Schweigen über Köln. Maren Friedlaender

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Schweigen über Köln - Maren Friedlaender


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lange. So aufgebracht war er nie gewesen.

      »Die haben mir meinen neuen Renault geklaut!«

      »Nicht möglich.«

      »Wenn ich es doch sage.«

      »Bist du sicher?«

      »Steht hier oben ›blöd‹ auf der Stirn, oder was?«

      »Ich mein ja nur. Hast du ihn nicht in der Werkstatt?«

      »Bin ich mit dem Mopedhelm reingekommen? Siehst du irgendwo da draußen eine Kutsche?«

      »Okay, ich ruf die Polizei an.«

      Robert Cremer nickte, frustriert darüber, dass er seinen Feierabend mit Protokollaufnahmen verbringen würde.

      »Belgischer Rundfunk, Schüren. Dem Robert sein Auto ist gestohlen worden. Was? Ja heute. Wann? Keine Ahnung. Robert, wann ist dir der Wagen gestohlen worden?«

      »Gib mal her. Ja, Cremer, Robert. Dunkelroter Renault Megane. Kennzeichen kommt gleich. Heute Morgen geparkt. So gegen neun Uhr. Jetzt will ich nach Hause. Da ist der Wagen weg. Kameras? Haben wir Kameras, Isabell? Ja, wir haben Kameras. Aber nicht da, wo mein neuer Renault parkte. Super. Ja. Find ich auch. Einfach super.«

      Um 22 Uhr kamen die Beamten Jeanne Emontspool und Peter Gentgarten. Sie schauten lange auf den leeren Parkplatz. Schüttelten bedächtig den Kopf. Danach gingen sie an den Empfangstresen des BRF und schrieben das Protokoll.

      Peter kannte den Robert aus gemeinsamen Zeiten in der Städtischen Grundschule Unterstadt. Im Grunde kannten sich alle in Eupen.

      »Ja, Robert. Was soll ich sagen. Weg ist weg. Da führt effektiv kein Weg dran vorbei. Der zehnte Fall in diesem Monat. Der ist bestimmt schon raus aus der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Futschneu? Ich tippe auf Moldawien. Zweitwagen für die Frau von einem Mogul oder wie die so heißen.«

      »Oligarch, Peter, Oligarch. Mehr Hoffnung kannst du mir nicht machen?«

      »Spricht die Statistik dagegen. Effektiv.«

      »Effektive Scheiße, Peter. Yasmin wartet seit einer halben Stunde mit einem Fondue auf mich. Und ich steh hier, schau auf einen leeren Parkplatz und kann mir was von moldawischen Oligarchentussen anhören. Scheiße ist das. Hätt’ ich bloß den alten Golf behalten. Aber nein. Madame wollte ja eine Familienkutsche.«

      »Robert, wir fahren dich. Ist doch klar. Die Versicherung wird ihn ersetzen. In zwei Wochen hast du einen neuen. Nimm eine andere Farbe. Rot bleicht aus.«

      »Danke, großer Trost. Der nächste dann in Weiß. Essen auf Rädern oder so. Abflug. Sonst mach ich eine Sondersendung über die Eupener Polizei.«

      Robert, Peter und Jeanne verließen den BRF, fuhren in Richtung Baraque Michel und fachsimpelten über die effektive Aufstellung von Überwachungskameras.

      Bis Moldawien kam der Renault nie. Als Robert ihn vermisste, parkte er bereits in einer Garage in Köln-Roden­kirchen. Eine wichtige Fahrt stand dem Wagen noch bevor.

      Schnelle Entscheidung

      Müller bekam keine Information aus Grundmann heraus. Sie saßen im Auto. Der Ex-BKA-Mann verhandelte, machte Druck: Den neuen Wohnsitz, die neue Identität gäbe es nur gegen Namen. Grundmann blieb stur. Es sei nur ein Geldbetrag vereinbart gewesen.

      »Stichwort Langerwehe.« Es war Müllers letzter Versuch. »Wie viel hast du erbeutet? – Könnte Schwierigkeiten geben«, drohte er nach kurzer Bedenkzeit für den Alt-Terroristen. Der schwieg. Ein harter Brocken.

      Müller stieg aus, gab dem Fahrer eines vor ihnen parkenden Autos ein Zeichen. Grundmann war überrascht, dass es einen zweiten Mann vor Ort gab, ein alter Kollege von Müller, Sven Hubens, lange Jahre Fahnder beim Verfassungsschutz in Düsseldorf. Mittlerweile arbeitete Hubens auf eigene Rechnung, für wen, hatte er Müller nicht verraten, aber Sven besaß offensichtlich gute Kontakte zum ehemaligen Team. Die alten Seilschaften funktionierten.

      »Bis dass der Tod uns scheidet«, hatte Sven lachend gesagt und half Müller mit einigen relevanten Informationen aus. »Eine Hand wäscht die andere. Wenn du mit dem Arschloch fertig bist, übernehme ich. Ich brauche auch etwas«, forderte er von Müller. Der stimmte zu. Schließlich hatte Hubens den Kaufbetrag für die Stasi-Akte besorgt. Mit einem Handshake wurde die Vereinbarung besiegelt. Nichts Schriftliches, ein Gefallen unter alten Kumpels.

      Müller übernahm Hubens Auto und fuhr in Richtung Militärring davon, während Hubens auf der Fahrerseite des Renaults mit belgischem Kennzeichen einstieg und sich Grundmann vornahm.

      Der Gebrauch der Waffe war nicht geplant gewesen. Hubens hatte diesen Ausgang des Gesprächs nicht ausgeschlossen, aber er hätte die andere Variante vorgezogen. Leider schwieg Ronald Grundmann: keine Reue, vielleicht ein paar Zweifel, aber keine Gewissensbisse. Keine relevanten Informationen. Keine Täternamen. Sie bunkerten immer noch. Grundmann bunkerte. Nicht einmal, als der Mann auf dem Fahrersitz eine nicht registrierte Walther PPK auf ihn richtete, rückte er mit einem Täternamen heraus. Wer hat Herrhausen getötet? Rohwedder? Grundmann blieb verstockt. Ob er geglaubt hatte, sein Gegenüber pokere nur?

      »Lily?«, fragte Hubens. »Wo ist sie?«

      Hubens entsicherte die Waffe. Er sah, wie dem Mann auf dem Beifahrersitz der Schweiß ausbrach.

      »Halle«, sagte Grundmann mit zitternder Stimme. Dann machte der Exterrorist den Fehler, in seine Tasche zu greifen. Hubens wusste, mit wem er es zu tun hatte. Grundmann war ein Desperado. Kein Risiko. Der Schuss aus kurzer Distanz ging glatt durch die Stirnwand. Dem Getroffenen blieb nicht einmal Zeit für ein Gefühl der Überraschung. In den gegenüberliegenden Häusern hörte niemand den Schuss. Hubens hatte einen Schalldämpfer benutzt. Die Patronenhülse hob er von der Fußmatte des Wagens auf und steckte sie in die Jackentasche.

      Ohne Hast öffnete der alte Profi die Tür des Wagens, stieg mit gemächlichen Bewegungen aus, ging um den Renault herum, öffnete die Beifahrertür und fasste in Grundmanns Jackentasche. Er fühlte hartes, glattes Metall. Vorsichtig zog er Grundmanns Hand aus der Tasche. Die Hand umklammerte eine Waffe.

      »Dachte ich es mir doch«, zischte Hubens. »Immer noch dieselben Wichser. Eine Makarow. Wahrscheinlich von den Freunden aus dem Osten.« Hubens hätte schwören können, dass das Ding nicht registriert war.

      Er legte die Hand mit der Pistole auf Grundmanns Schoß. Es machte den Eindruck, als halte der Terrorist die Makarow anschlagbereit. In der anderen Jackentasche fand er das Handy. Er nahm es an sich und verschwand im angrenzenden Stadtwald. Mit ruhigen Schritten passierte er den hohen, dunkelgrauen, obeliskartigen Gedenkstein, der in der Mitte des Parkzugangs platziert war. Wege durchkreuzten den Park, er ging vorbei an einem Spielplatz. Eine dunkle Nacht. Menschen traf er keine. Nicht einmal die Hundebesitzer trieben sich zu dieser Stunde im einsamen Park herum. Keine Junkies. Keine Liebespaare. Er ging zu Fuß vorbei am Kahnweiher, drehte sich um, kein Mensch zu sehen. Er zog die SIM-Karte aus dem Handy und warf es ins Wasser des Tümpels. Die Walther PPK, mit der er auf Grundmann geschossen hatte, flog hinterher. Sie sank auf den Grund des trüben Wassers und versackte im Schlamm. Hubens schlenderte weiter bis zur Dürener Straße. Alles ohne Hast. Ein Mann beim abendlichen Spaziergang. Ecke Stadtwaldgürtel bestieg er den schwarzen Golf, den er zurzeit benutzte, und fuhr in Richtung Süden.

      Hustenkonzert

      Theresa Rosenthal parkte ihren grünen Mini Cooper um Punkt 18.00 Uhr vor dem Haus ihrer Lieblingsverwandten in Köln-Marienburg. Sie hatte am Morgen einen Anruf von Tante Clarissa erhalten.

      »Kind«, hatte die Tante mit ihrer kräftigen Stimme in den Hörer gedröhnt. Sie sagte immer noch Kind zu Theresa, obwohl die mit ihren fast 50 Jahren schon länger aus dem Gröbsten heraus war. »Kind, begleitest du mich heute Abend ins Konzert? Londoner Philharmoniker unter Sir Eliot Gardiner. Ein Leckerbissen.«

      »Und den willst du mit mir teilen?«, fragte Theresa überrascht. »Ist Elsa krank?« Elsa war Tante Clarissas Abo-Freundin.

      »Ja, die postkarnevalistische Grippewelle hat sie erwischt.


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