Soziale Arbeit. Johannes Schilling

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Soziale Arbeit - Johannes Schilling


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oder selbständige Arbeit zu verdienen. Bei Ausnahmen von dieser Regel besteht der Anspruch auf entsprechende Sozialleistungen einschließlich sozialer und erzieherischer Hilfen, wie es in § 1 des Allgemeinen Teils des Sozialgesetzbuches (SGB) heißt.

      Die Grundsicherung für Arbeitssuchende umfasst nach § 1 Abs. 3 SGB II Leistungen

      1. zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit, insbesondere durch Eingliederung in Arbeit, und

      2. zur Sicherung des Lebensunterhaltes.

      Die Sozialhilfe in der Bundesrepublik Deutschland umfasst nach § 8 SGB XII folgende Hilfen:

      1. Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 bis 40 SGB XII),

      2. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 bis 46 SGB XII),

      3. Hilfen zur Gesundheit (§§ 47 bis 52 SGB XII),

      4. Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 53 bis 60 SGB XII),

      5. Hilfe zur Pflege (§§ 61 bis 66 SGB XII),

      6. Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§§ 67 bis 69 SGB XII),

      7. Hilfe in anderen Lebenslagen (§§ 70 bis 74 SGB XII)

      sowie die jeweils gebotene Beratung und Unterstützung.

      Hilfe, zentrales Strukturmerkmal

      Es besteht weitgehend Konsens darüber, dass es in der Sozialen Arbeit im Wesentlichen um Hilfe(leistungen) geht. Hilfe ist das zentrale Strukturmerkmal der Profession Soziale Arbeit. Dabei muss man allerdings feststellen, dass sich der Hilfebegriff bei sich verändernden gesellschaftlichen Strukturen ebenfalls verändert hat. Er ist durch historische Entwicklungen zu einem komplexen Begriff geworden. Im Folgenden soll dieser komplexe Begriff ,Hilfe‘ einer detaillierteren Betrachtung unterzogen werden.

      Unter Hilfe versteht man ein öffentliches soziales Handeln, als Sorge für diejenigen Menschen in einer Gesellschaft, die während bestimmter Lebensphasen und/oder in bestimmten individuellen und sozialen Lebenslagen ihre Angelegenheiten nicht selbst und auch nicht mit Unterstützung der Menschen ihres unmittelbaren Lebensumfeldes regeln können. Die Beantwortung der Fragen

      ■ Wem wird geholfen? (Auswahl derjenigen, die Hilfe bekommen sollen)

      ■ Wann wird geholfen? (Anerkennung bestimmter Bedürfnisse)

      ■ Warum wird geholfen? (Motive der Hilfeleistung)

      ■ Wie wird geholfen? (Art und Weise des jeweiligen Vorgehens)

      wird beeinflusst durch das in einer Gesellschaft geltende Menschenbild und der Vorstellung vom menschlichen Zusammenleben bzw. dem gesellschaftlichen Wertesystem. Um soziale Hilfe gewährleisten zu können, kann man aus geschichtlicher Sichtweise drei Formen unterscheiden:

      ■ Privat-lebensweltliche Form der Hilfe: Diese Form nimmt tendenziell immer mehr ab. Man kann davon ausgehen, dass privat geleistete, „barmherzige Liebesdienste“ endgültig zu verabschieden sind.

      ■ Sozialpolitik: Sie wird bestimmt durch Geldleistungen unter sozialrechtlichen Vorgaben und Begrenzungen.

      ■ Personenbezogene soziale Dienste: Soziale Arbeit und öffentliche Erziehung sind notwendig gewordene Institutionen, die Hilfeleistungen der privat-lebensweltlichen Form immer mehr übernehmen (Rauschenbach/Gängler 1992, 46).

      Der Begriff soziale, d.h. öffentliche Hilfe ist heute vielfach vorbelastet (Schefold 2002, 875–881), z. B. dadurch, dass es für Menschen in manchen Fällen offenbar peinlich ist, Hilfsangebote anzunehmen. Man signalisiert durch das Ersuchen von Hilfe, dass man in einem bestimmten Bereich versagt hat, Probleme nicht selbständig bewältigen kann.

      soziale Hilfe

      Wer soziale Hilfe annimmt, muss über seine Probleme sprechen, sich und seine Lebenslage offen darlegen, möglichst nichts verschweigen. Alles wird sehr genau notiert und zu den Akten gelegt. Man wird zu einem Fall. Gegen solche Voraussetzungen des Hilfsangebotes wehrt man sich. Man versucht auch so zurechtzukommen. Über private Probleme möchte man nicht sprechen.

      Ein weiterer Makel von Hilfe besteht darin, dass häufig diejenigen, die Hilfe benötigen, als „a-normal“ bezeichnet werden, weil sie nicht in der Lage zu sein scheinen, ihr Leben selbständig zu planen und zu gestalten. Dabei übersieht man, dass jeder Mensch viel Hilfe braucht und auch ständig in Anspruch nimmt, z. B. die Hilfe des Arztes, der Krankenkasse, Autowerkstatt, Versicherung, des Rechtsanwaltes, eines Verkäufers, des Polizisten, Pfarrers usw. Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist normal. Wir brauchen in unserem ganzen Leben ständig Hilfe. Jeder Mensch ist bezüglich der Entwicklung seiner Persönlichkeit auf die Hilfe Anderer angewiesen.

Aus diesem Grunde sollte man den Begriff „soziale Hilfe“ differenzieren:1. primäre Hilfe: Eigentliche Inanspruchnahme von Hilfeleistungen. Sie dient der ganzheitlichen Entfaltung der Persönlichkeit.2. sekundäre Hilfe: Ersuchen von Hilfeleistungen im Vorfeld eines Problems. Beim Lösen und Bewältigen von Problemen bedarf es kompetenter Beratung, Hilfe und Unterstützung.3. tertiäre Hilfe: Ersuchen von Hilfeleistungen im Nachhinein. Probleme eskalieren, entwickeln eine Eigendynamik, schaffen Situationen, die man ohne fremde Hilfe nicht mehr lösen kann.images

      Vielfach versteht man Hilfe Sozialer Arbeit immer noch als tertiäre Hilfe, d.h. als Maßnahmen, die dann zum Zuge kommen, wenn bereits Probleme bestehen. Dieses Verständnis hat sich jedoch inzwischen insofern geändert, als Soziale Arbeit primär im präventiven Bereich angesiedelt ist, d.h. primäre und sekundäre Hilfe leistet. Soziale Hilfe im Sinne von Orientierungshilfe braucht nicht nur derjenige, der von der Norm abweicht, sondern jeder, der Werte und Normen erfüllen will.

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      Abbildung 5: Hilfe-Modell

      1.8 Zusammenfassung

imagesSozialarbeit und Sozialpädagogik hatten im Mittelalter und zum Beginn der frühen Neuzeit noch die gleichen geschichtlichen Wurzeln. Denn im Mittelalter unterschied man noch nicht zwischen Hilfe für Erwachsene und Kinder bzw. Jugendliche. Seit der frühen Neuzeit konzentrierte man sich jedoch zunehmend gesondert auf Kinder und Jugendliche und versuchte sie vorbeugend vor Verwahrlosung zu schützen. Diese beiden Linien, Erwachsenen- und Jugend-Fürsorge, haben sich eine Zeit lang auseinander entwickelt. Jeweils eigene Hilfe-Modelle wurden entworfen. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben sie sich dann zunächst allmählich, mittlerweile jedoch wieder soweit aufeinanderzubewegt (sie konvergieren), dass man zwar immer noch vielfach von Sozialarbeit/Sozialpädagogik, aber zunehmend nur noch von Sozialer Arbeit spricht, in der beide historische Entwicklungslinien zusammengeflossen sind (Abbildung
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