Social Web. Anja Ebersbach

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Social Web - Anja Ebersbach


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mit den sozialen Bewegungen gegen die atomare Bedrohung und gegen den Autoritarismus in der Gesellschaft. Levy fasste die Hackerethik 1984 so zusammen:

      1. Access to computers – and anything which might teach you something about the way the world works – should be unlimited and total.

      2. Always yield to the Hands-on Imperative!

      3. All information should be free.

      4. Mistrust authority – promote decentralization.

      5. Hackers should be judged by their hacking, not bogus criteria such as degrees, age, race or position.

      6. You can create art and beauty on a computer.

      7. Computers can change your life for the better.

      Hier entstand eine neuartige, weltweit vernetzte Technik-Community mit einem eigenen Selbstverständnis und identitätsstiftenden kulturellen Codes: Das Jargon File, ein Wörterbuch der Hackerkultur, wurde 1975 zum ersten Mal im Netz publiziert. Die Hackerkultur entwickelte sich weiter und etablierte sich als Anwalt eines freien Zugangs zu Wissen über digitale Medien. Diese Kultur blieb allerdings immer eine Subkultur verhältnismäßig weniger avantgardistischer Technikakteure, die jedoch eine Öffentlichkeit schufen und eine bedeutende meinungsbildende Rolle in Fragen der Informations- und Kommunikationstechnologien erlangen konnten.

      Erstes alternatives Netz. Ein weiterer Meilenstein in Richtung eines öffentlichen Netzes wurde 1979 das USENET als freie Alternative zum ARPANET. USENET funktionierte als internetweites schwarzes Brett. Die Kommunikation dort ist mit den heutigen Foren zu vergleichen. Im Prinzip konnte sich jeder Nutzer mit Postings an der Diskussion beteiligen und eigene Bereiche eröffnen. Besonders berüchtigt war die alt.*-Gruppe, in der sich alle möglichen und unmöglichen Interessengruppen zusammenfanden. Sozial bildete sich mit dem USENET ein öffentlicher Raum, in dem jeder zu jedem Thema lesen und schreiben konnte. Aktuell erlebt das USENET eine unerwartete Renaissance als unkontrollierte Tauschbörse für Musik und Videos.

      Geburtsstunde des technischen Internets. Auf technischer Ebene vollzogen sich Anfang der 1980er-Jahre zwei wichtige Durchbrüche. 1981 stellte IBM seinen Personalcomputer vor. Damit wurde der Zugang zum Netz räumlich unabhängig von den großen Rechenzentren. Ein Jahr später wurde das Internetprotokoll TCP/ IP zum Standard, als die Defence Communications Agency und die ARPA diese beiden Protokolle implementierten. Mit der Implementierung wurde auch zum ersten Mal der Begriff »Internet« wirklich definiert. Von nun an bezeichnete man damit die Menge der verbundenen Netzwerke, die auf dem Protokoll TCP/IP basieren.

      Separate Communities mit eigenen Computernetzwerken. Mitte der 1980er- Jahre entdeckten schließlich auch Menschen außerhalb der Hochschulen Computernetze als Medium. Im Jahr 1985 gründete Stewart Brand und Larry Brilliant das Whole Earth ’Lectronic Link (WELL) in San Francisco, eine der ältesten noch aktiven Online-Communitys im Internet. Über dieses Forum fanden dann auch die Gründer der Electronic Frontier Foundation zusammen, einer Organisation der Free-Speech-Bewegung. Dies ist neben den Hackern ein weiteres Beispiel für die enge Verzahnung von politischen Bewegungen mit progressiven Szenen in der Medienwelt. Howard Rheingold, ein frühes und sehr aktives Mitglied von The WELL, verarbeitete schließlich seine Erfahrungen in einem Buch mit dem sprechenden Titel »The Virtual Community« (1993).

      Freenets. Für Menschen außerhalb der Universitäten entstanden zudem eine Reihe sogenannter Freenets, mit denen man Zugang zum Internet erhielt. Das erste, das Cleveland Freenet, wurde 1986 von der Society for Public Access Computing (SoPAC) in Betrieb genommen. Das Cleveland Freenet war zunächst ein separates, lokales Netz mit 10 Modems, das sich erst nach einer Weile mit dem Internet verband. Ausgehend von diesem Beispiel entstanden weitere Freenets als Orte technischen Experimentierens, aber auch für Debatten und den täglichen Klatsch und Tratsch. Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass Ende der 1980er-Jahre mit dem Internet Relay Chat (IRC) von Jarkko Oikarinen ein synchrones Kommunikationsformat hinzukam, das in Konkurrenz zum Telefon trat und bis heute ein beliebtes Medium von Schülern und Studenten ist.

      Kommerzielle Dienste. Für unser heutiges Bild vom Internet war jedoch der Aufstieg der ersten Onlinedienstleister und hier vor allem der kommerziellen Onlinedienste, wie CompuServe, The SOURCE und AOL in den 1980er-Jahren prägender. Diese Unternehmen wandten sich zunächst nur an Großkunden, boten aber bald auch normalen PC-Besitzern Zugänge zu Computernetzwerken. Diese separaten Netze richteten Ende der 1980er-Jahre Gateways zum Internet ein, über die sie seither E-Mail und News austauschen können.

      Außerdem wurde das Internet in den 1980er-Jahren international, so dass die Onlinedienstleister ein transnationales Medium zur Verfügung stellten, mit dem sich zukünftig eine global verteilte Produktion neu organisieren ließ. Das Internet wurde so zum zentralen Medium für die weltweite Güterproduktion und zum Transfer von Finanzdienstleistungen. Letzteres war, wie wir heute wissen, der Beginn einer neuen globalen hochtechnologischen Produktionsweise.

      Übergang zum marktgesteuerten Internet. Die radikale Veränderung der makropolitischen Rahmenbedingungen mit dem Zusammenbruch des Staatssozialismus hatte ab 1989 auch Auswirkungen auf das Internet zur Folge. Während des Kalten Krieges entwickelte sich das Internet auf der Basis einer engen Verzahnung von Industrie, wissenschaftlichem Apparat und Politik. So war das ARPANET zweifellos ein Projekt eines tonangebenden Warfare States, der wirtschaftliches Wachstum über Rüstungsanstrengungen und Wissenschaftsförderung generierte. Im Jahr 1990 wurde das ARPANET abgeschaltet. Dies gilt heute als ein Wendepunkt in der Geschichte des Internets hin zur Kommerzialisierung des Netzes. Der Staat trat erkennbar als maßgeblicher Impulsgeber auch bei der Entwicklung des Netzes zurück. Die weitere Gestaltung wurde ab jetzt von der Initiative privater Unternehmen geprägt.

      Schließlich verhieß die »Informationsgesellschaft« neue wirtschaftliche Wachstumschancen und Renditen. Deshalb veränderte die Politik die Rahmenbedingungen hin zu einer marktgesteuerten Entwicklung. Die öffentliche Hand stellte nur noch die teure technische Infrastruktur bereit und bewarb diese mit dem Schlagwort des »Information Super-Highways«. Charakteristisch war hierfür die Initiative des späteren Vizepräsidenten der USA, Al Gore. Dieser hatte während seiner Amtszeit als Senator 1991 den »High Performance Computing Act« zur Förderung des Internets initiiert, was als wichtiger Schritt zur Verbreitung des Internets gilt. Im Ergebnis kam es zu einem euphorischen Run privater Unternehmen auf das Internet hin zur »New Economy«.

      Konzeption des Webs. Technisch eröffnete die Erfindung des WWW, ein über das Internet abrufbares Hypertextsystem, durch Tim Berners-Lee im Jahr 1989 neue Horizonte für die öffentliche Nutzung des Netzes. Die Idee einer dezentralen, netzartigen Speicherung des Wissens war eigentlich schon in den 1940er-Jahren entstanden. In seinem Essay »As we may think« beschrieb Vannevar Bush5 (1945) ein System, das elektronisch an eine Bibliothek angeschlossen ist und dort enthaltene Bücher und Filme anzeigen sowie untereinander referenzieren konnte. Sein System Memex sollte es zudem jedem Benutzer erlauben, eigene »Spuren«, wir würden heute Links sagen, zu setzen. Schon damals war die massive Beteiligung aller Nutzer fest in das Konzept eingeplant.

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      Abb. 1.3: Skizze des Memex-Systems

      1965 hatte dann Ted Nelson ein Hypertextsystem kreiert, das nichts »vergisst«: Xanadu. Er stellte sich darunter eine unbegrenzte Informationsdatenbank vor. Sämtliche Information der Welt sollte darin gespeichert werden. Der Gegensatz zwischen Autor und Leser sollte aufgehoben sein, weil die darin enthaltenen Dokumente simultan und kollektiv bearbeitet werden können. Auch war geplant, alle alten Versionen weiter zu erhalten, falls die Texte aktualisiert würden. Dabei sollte jedes »Stück Information« eine eigene Adresse erhalten, um die Linkstrukturen konsistent zu halten. Auch hier war die aktive Beteiligung aller Benutzer angedacht. Damit hatte Nelson nicht nur die Technologie des WWW vorweggenommen, sondern auch viele Elemente des Social Webs beschrieben.

      »Web 1.0« – Das Internet wird zum Massenmedium. Das Internet wurde mit dem WWW, das technisch gesehen als Dienst auf dem Internet aufsetzt,


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