Medientheorien kompakt. Andreas Ströhl

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Medientheorien kompakt - Andreas Ströhl


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– Schatten in der Höhle: Platons Ideenlehre, Höhlengleichnis und Erkenntnistheorie

       Immanuel Kants Erkenntnistheorie

       Georg Wilhelm Friedrich Hegel

       Die Dialektik

       Das unglückliche Bewusstsein

       Metaphern prägen unser Mediendenken

       Anatomie und Blutkreislauf

       Friedrich List und Adam Heinrich Müller

       Die zweite Industrialisierung und das Rieplsche Gesetz

      [8]Medientheorien im 20. Jahrhundert

       – Kommunikation statt Distribution: Bertolt Brechts Radiotheorie und die Folgen

       – Von der Aura zum Chock: Walter Benjamin - die Kunst, ihre Reproduzierbarkeit und die Technik

       Die Nachkriegszeit: Moderne Medientheorien

       Kommunikationsmodelle: Karl Bühler, Claude Shannon, Warren Weaver und Roman Jakobson — und die Lasswell-Formel

       – Das Medium wird Botschaft … und Marshall McLuhan ist sein Botschafter

       – Marxismus, Frankfurter Schule, Kritische Theorie: Adorno und Horkheimer, Enzensberger und Habermas als Medientheoretiker

       – Melancholische Meditationen über die Fotografie: Roland Barthes und Susan Sontag

       Der Konstruktivismus

       Der erkenntnistheoretische Radikale Konstruktivismus

       Konstruktivistische Medientheorie

       – Teilnahmsloser Beobachter dritter Ordnung: Niklas Luhmanns Systemtheorie der Medien

       – Wait a minute, Prof. Postman! Oder: Die schlechte Laune der Kulturpessimisten

       – Vom Dialog, von Kanälen und Codes: Vilém Flussers bodenlose Phänomenologie der Kommunikation

       Everything Turns: Die Lawine der Wenden im 20. Jahrhundert

       Die linguistische Wende

       Der Semiotic Turn und der Iconic Turn

       Ein kurzer Überblick über die verschiedenen Wenden

       Die mediale Wende

       Der Mensch als Medientier

       Medientheorien in der Postmoderne und Gegenwart

       – Das Komplott der Simulakra: Jean Baudrillard

       – Rasender Stillstand: Paul Virilio - der Krieg, die Beschleunigung, das Verschwinden

       – Der Geist singt nicht mehr im Signifikantenstadel: Friedrich Kittler und das technische Apriori

      [9]… und jetzt?

       Das Erbe der Gründerväter und der Versuch, Abschied zu nehmen

       Nach dem Abschied vom Abschied von den Medientheorien

       Was also sind Medien?

      Literaturverzeichnis

       Zitierte Filme

       Zitierte Musik

      Personenregister

      Abbildungsverzeichnis

       Einführung[10][11]

      Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht.

      (2. Mose 33.20)

      Gott war für die Autoren des Alten Testaments gewaltig, überwältigend und unzugänglich. So unerträglich stellten sie ihn sich vor, dass ein gewöhnlicher Sterblicher seinen Anblick nicht überleben würde. Und doch wurde diesem Gott unterstellt, er wolle mit seinen Geschöpfen, zumindest mit einigen von ihnen, kommunizieren.

      Das hatte zwei Konsequenzen: Um mit seinem auserwählten Volk sprechen zu können, brauchte Gott erstens einen Mittelsmann: Moses. Nur Moses ist autorisiert. Der göttliche Autor, der Schöpfergott, hat allein ihm die Fähigkeit verliehen, seinen Anblick zu ertragen, ihn sehen und hören zu können, und dann dem Volk wie ein Dolmetscher seine jenseitigen Nachrichten zu überbringen. Selbst er, der Allmächtige, ist auf den Mittler angewiesen, auf das Medium Moses. Nur durch dessen Vermittlung können die Israeliten das Göttliche überhaupt wahrnehmen. Ohne das Medium wäre ihr Bund mit dem neuen Gott nicht möglich; Kommunikation könnte ohne Medium gar nicht stattfinden.

      Zweitens aber befanden sich die Autoren dieser Erzählung in einer mediengeschichtlich beispiellosen Situation: Sie schrieben. Und zwar schrieben sie, anstatt zu modellieren oder zu malen. Die Schrift steht am Beginn des Monotheismus, der mit einer magischen Weltvorstellung aufräumen sollte, mit der Vorstellung, ein Götzenbild oder eine Ikone symbolisiere nicht nur eine Gottheit, sondern sei diese selbst. Die sogenannten Schriftreligionen sind Aufklärungsbewegungen. Geschrieben wurden sie vor allem gegen etwas, gegen die Anbetung von Bildern.

      [12]Wie wird dieser Vorgang in der Bibel selbst dargestellt? Gottes Finger schreibt den Grundtext, die zehn Gebote, auf Gesetzestafeln und übergibt sie Moses, der die Tafeln vom Berg Sinai herunterbringt. Da sieht Moses unten die Israeliten ums Goldene Kalb tanzen. Vor Wut und Empörung zerschmettert er den Urtext. Doch dessen Autor zeigt Verständnis. Moses geht ein zweites Mal auf den Berg. Diesmal schreibt der Prophet selbst die Worte auf, die ihm der Autor diktiert. Dann überbringt er seinem reuigen Volk die zweite Auflage der zerstörten Erstausgabe: Die Schrift an sich also ist wertlos; sie ist eine Kulturtechnik, weiter nichts. Heilig ist der Inhalt des Textes, nicht aber das ihn bedeutende Zeichen, welches bloß auf den Inhalt verweist. Die Israeliten gehen in diesem Moment, in dem sie den Inhalt von den Zeichen seiner Wiedergabe trennen, einen gewaltigen zivilisatorischen Schritt, einen Schritt, der unsere Kulturen und unser Bewusstsein bis heute prägt.

      Die Kapitel 31 bis 34 des 2. Buch Mose enthalten im Grunde alles, was zur Begründung einer Theorie des Medialen notwendig ist. Ebenso wie andere große archaische Erzählungen ist die Bibel voll von solchen Motiven. Ist nicht der Mittelsmann Moses eine Präfiguration, eine Vorwegnahme von Gottes menschgewordenem Sohn, der zwischen diesem und den Menschen vermitteln soll? Sind die Engel nicht Boten, Kuriere und göttliche Nachrichtentechniker?


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