Das Leben ist ein Abenteuer. Hans-Peter Vogt

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Das Leben ist ein Abenteuer - Hans-Peter Vogt


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ist zu groß. Die Russen werden sie auch nicht freiwillig zurückschicken. Sie haben dafür bezahlt. Das ist lebendes Kapital. Sie werden die Mädchen noch in dieser Nacht verschwinden lassen. Irgendwo in Berlin oder in Brandenburg. Ich weiß nicht wo. Für die Russen brennt jetzt die Luft. Nun müssen sie auch noch diesen Truck loswerden oder sogar das Gehöft aufgeben. Das läuft sowieso über einen Strohmann. Also ich würde an ihrer Stelle dort verschwinden, alles anzünden, um die Spuren zu verwischen und den LKW einfach dort stehen lassen, bis er am Sonntag durch einen Zufall gefunden wird. Es geht jetzt um Schadensbegrenzung.“

      Er fuhr fort: „Wenn die Russen erst mal zu wissen glauben, wer hinter dem Anschlag steckt, werden sie noch mehr Feuer spucken, als jetzt. Dann möchte ich in dieser Stadt kein Chinese sein. Théras Plan ist gut. Überlassen wir es diesen Ganoven, sich gegenseitig umzubringen.“

      Er wandte sich an Dennis. „Ich kann meine Leute da jetzt nicht hinschicken. Wenn die entdeckt werden, fliegt unser Unternehmen auf. Es ist eure Sache, den Fortgang des Geschehens zu beobachten.“

      Dennis nickte. „Théra und Nils gehen jetzt schön ins Bett. Ich werde noch mal zurückspringen und die Russen beobachten. Das Messer muss auch wirklich gefunden werden.“ Dann überlegte er einen Moment. „Théra, vielleicht solltest du das lieber machen. Es kann Situationen geben, wo deine besondere Kraft benötigt wird.“ Théra nickte. Das war für sie eine Kleinigkeit.

      Nachdem sie verschwunden war, wandte sich „der Dicke“ an Dennis und Nils: „Ich bleibe hier und lese Akten. Ihr verschwindet jetzt.“ Er mahnte Nils mit dem Finger. „Keine unüberlegten Aktionen“, und dann mit einem verschmitzten Blick zu Dennis. „Weist du, was du da für eine schöne Tochter hast?“ Dennis nickte. „Alanque ist ihre Mutter. Vergiss das nicht.“ Alanque war Dennis „zweite Frau“, die Mutter von Théra. Sie lebte in Peru.

      Das Geld wanderte in den Safe. Dennis nahm Nils an der Hand und sprang mit ihm nach Hause. Er brauchte jetzt den Vater mehr als je zuvor.

      Zwei Stunden später kam Théra zurück. Sie gab „dem Dicken“ einen kurzen Lagebericht.

      „Sie haben die Geschichte gefressen. Ab morgen ist hier der Teufel los. Du solltest noch eins wissen. Ich hab die Mädchen freigelassen und in alle Windrichtungen davon gejagt. Sie haben mich nicht gesehen. Die Russen wissen jetzt nicht, wo ihnen der Kopf steht. Sie müssen jetzt auch noch im Dunkeln den Mädchen hinterherjagen. Vier der ganz ganz Kleinen hab ich nach Rüdersdorf gebracht. Natascha ist jetzt bei ihnen.“

      „Der Dicke“ runzelte die Stirn. „Das war nicht ausgemacht.“

      Théra nickte. „Ich werde mich um die Kücken kümmern. Natascha ist zuverlässig. Ich werde die Mädchen für uns gewinnen.“

      „So wie du das immer machst“, fragte „der Dicke“ und Théra nickte. „So wie ich das immer tue.“

      Théra überlegte einen Moment, dann sprang sie zurück in die Wohnung in Rüdersdorf. Sie traf Natascha und die Mädchen dort an, die völlig verstört waren. Théra setzte sich zu ihnen und stimmte ihr Gesumm an, fast wie ein Lallebei. Es dauerte nicht lange, da waren die Mädchen eingeschlafen. „Ist der Kühlschrank voll?“ Natascha nickte. „Immer.“

      Théra umarmte Natascha und schickte sie nach Hause. „Sie haben dich nie gesehen. Verlass dich drauf.“ Natascha kannte einige von Théras Kräften. „Mach ich. Wenn du mich brauchst, ruf mich.“

      „Der Dicke“ wusste nicht, dass Théra jetzt die Nacht in Rüdersdorf blieb, einem Vorort von Berlin, wo die Organisation eine ihrer getarnten Wohnungen hatte, wie in vielen Stadtteilen. Er musste jetzt handeln. Er rief seinen Freund Trifter und einige seiner „Leutnants“ an und bestellte sie sofort ein.

      „Absolute Tarnung“, bat er. „Die Diebstähle sind im gesamten Stadtgebiet einzustellen. Die Kids im Untergrund bleiben von der Strasse weg, außer, wenn wir Sonderaufträge haben.“ Er wandte sich an Trifter. „Telefonier’ heut’ früh sofort mit dem Innensenator. Lass dich unterrichten. Von Eva will ich, dass sie sich morgen an das Fernsehen ranklemmt.“ Dann wandte er sich an seine Leutnants.

      „Théra hat die Mädchen freigelassen. Das sind über hundert Stück. Der Großteil wird von den Russen wieder aufgegriffen werden. Ein kleiner Teil wird vorübergehend entkommen. Werft unsere Kontakte zur Polizei und zum Roten Kreuz an, zu den Auffangstationen für Obdachlose, alles das. Sie haben Théra zwar nicht gesehen, aber wenn wir ein paar von ihnen von der Strasse holen, dann kann uns das vielleicht nützen, obwohl’s gefährlich ist. Sie haben keine Papiere, kein Geld, keine Nahrung und sprechen kein Wort deutsch. Spannt Ewalowa und einige unserer Freunde aus Tschechien und Polen ein. Wir müssen in diesem Sprachsegment mehr Präsenz zeigen. Wenn ihr Erfolg habt, bringt ihr die Mädchen nach Eberswalde, bloss nicht nach Berlin. Dann sagt ihr Théra sofort Bescheid. Es ist ihre Aufgabe, die Mädchen für uns zu gewinnen.“ Er schaute noch mal in die Runde. „Alles klar? Dann los jetzt.“

       6.

      Es gab viele Schleuserbanden in Deutschland und in Europa. Die meisten Menschen wurden gegen ein irrwitzig hohes Transportgeld über die Grenzen geschafft, um hier im Billiglohnsektor zu arbeiten. In Schlachtereien, am Bau, am Fließband und in Sozialberufen. Manche wurden ganz sich selbst überlassen. Was hier gerade geschehen war, hatte einen anderen Charakter. Hier ging es um großes Geld. Prostitution war ein gutes Geschäft, direkt hinter Rauschgift und Erpressung. “Der Dicke” und Nils hattren solche Aktionen schon öfter gemacht, aber dieses Wochenende sollte das Leben von Nils nachhaltig beeinflussen. Ohne dieses brutale Geschehen wäre sein Leben mit Sicherheit anders verlaufen.

      Manchmal werden unsere Schicksale von Zufällen beeinflusst. Wir können uns nicht dagegen wehren.

      Am nächsten Morgen weckte Dennis seinen Sohn. „Steh auf. Wir müssen jetzt Wache schieben, immer abwechselnd, und denk daran: keine unüberlegten Reaktionen, keine spontane Bestrafung.“ Er gab Nils eine Adresse. Du bleibst unsichtbar. Wenn du genug hast, dann löse ich dich ab. Er sah auf die Uhr. So um Zwölf. Ist das OK?

      Nils nickte. Er sprang nach Teltow, weil er wusste, dass die chinesische Mafia dort ein Zentrum hat, das den Russen bekannt war, dann wartete er ab. Um Zwölf emfing er von Dennis einen Energiestrahl. Er sprang zurück und legte sich wieder ins Bett. Als er um fünf aufwachte, war Dennis wieder da. „Théra ist jetzt unterwegs. Sie hat gestern Nacht übrigens vier der Mädchen gerettet. Sie hat sie eingewebt und Natascha ist jetzt bei ihnen. Die Mädchen werden keine Probleme machen.“ Nils atmete tief ein. „Immerhin vier.“

      Dennis nickte. „Der Dicke hat seine Kontaktleute in Marsch gesetzt. Er sagt, er kriegt jetzt ständig Berichte von der Polizei und den Hilfsdiensten vor Ort. Sie haben schon zehn weitere Mädchen aufgegriffen. Vier davon sind jetzt in Sicherheit bei unseren Freunden.“

      Nils nickte erleichtert. Das war eine gute Nachricht.

      Dennis legte sich zum Schlafen. Nils war immer noch aufgewühlt und er trödelte ein bisschen herum. Dann besuchte er seine Mutter, die heute im Büro Wache schob und klärte sie leise über den Stand der Dinge auf. Er musste einfach reden.

      Eva war ohne sein Wissen unterwegs. Sie hatte gute Kontakte zum Fernsehen. Sie war vor Ort, dort, wo der zersiebte Truck stand, mit fünfzehn Mädchenleichen im Auflieger. Es war ein Fressen für die Presse. Das drei Kilometer entfernte Gehöft war völlig niedergebrannt. Es gab nur noch rauchende Trümmer. Spuren würde man da wohl kaum finden.

      Als Théra um acht kam, war sie richtig groggy. Das waren zwei harte Tage und Nächte gewesen. Nils löste sie jetzt ab und signalisierte Dennis um zehn, „alles ruhig, aber ich brauche jetzt mein Bett.“

      Dennis löste seinen Sohn bei der Wache ab.

      Papa kam spät in der Nacht zurück. Er legte sich sofort hin und legte einen Zettel für Théra und Dennis auf den Küchentisch. Phase 2 erfolgreich, stand da.


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