Didaktik /Methodik Sozialer Arbeit. Johannes Schilling
Читать онлайн книгу.ein Bezug, der auch für das Lernen, die Interaktion und die Konstruktion gilt.
6.Daher sind die sieben Grundformen sowohl auf die Kulturinhalte und ihre Bewertung als Kultur- und Bildungsgüter als auch auf Erfahrung und Entwicklung der Lerner bezogen; denn nur die Lernenden sind die produktiven Stellen im System organisierter Bildungsprozesse. Nur mit und in ihnen kann Kultur lebendig werden bzw. Enkulturation stattfinden.“ (Kron et al. 2014, 75)
2.2.2 Didaktische Überlegungen
Das bildungstheoretische Modell von Wolfgang Klafki ist das älteste unter den verbreiteten Didaktiken. Zum ersten Mal in der Moderne wird eine Definition der Didaktik von Klafki im Jahr 1961 vorgetragen, die er zehn Jahre später so formuliert:
Definition
1.„Didaktik als Wissenschaft und Lehre vom Lehren und Lernen überhaupt.
2.Didaktik als Wissenschaft vom Unterricht […] bzw. Allgemeine Unterrichtslehre.
3.Didaktik als Theorie der Bildungsinhalte, ihrer Struktur und Auswahl […] bzw. der Lehr- und Lernziele und der ihnen zuzuordnenden Lehr- und Lerninhalte und Aufgaben.
4.Didaktik als Theorie der Steuerung von Lernprozessen.“ (Klafki. In: Pädagogisches Lexikon 1971, Sp. 225)
Nach Klafki ist Didaktik eine Handlungswissenschaft.
zwölf Bestimmungen
Für das konkrete Handeln entwickelte Klafki zwölf Bestimmungen zur Struktur des didaktischen Problemfeldes:
1.Primat der Zielentscheidungen
2.Bestimmung des Verhältnisses der Zieldimension zu den Themen
3.Bestimmung der Themen und der Thematik in Bezug auf die Interessen und Lernbedürfnisse der SchülerInnen
4.Herausarbeiten und Akzeptanz der in den vorgenannten thematischen Doppelperspektiven liegenden Unterschiedlichkeiten der Interpretation bei Lehrenden und Lernenden
5.Differenzierung der Themen hinsichtlich der unterschiedlichen Interessen
6.Bedenken der Interaktionszusammenhänge
7.Dabei werden die in den Beziehungen vermittelten Norm- und Wertorientierungen, wie sie in Sozialisationsprozessen stets implizit sind, ausdrücklich gemacht.
8.Bestimmung der Formen des Lernens
9.Bestimmung der Rollen, die die Lernenden bei der Mitbestimmung, Mitplanung, Durchführung und Ausführung der Lehr- und Lernprozesses einnehmen sollen
10.Bestimmung der Vielfalt der Medien
11.Offenlegung des Funktionszusammenhanges zwischen Unterrichtsmethoden und Inhalten, Medien und Zielen, wobei die Beziehungsdimension im Vordergrund des Nachdenkens steht
12.Bedenken der durch die Vermittlungsprozesse herbeigeführten Leistungen einschließlich ihrer Kritik (Klafki 1985; Kron et al. 2014).
Diese zwölf Bestimmungen bilden die Grundlage für ein Planungskonzept, das er „vorläufiges“ Perspektivschema nennt (Abbildung 2).
Abb. 2: Struktur- und Verlaufsmodell nach Klafki 2007
2.2.3 Zusammenfassung: Anregung für eine Didaktik Sozialer Arbeit
Nach diesem kurzen Überblick über den theoretischen und didaktischen Ansatz von Klafki stellt sich die Frage: Finden sich darunter Aspekte, die auch für eine Didaktik Sozialer Arbeit relevant sein könnten. Wie ist Ihre Meinung?
kritisch-konstruktive Didaktik
Drei Aspekte der bildungstheoretischen bzw. kritisch-konstruktiven Didaktik haben für eine Didaktik Sozialer Arbeit besondere Relevanz:
1.der Bildungsbegriff,
2.das Perspektivschema zur Planung mit den vier Schritten:
–Bedingungsanalyse,
–Begründungszusammenhang des Themas,
–Methoden, Medien und
–Überprüfbarkeit.
3.die konstruktiv–kritische Didaktik: Im Unterricht geht es um Selbstbestimmung und Solidarität als übergreifende Zielvorstellung. In den Zielsetzungen werden auch die Dimensionen der rationalen Diskursfähigkeit, der Emotionalität und der Handlungsfähigkeit berücksichtigt.
Eine Didaktik Sozialer Arbeit wird diese und andere Überlegungen von Klafki als Anregung verstehen, sie aufnehmen und entsprechend dem Selbstverständnis Sozialer Arbeit modifizieren.
2.3 Lerntheoretische Didaktik von Paul Heimann (1901–1967) und Wolfgang Schulz (1946–1993)
2.3.1 Vom Berliner zum Hamburger Modell
Auch hier habe ich die Frage an Sie: Haben Sie in Ihrem Studium etwas über die lerntheoretische Didaktik von Paul Heimann bzw. Wolfgang Schulz erfahren?
Paul Heimann
Die lerntheoretische Didaktik entstand aus der Situation, als Paul Heimann (Pädagogische Hochschule Berlin) den Auftrag erhielt, das alte Praktikum der Lehrer durch ein neues Didakticum abzulösen und dafür ein Modell zu entwickeln. Heimann entwarf ein Modell für die systematisch-kritische Beobachtung von Unterricht. Dieses Modell der Unterrichtsanalyse änderte Wolfgang Schulz später zur Unterrichtsplanung.
Berliner Modell
Lernen
Das von Heimann, Otto und Schulz entwickelte Modell ist als Berliner Modell bekannt und versteht sich als Gegenposition zur bildungstheoretischen Didaktik. Es ist ein an wertfreien, empirisch-positivistischen Methoden orientiertes Modell. Im Zentrum steht nicht die Bildung, sondern das Lernen. Wichtige Erkenntnisse der Lernpsychologie/pädagogischen Psychologie wie Sozialisationsforschung bilden die Grundlage für die lerntheoretische Didaktik von Heimann/Schulz.
Interdependenz
Die lerntheoretische Didaktik geht von einem weiten Begriff der Didaktik aus. In dem Berliner Modell werden sechs Strukturelemente miteinander verbunden, die sich wechselseitig bedingen. Bedingungsfelder sind anthropologische und sozio-kulturelle Bedingungen, Entscheidungsfelder sind Ziele, Inhalte, Methoden und Medien. Methoden und Medien werden als didaktische Momente gesehen. Wenn man über Ziele im Unterricht nachdenkt, kann man nicht über Ziele an sich nachdenken, sondern stets im Zusammenhang mit den Wegen und deren Umsetzung. Insofern spricht man in der Berliner Schule von der Interdependenz der Strukturelemente und nicht wie Klafki von einer Nachrangigkeit der Methoden und Medien. Die Interdependenzthese ist das Kernstück der Berliner Didaktik.
Ziele, Inhalte, Methoden, Medien sind aus ihrer Wechselseitigkeit heraus zu verstehen. Methodische Überlegungen müssen die Intentionen und Inhalte genauso einschließen wie umgekehrt.
2.3.2 Hamburger Modell von Wolfgang Schulz
Hamburger Modell
zehn Elemente
Wolfgang Schulz, ein Schüler von Heimann, arbeitete zunächst in Berlin. Nach dem Tod von Heimann (1963) hat Wolfgang Schulz die lerntheoretische Didaktik weiter überarbeitet. Von 1964 an begann er, das Berliner-Modell selbstständig weiter zu entwickeln. Einige Jahre später wird Schulz auf eine Professur nach Hamburg berufen, von da an arbeitete er an einem eigenständigen theoretischen Ansatz, den er das Hamburger Modell nannte. Grundlage seines Modells, das er im Gegensatz zu Heimann lehrtheoretische Didaktik nennt, ist wie schon bei Heimann die Lerntheorie. Kron zeigt auf, dass der Theorie-Entwurf von Schulz zehn Elemente aufweist.
Grundorientierung