linie euer Verdienst! Ich bin stolz auf euch und das ganze Dorf.«

      Luke Mischler – getauft auf Lukas Samuel, Namen, die er nur in offiziellen Dokumenten verwendet – war früher ein ganz passabler Skirennfahrer gewesen. Er gehörte zu den Nachwuchshoffnungen. Für ein Jahr sogar zum erweiterten A-Kader der Nationalmannschaft. In einer Weltcup-Abfahrt wurde er überraschend Zweiter. Dass es ein Neuschneerennen war, musste man ja nicht an die große Glocke hängen. Mit 24 beendete er seine Skikarriere viel zu früh. Angeblich wegen Knieproblemen und weil sein Vater unerwartet verstarb – als einziger Nachkomme war es an ihm, das Sportgeschäft der Familie Mischler weiterzuführen. Hinter vorgehaltener Hand wurde darüber spekuliert, ob es Luke mit seinem Lebensstil wirklich geschafft hätte,


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