Angelus Mortis. Theodor Hildebrand

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Angelus Mortis - Theodor Hildebrand


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hat vielleicht ein Unrecht gegen sie begangen, aber er darf daran nicht mehr denken. Schon seit mehreren Jahren ist er der Gatte einer Frau, die seine Liebe verdient. Wollen sie etwa seine häusliche Ruhe stören? Treibt die Rache sie so weit, dass sie das Herz seiner Gemahlin zerreißen könnten?«

      »Durfte er sich denn verheiraten, Werner? Gehörte dein Herr nur sich selbst, dass er sich so frei hinzugeben vermochte? Hat er nicht mit seinem eigenen Blut das Versprechen unterschrieben, nur mit mir vor den Altar zu treten? Weißt du das alles nicht mehr, du, der du so dreist von der Vergangenheit sprichst, die den Treulosen vernichten wird? War ich weniger schön als deine jetzige Gebieterin oder gar weniger tugendhaft? Was habe ich Unrechtes getan? Etwa, weil ich Liebe für Liebe gab und mich gänzlich einem Gefühl überließ, das ich für aufrichtig hielt? Habe ich mein Versprechen zurückgenommen, das auch ich mit meinem Blut unterschrieben habe? Liegt es nicht immer noch in Alfreds Händen, und kann er vor Gott der rechtmäßige Gatte einer anderen sein? Was habe ich Unrechtes getan? Er kann mir keine Vorwürfe machen, während ich ihn durch die Menge der meinen zu Boden schlagen könnte!«

      Während die schöne Fremde so sprach, schien sie der Erde gar nicht mehr anzugehören; ihre hohe und schlanke Gestalt, der unstet umherschweifende Blick, die in ihren Gesichtszügen deutlich sichtbaren Anzeichen des Unwillens, die ihrem Mund einen furchtbaren Ausdruck gaben, all dies ließ sie wie ein überirdisches Wesen erscheinen. Werner war nicht imstande, dem Blick ihres forschenden Auges standzuhalten, das seine Gedanken bis in die innersten Falten seines Herzens zu verfolgen schien. Insgeheim musste er zugeben, dass sein Herr ihr Unrecht getan hatte; aber es war auf keine Weise wiedergutzumachen und Lodoiska musste, trotz der Rechtmäßigkeit ihrer Ansprüche, auf die Einlösung des Versprechens verzichten. Dies versuchte er, ihr in seiner Antwort begreiflich zu machen.

      Die Fremde hörte ihm mit einem verächtlichen Lächeln zu, ohne ein Anzeichen von Erstaunen oder Unzufriedenheit zu zeigen. Schon gab er sich der Hoffnung hin, sie überzeugt zu haben, und wollte gerade ansetzen, seinen Sieg zu vollenden, als sie plötzlich ihre rechte Hand auf seine Schulter legte. Diese mit einer Art von Nachlässigkeit ausgeführte Bewegung brachte in ihm eine geradezu außerordentliche Wirkung hervor. Dort, wo Lodoiskas Hand seine Schulter berührt hatte, verspürte er plötzlich ein ganz seltsames Gefühl, und es schien ihm, als wenn er auf einem glühenden Ofen säße und gleichzeitig mitten in ein Meer von Eis geschleudert würde; dieses Gefühl verlor sich aber sogleich wieder, nachdem die Hand, die es ausgelöst hatte, zurückgezogen wurde.

      »Habe ich ihn von seinem Versprechen entbunden?«, fragte Lodoiska ruhig, ohne auf die Gründe einzugehen, die ihr Werner soeben dargelegt hatte. »Besitzt er unseren schriftlichen Vertrag noch?«

      »Es ist ganz gleich, ob er ihn noch hat oder nicht, es kommt ja doch nicht mehr darauf an; mag er in seinen Händen sein oder in den ihren, wozu könnte er noch dienen? Die Gerichte werden ohnehin keine Rücksicht darauf nehmen.«

      »Es ist gut möglich, leichtsinniger Soldat, dass die menschlichen Gesetze gegen diese Art von Meineid nichts vermögen; aber in der jenseitigen Welt gibt es einen unbestechlichen Richter. Und dieser war Zeuge des Versprechens; an ihn habe ich mich gewandt, um Gerechtigkeit zu erlangen, und ich bin mir sicher, diese auch zu erhalten.«

      »Nun ja, Lodoiska«, erwiderte Werner lächelnd, »da werden sie wohl noch lange warten müssen, bis das Urteil, von dem sie sprechen, vollzogen wird. Glauben sie mir, es wäre am besten für sie, wenn sie in ihr Vaterland zurückkehrten und dort ruhig bei ihrer Familie lebten. Seien sie überzeugt, dass der Oberst nicht zögern wird, ihnen durch ein anständiges Jahresgehalt eine ruhige und sorglose Zukunft zu ermöglichen.«

      »Das steht nicht mehr in seiner Macht«, antwortete die Fremde in einem noch feierlicheren Ton als bisher. »Ich habe keine Familie mehr, die ganze Erde ist nun mein Vaterland, und der Mittel, die du mir in Alfreds Namen versprichst, bedarf ich nicht. Das Geld ist in meinen Augen verächtlich und ich besitze es im Überfluss. Wenn du mir versicherst, deinem Herrn nicht zu melden, dass ich hier bin, verspreche ich dir mehr Reichtümer, als du dir wünschen kannst. Hier«, fuhr sie fort, eine sehr große gefüllte Geldbörse hervorziehend, »nimm dies als Anzahlung darauf, was du noch in Zukunft von mir erhalten sollst.«

      Die seltsamen Worte Lodoiskas machten das Erstaunen des alten Soldaten vollkommen. Er wusste, dass sie, die Tochter eines moldauischen Bauern, nicht reich war, und jetzt gab sie ihm den Beweis des Gegenteils. Dies trug keineswegs dazu bei, sein Misstrauen ihr gegenüber zu verringern, und so war es wenig verwunderlich, dass es der Fremden nicht gelang, ihn mit ihrem Angebot zu verführen.

      »Auch ich, Lodoiska«, sagte Werner, »bin über meine Bedürfnisse erhaben. Dennoch danke ich ihnen für ihr großmütiges Angebot; doch es könnte mich nicht reizen, selbst wenn ich die Absicht hätte, dem Oberst zu schreiben, dass sie hier sind.«

      »Lügner!«, antwortete Lodoiska lebhaft. »Du hast sie, diese Absicht, und du hast schon versucht, sie auszuführen.«

      Diese zuversichtliche Behauptung, die für ihn einer Beleidigung gleichkam und für die eine männliche Person mit ihrem Blut hätte bezahlen müssen, ließ den erstaunten Werner fast erstarren. Er wusste nicht, ob er seinem Zorn freien Lauf lassen sollte oder ob es nicht besser wäre, ihn zu unterdrücken; doch die Heftigkeit seines Charakters riss ihn mit fort und er rief voller Unwillen:

      »Danken sie es ihrer weiblichen Kleidung, die sie vor meiner augenblicklichen Rache schützt! Aber welchen Titel verdienen sie wohl, unvorsichtiges Weib, die sie sich erdreisten, heimlich in fremde Häuser einzudringen und die Handlungen ihrer Bewohner auszuspionieren? Sie stehen früh genug auf, wie es scheint; aber seien sie sicher, dass sie so bald nicht wieder ohne mein Wissen ins Schloss eindringen werden.«

      Ein Lächeln, das Werner nicht zu deuten vermochte, war Lodoiskas ganze Antwort darauf. Dann aber nahm sie plötzlich eine würdevolle Miene an und sagte:

      »Bedenke, Werner, dass du tätigen Anteil an meinem Unglück gehabt hast; ich warne dich jetzt, nicht blind in den Abgrund des Verderbens zu rennen. Glaube mir, es wird am besten für dich sein, unparteiisch bei dem Kampf zu bleiben, der sich bald erheben kann; dies ist der einzige Weg für dich, dem nahenden Ungewitter zu entgehen.«

      Bei diesen Worten sprühten ihre Augen wie Feuer. Und ohne noch den Stimmen der beiden Kinder Beachtung zu schenken, die, ihrer Spiele müde, sich näherten, um mit ihr zu plaudern, machte sie gegen Werner eine fürchterlich drohende Gebärde und ging mit schnellen Schritten auf einen schmalen Fußweg zu, der sie schon bald den Blicken entzog. Werner stand wie unbeweglich da und war in tiefes Nachdenken über das Unglück versunken, das er schon mit Gewissheit heraufziehen sah, als er plötzlich durch Wilhelm aus seiner Träumerei geweckt wurde.

      »Werner, hörst du den Donner nicht, der dort aus der schwarzen Wolke herüberrollt? Sieh doch, welch schöne Blitze! Es wird gewiss ein Gewitter geben.«

      »Ein Gewitter?«, rief Werner erstaunt. Sollte ihre Prophezeiung schon so schnell in Erfüllung gehen? — Er erblickte nun ebenfalls die heranziehenden schwarzen Wolken, aus denen sich immer häufiger Blitze entluden, und da die Vorsicht nicht erlaubte, den Spaziergang noch weiter fortzusetzen, nahm er seine beiden jungen Freunde an die Hand und kehrte auf dem kürzesten Weg mit ihnen zum Schloss zurück.

      Helene, die bereits von ihrem Fenster aus gesehen hatte, dass ein Gewitter heraufzog, war schon in großer Sorge darüber, dass ihre Kinder noch nicht zurück waren. Voller Ungeduld verließ sie daher das Schloss, um ihnen entgegenzugehen; doch sie war noch gar nicht weit gekommen, als sie auch schon das laute Lachen der kleinen, übermütigen Julie hörte, und bald darauf sah sie die teuren Wesen auf sich zulaufen. Die Kinder sprachen von nichts anderem als von der schönen Dame und von den Geschenken, die sie ihnen gemacht hatte. Helene war viel zu sehr Mutter, um nicht gleich ein günstiges Urteil über die Person zu fällen, die ihren teuren Kindern eine solche Freude machte. Mit Spannung erkundigte sie sich, was die Fremde gesagt hatte.

      »Oh, diesmal«, antwortete das kleine Mädchen, »hat sie nicht lange mit uns geplaudert. Sie sprach die ganze Zeit nur mit Werner, den sie am Ende voller Wut verließ.«

      Diese wenigen Worte des Kindes


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