Das Leben ist ein Abenteuer. Hans-Peter Vogt
Читать онлайн книгу.Er nahm sie mit zu dem kleineren Haufen, und befühlte die Mädchen alle noch einmal. Einem der Mädchen leuchtete er ins Gesicht. „Wasń das. Pjotr. Komm doch mal her. Er gab ihm die Taschenlampe. „Ins Gesicht“, befahl er. Er fasste dem Mädchen unters Kinn und bewegte das Gesicht hin und her. „Pickel“, meinte er. „Hast du noch woanders Pickel? Arme, Po, Beine?” Er sah, wie das Mädchen den Kopf schüttelte. „Ma’ aufmachen.“ Er zeigte auf den Reißverschluß der Jacke, und als das Mädchen nicht schnell genug reagierte, griff er ihr in die Haare und riß den Kopf hin und her. Das war schmerzhaft und das Mädchen schrie gequält. „Arme hoch“, befahl er. Dann griff er dem Mädchen links und rechts an die Brüste, zog mit einem schnellen Griff den Reißverschluß auf, fasste in die Bluse und riß sie auf, so dass zwei Knöpfe wegsprangen. Das Mädchen zuckte, aber es traute sich vor Angst nicht, was zu sagen. Er griff in die geöffnete Bluse, holte die Brüste raus wie zwei Würste, und befahl, „mehr Licht.“ Dann ließ er die Hände hinunter wandern. „Umdrehen“. Er drückte sich von hinten an das Mädchen, schlang die Hände um die Taille, ließ sie an den Hüften hinunter fahren, befühlte die Oberschenkel und griff ihr in den Schritt. „Wie heißt du?“ „Jasmin“, flüsterte das Mädchen. „Lauter.“ „Jasmin“, wiederholte das Mädchen und der Russe machte zwei Stoßbewegungen von hinten mit der Hüfte. Dann drehte er sie mit einem schnellen Griff um und drückte sich von vorne an sie. Er presste sie an sich, dann griff er ihr in die Haare, ging einen halben Schritt zurück und stieß sie zu dem großen Haufen. Sie stolperte und fiel, aber das schien den Russen nicht mehr zu interessieren.
Er prüfte den kleinen Haufen noch einmal. Vier der Mädchen schickte er zu den anderen, die anderen ließ er stehen. „Was sollen wir mit denen machen“, fragte er, „sie erfüllen nicht die Norm.“ Die Fahrer zuckten die Schultern. Sie waren bloss die Fahrer. Sie standen in der Hierarchie immerhin so hoch, dass sie berechtigt waren, das Geld entgegenzunehmen, aber sie waren bloss die Fahrer.
Der Russe war wirklich sauer. Er hatte Vereinbarungen getroffen, was die Qualität der Ware angeht, und er war schon mehrfach enttäuscht worden. Jetzt war Schluss. Sicher. Er könnte den Schrott als billige Arbeitskräfte an eine Hühnerfarm oder an einen Schlachthof verkaufen. Die gutsituierten Bürger in Berlin, Hamburg und anderswo gierten nach billigen Haushaltshilfen. Selbst die Krankenhäuser waren gute Abnehmer. Es gab da genug halbseidene Zeitarbeitsfirmen, denen er die Mädchen verkaufen konnte, aber er würde Verluste machen. Er hatte schließlich für gute Ware auch einen guten Preis vereinbart. Jetzt würde er ein Exempel statuieren. Er würde sich bei seinen Lieferanten Ärger einhandeln, aber er würde diesen Konflikt ausstehen. Notfalls würde er über seine Kontaktleute einen andern Lieferanten finden.
„OK“, sagte der Russe, „ich hab euch schon zweimal verwarnt. Die zieh’n wir von der Rechnung ab. Sagt euren Freunden, wir wollen das nächste Mal ordentliche Ware. Nicht so'n Dreck wie das hier.“ Er machte eine Kopfbewegung. Dann winkte er einem seiner Leute. Der öffnete einen Koffer. Der Russe nahm drei Bündel Geld heraus, blätterte, zog einen Teil davon ab, warf es in den Koffer, steckte sich den Rest in die Tasche, klappte den Koffer zu und gab ihm dem Fahrer. „Ich habe dir nur einen Teil abgezogen. Die da nimmst du wieder mit. Los jetzt“, befahl er den Mädchen, „wieder auf die Laderampe.“
Die Mädchen wussten nicht, wie ihnen geschah, war das nun gut oder schlecht? „Dawai, dawai“, fuhr der Russe sie an, und sie kletterten die Laderampe wieder hinauf.
Dann drehte sich der Russe um, nahm einem seiner Leute die automatische Waffe aus der Hand und feuerte wild in den LKW hinein. Er leuchtete mit der Taschenlampe hinein und schickte noch eine Garbe hinein, dann winkte er seinen Kumpels, die Paletten wieder reinzufahren und die Türen zu verriegeln.
Zu den Fahrern sagte er. „Dein Chef weiß jetzt, was wir mit schlechter Ware machen. Mach hin“, rief er dem Staplerfahrer energisch zu, „los jetzt. Wir haben keine Zeit zu verlieren.“
Théra war bereits unerkannt in das Führerhaus des Trucks geflogen. Jetzt die kletterten auch die Fahrer hinein, warfen den Truck an und rollten rückwärts aus dem Tor. „So eine verdammte Scheiße“, fluchte der Fahrer, „wie sollen wir das denn erklären. Jetzt müssen wir auch noch den Dreck da loswerden.“ Dann wendete er und fuhr davon.
Nils war total geschockt, aber Dennis hatte ihm signalisiert, jetzt nicht einzugreifen. Als der Truck losfuhr hatten sie sich schon längst in Bewegung gesetzt.
Sie begleiteten den Truck. Nach drei Kilometern blieb der LKW plötzlich stehen. Dennis und Nils holten auf, Nils verwandelte sich in seine Menschengestalt zurück, öffnete die Beifahrertür und Théra kam herausgeflogen. Sie verwandelte sich, dann kletterte sie in den Truck, holte eine Tasche heraus und drehte sich nach ihrem Vater um.
Die Fahrer waren bereits tot. Théra hatte sich in eine Spinne verwandelt und zugebissen. Das Gifft dieser Sorte Spinnen war absolut tödlich. Das war auch so ein Talent ihrer Familie. Sie hatten das schon ein paar mal benutzt, um sich zu wehren. Auch Nils konnte das.
Théra hatte den Truck an der vereinbarten Stelle gestoppt. Seitlich der Straße gab es ein Wäldchen mit dichtem Gebüsch, von der Strasse getrennt durch einen Bach. Dennis war sofort dahin geflogen und hatte sich zurückverwandelt. An einer gut getarnten Stelle holte er ein Etui aus dem Versteck, das die Freunde „des Dicken“ vor drei Stunden dort hingelegt hatten. Das war Generalstabsarbeit gewesen.
Jetzt hatte Dennis eine Maschinenpistole in der Hand. Es war ein seltsames Bild. Ein völlig nackter Mann mit MP. Nils grinste innerlich. Dann entsicherte Dennis und schickte die volle Ladúng in das Führerhaus, in den Kühler und in die Reifen des Trucks. Es zischte, als die Reifen platt wurden und der LKW vorne in die Knie ging.
Die MP-Salve diente der Tarnung.
Dennis nickte seinen Kindern zu. „Beeilung, sie werden in drei Minuten da sein. Wir haben nicht viel Zeit. Nils, stell jetzt bitte keine Fragen, lass uns abhauen.“ Sie sprangen in ihr Versteck, Théra nahm einen kleinen Beutel, sprang zu dem Lkw zurück und warf das Messer ein Stück von dem LKW weg in das Feld, ohne es mit den Fingern zu berühren. Dann sprang sie wieder zu Dennis und Nils zurück.
Dieses Messer spielte bei diesem Unternehmen die Schlüsselrolle. Théra hatte es Stunden vorher einem Chinesen entwendet, der Hua Guo Lang hieß. Er war der operative Leiter der Berliner Chinesenmafia. Ein vielleicht 35 Jahre alter und ein äußerst intelligenter und brutaler Gangster, der sich ganze Ladungen von Mädchen aus China und Thailand schicken ließ.
Schon lange bestand zwischen den Chinesen und den Russen eine Art Krieg um die besten Märkte in Berlin, Hamburg, Frankfurt, München und in anderen Städten. Das Geschäfte mit der Prostitution war fast genauso gut wie das Rauschgiftgeschäft. Auch in diesem Sektor mischte der Chinese mit.
Er hatte direkten Draht zu Produzenten in den Anbaugebieten in Ostasien. In der Szene war bekannt, dass er dieses Messer hatte. Es war etwas Besonderes. Eine alter Stahl mit mehrfach geschwungener doppelseitiger Klinge, wie das früher in Indonesien benutzt worden war. Er liebte es, die Mädchen damit gefügig zu machen. Kein anderer hatte so ein Messer.
Wenn das Messer jetzt hier lag, dann musste Hua Guo Lang hier gewesen sein. Freiwillig würde er das Messer nie hergeben. Jetzt wartete es dort in der Wiese, bereit, um von den Russen gefunden zu werden. Das würde ein Schlachtfest geben.
Dennis hatte Nils in die Arme genommen, denn Nils schlotterte vor Entrüstung und Wut. „Papa, was ist jetzt mit den Mädchen“, fragte er. Dennis war energisch: „...können wir jetzt nichts machen. Ich werde mich morgen darum kümmern. Jetzt müssen wir hier weg. Wir dürfen nichts riskieren.“
Sie sprangen direkt in das Büro „des Dicken“ und verstauten das Geld. Dennis legte die MP auf den Tisch. „Die lässt du wieder verschwinden.“ „Der Dicke“ nickte. „Alles glatt gegangen?“ Nils seufzte. „Alles. Nur die armen Mädchen tu’n mir leid. Ich möchte die Drecksäue am liebsten alle umbringen.“
„Der Dicke“, der inzwischen von dem Mord auf der Laderampe