Schweigen über Köln. Maren Friedlaender

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Schweigen über Köln - Maren Friedlaender


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inoffiziellen Helfer die Bevölkerung bespitzelten, hatten die Funktionäre keine Ahnung, was die Menschen wirklich dachten. Darin glichen sich Monarchien und kommunistische Diktaturen wie ein Ei dem anderen. Sie verloren die Verbindung zu ihrem Volk. Selbst in den Demokratien: Wusste denn Frau Merkel, was in den Köpfen ihrer Mitbürger vorging?

      Die Stasi hatte den Untergang der DDR vielleicht aus Millionen abgehörten Telefonaten herausgehört, aber das starre Regime war zu Reformen nicht fähig gewesen. Der wirtschaftliche Zusammenbruch zeichnete sich ab. Die Funktionäre sahen es. Eine Volkswirtschaft, die in 40 Jahren als technologisches Highlight einen Trabi präsentierte, auf den man zehn Jahre warten musste, war nicht zukunftsfähig. Das wussten die Strippenzieher des VEB-Deutschlands, die im Westen gern BMW und Audi fuhren.

      Wahrscheinlich war Kraske kein großer Fisch gewesen, aber er hatte Zugang zu geheimem Material gehabt und selbst Berichte geliefert. Er erzählte dem Wessi-Kollegen von seinem Einsatz in Dänemark.

      »Was haben euch denn die Dänen interessiert?«, wollte Müller wissen.

      »Die Nordschleswiger«, erklärte Kraske. »Ich gab der Zentrale eine Lageeinschätzung zur politisch-operativen Entwicklung in der deutschen Minderheit in Dänemark. Durch die Nordschleswiger konnten wir das Bundesland Schleswig-Holstein beackern. Die deutsche Minderheit in Dänemark hat immer exklusive Kontakte nach Schleswig-Holstein gehabt. Wir nutzten auch die Spannungen zwischen Deutschen und Dänen. Ziemlich viele Leute waren vorbelastet durch den Krieg, also durch eine Nazi-Vergangenheit. Dadurch waren sie für die Stasi erpressbar.«

      Kraske zündete sich eine Zigarre an und kippte einen weiteren Gammel Dansk, bevor er fortfuhr.

      »Für uns war Nordschleswig in einem weiteren Punkt interessant. Hier wird Deutsch gesprochen, das gab uns die Möglichkeit, Bürgern der DDR oder sonstigen Deutschsprachigen eine neue Identität als dänische Staatsbürger zu geben. Sie fielen nicht auf.«

      Das war das Stichwort. Es war das, was Müller vermutet hatte. Sie kamen zum Geschäft. Kraske überreichte dem Kollegen eine Mappe. Müller blätterte sie durch.

      »Nur ein Name?«, fragte er. »Grundmann. Nie gehört.«

      »Ein Name! Ein Honorar«, bestätigte Kraske. »Mach deinen Job, dann komm wieder. Es gibt mehr Namen – für mehr Geld.«

      Müller zahlte den vereinbarten Betrag.

      »Mach ihm etwas Feuer unter dem Hintern. Mach es ihm ungemütlich in seinem dänischen Refugium«, bat der Ex-BKA-Mann. »Ich will Grundmann raus aus Dänemark haben.«

      Müller grinste: »Du kannst ein fettes Honorar für die Rückführung ins Vaterland von ihm kassieren. Die Kerle wussten immer schon, wie man sich Moneten beschafft.«

      »Wird erledigt«, versprach Kraske. »Ich habe sowieso nie Sympathie für die Jungs von der Terroristentruppe gehabt, auch nicht für die Mädels. Alles Querköpfe.«

      Kein Verhandlungsspielraum

      Das Telefonat mit Ronald Grundmann verlief wie gewünscht. Kraske hatte offensichtlich gute Vorarbeit geleistet. Grundmann ging auf alles ein. Treffen in Köln, Angebot eines neuen Wohnsitzes, Eupen, Deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien, gleich hinter der Grenze bei Aachen. Es wurde über das Honorar verhandelt, was heißt verhandelt? Müller stellte eine Forderung: 50.000. Grundmann schluckte, vor allem schluckte er, dass es hier nur ums Geld ging. Ein Geschäft, nichts weiter. Er versuchte den Preis zu drücken. Müller blieb hart.

      »Großer Aufwand, großes Risiko, kein Verhandlungsspielraum«, hatte er gesagt. Müller ließ durchsickern, dass er ein ehemaliger Stasi-Agent war. Das klang plausibel und überzeugte Grundmann. Hilfe von den Stasis gegen Geld.

      »Man müsse von etwas leben«, hatte Müller unverhohlen mitgeteilt.

      »Klar. Ich mach’s«, antwortete Grundmann kurz angebunden.

      Müller ging davon aus, dass der Exterrorist knapp bei Kasse war. Wie er an frisches Geld käme, konnte er sich denken. Wahrscheinlich besorgte er es sich auf die alte Tour – Banküberfall. Umso besser, dann hatte Müller ihn in der Hand. Vielleicht überzeugte er den Mann auszupacken, überlegte Müller. Er sah eine Chance.

      Die Filiale

      Der Biturbo heulte auf. Gummi verbrannte auf dem Asphalt der Hauptstraße. Wie eine Rakete schoss der Audi A6 auf die Sparkassenfiliale in Langerwehe zu. Mit einer Vollbremsung kam er zum Stehen. Der Motor schnurrte im Leerlauf. Eine maskierte Person sprang heraus. Der Typ trug eine Heckler & Koch MP 5, schwarze Jacke, Turnschuhe, Jeans. Der erste Feuerstoß verwandelte die Deckenverkleidung in ein Millionenpuzzle. Der zweite Feuerstoß erwischte die Thermoskanne des Filialleiters, der Beruhigungstee beruhigte nun Kontoauszüge, die Titelseite der Lokalzeitung und die Tastatur eines Computers. Frau Wamich, 45 Jahre im Dienst der Girokonten, zuckte zusammen, fiel in Ohnmacht. Auszubildender Willi Kuckertz behielt die Nerven, erreichte aber nicht den Alarmknopf.

      »Alles einpacken. Zacki, zacki!« Der Maskierte fackelte nicht lange. Bankangestellte Marlene Rosarius griff alle Scheine aus der Kasse und steckte sie in die Plastiktüte. »Zeitschloss. Mehr kommt nur durch das Zeitschloss. Das geht nicht so schnell«, stotterte sie.

      Filialleiter Egbert Laufenberg kam mit erhobenen Händen und einer Hose, über die sich der Morgenkaffee ergossen hatte, mutig auf den Maskierten zu.

      »Was wollen Sie?«

      »Saublöde Frage. Knete. Alles. Sonst gibt es hier Tote«, grunzte eine verstellte Stimme hinter der Maske.

      »Folgen Sie mir.«

      Egbert Laufenberg hatte mehrere Seminare zum Thema Überfall durchlaufen. Oberstes Gebot: Ruhe bewahren. Die Realität sah anders aus. »Ruhe bewahren«, ratterte es in seinem Kopf. »Personenschutz hat Vorrang. Geld herausgeben. Deeskalieren.« Für Laufenberg war es das erste Mal. Er machte seine Sache ganz gut, ging zum Tresor in Raum 003, öffnete ihn und verwies auf die Geldscheine in den abgepackten Klarsichtpaketen.

      »Geht doch«, grunzte es wieder.

      Alle Scheine verschwanden in Aldi-Plastiktüten. Frau Wamich wurde von Willi Kuckertz liebevoll versorgt. Die drei Frühkunden standen mit erhobenen Händen im Schalterraum und wagten keinen Mucks, keine Bewegung.

      Der Spuk war nach zehn Minuten vorbei. Zehn lange Minuten. War ihm nie so bewusst gewesen, die Sache mit den langen Minuten. »Haben alle 60 Sekunden«, hatte Laufenberg immer geblödelt, wenn ihm Leute mit den langen Minuten kamen. Dieses waren die längsten seines bisherigen Lebens gewesen.

      Der Biturbo heulte erneut auf. Die Reifen hinterließen schwarze Spuren. Der Audi jagte auf der Hauptstraße in Richtung A 4. Im selben Moment ging der Alarm bei der Polizei in Düren ein. Mehrere BMW verließen das Präsidium und rasten Richtung Langerwehe. Sie kamen zu spät. Der Audi A6 war bereits am Autobahnkreuz Aachen.

      Ende der Sendung

      Die Autos der Mitarbeiter des Belgischen Rundfunks in Eupen standen oft viele Stunden unbenutzt auf dem Parkplatz. Manche Redakteure begannen um neun Uhr morgens mit der Arbeit und stiegen erst gegen 22 Uhr in ihren PKW, um am Kehrwegstadion vorbei, Spielort des Erstligisten »Allgemeine Sportvereinigung Eupen«, hinab in die Unterstadt zu fahren. Andere brachen in Richtung Hohes Venn auf, dem Quellort der Rur, eigenwillige Landschaft mit herbem Charme.

      Er hatte alles recherchiert. Mittwochs stand der Renault Megane ab neun Uhr auf einem abgelegenen Parkplatz des Rundfunkgebäudes. Mit zwei Griffen klackte die Türsicherung auf. Modernste Elektronik ließ den Anlasser sofort anspringen. In drei Minuten verschwand der Neuwagen aus dem Hause Weymans und tauchte erst eine Woche später wieder in Köln auf.

      Als Robert Cremer, zuständig für Lokalberichterstattung im Hörfunk des BRF, um 21.45 Uhr in bester Laune den Belgischen Rundfunk verließ, dauerte es ungefähr fünf Minuten, bis die Laune in Ärger umschlug. Zuerst glaubte er an ein Missverständnis, dann an einen Scherz der Kollegen. Um 21.50 Uhr stürmte er wütend zurück an die Rezeption.

      »Das


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