Kommunikationswissenschaft. Roland Burkart

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Kommunikationswissenschaft - Roland Burkart


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      Bereits zwei Jahre nach der völligen Überarbeitung dieses Buches ist eine weitere Neuauflage möglich geworden. Damit bot sich überraschend schnell die Chance, ein Kapitel über Fake News und Verschwörungstheorien aufzunehmen, die Diskussion zur Plattformisierung öffentlicher Kommunikation zu beleuchten sowie auf die Evaluation von Konflikt-PR einzugehen. Zudem wurde der gesamte Text durchgesehen, korrigiert, aktualisiert und selektiv ergänzt. Für viele Hinweise zur vorangegangenen Auflage und konstruktives Feedback danke ich Otto Oberhauser und Uta Rußmann. Dank gebührt auch dem Team vom Böhlau-Verlag, denn es entstand ja wieder ein ganz neues Buch.

      Wien, im Mai 2021

      Dieses Buch hat eine lange Geschichte. Vor einigen Jahrzehnten, nach Beendigung meines Publizistik-Studiums, überkam mich das Gefühl, eigentlich zu wenig das studiert zu haben, wofür ich mich wirklich interessiert hatte. Die Tätigkeit als Universitätsassistent bot mir Gelegenheit, meinen Interessen dann doch nachzugehen. Im Jahr 1983 legte ich die erste Fassung dieses Buches erfolgreich als Habilitationsschrift vor. Ich hatte mir – angeregt durch die damals um sich greifende sozialwissenschaftliche Wende unserer Disziplin – gleichsam meine eigene Kommunikationswissenschaft entworfen.

      Ursprünglich war damit gar kein Lehrbuch beabsichtigt. Dennoch erlebte das Werk immer wieder unveränderte Nachdrucke. Ich entschloss mich daher zu einer groß angelegten Überarbeitung, die als 2. Auflage 1995 mit deutlich erhöhter Seitenanzahl erschien. Daraufhin stieg die Nachfrage neuerlich. Das Buch war inzwischen ins Koreanische sowie ins Bulgarische (2000) übersetzt worden, 1998 und 2002 kamen zwei weitere aktualisierte Auflagen in deutscher Sprache heraus. Inzwischen wurde es auch in die Sammlung der „Schlüsselwerke für die Kommunikationswissenschaft“ (Holtz-Bacha/Kutsch 2002) aufgenommen und reihte sich damit in den Rang jener Arbeiten ein, die „einen bedeutenden Beitrag für den fachlichen Erkenntnisfortschritt“ (ebd.: 12) leisten.

      Mit der 5. Auflage liegt nun eine abermals völlig überarbeitete und aktualisierte Fassung vor. Der bisherige Text wurde vielfach gekürzt, nach Kräften gestrafft, aber auch umfangreich ergänzt. Dies war nicht nur der zunehmenden Konsolidierung und Ausdifferenzierung unseres Fachs geschuldet, sondern vor allem auch der kommunikativen Revolution, die spätestens im ersten Jahrzehnt des dritten Jahrtausends so richtig begonnen hat und deren Ende nicht abzusehen ist: Die weitreichende Digitalisierung unseres Alltags, die weltumspannende Verbreitung des Internets, der Netz-Zugang mittels mobiler Endgeräte (wie Smartphones und Tablets), das Entstehen von Suchmaschinen sowie die Existenz unzähliger Social Media-Optionen haben sich an zahlreichen Stellen des Textes als unabdingbare Querschnittsmaterie erwiesen.

      Ich danke Natalie Indrist für das Beschaffen so mancher Literaturstellen sowie die penible Bearbeitung des umfangreichen Literaturverzeichnisses. In erster Linie gilt mein Dank aber wieder einmal meiner Frau Monika für ihre Geduld mit mir, für ihre ständige kritisch-motivierende Diskussionsbereitschaft und diesmal vor allem in ihrer Rolle als Ärztin für die richtige medizinische Intervention im richtigen Moment, die ausschlaggebend dafür war, dass ich diese Neuauflage überhaupt realisieren konnte. Ihr widme ich dieses Buch.

      Da ein Buch nur dann seinen Sinn erfüllen kann, wenn es auch gelesen wird, danke ich – last but not least – den vielen Studierenden aber auch Lehrenden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und so mancher anderer Fächer, aber auch Jenen, die es außerhalb akademischer Zirkel lesen und weiterempfehlen. Sie alle sind es ja, die den Erfolg dieses Buches seit Jahrzehnten immer wieder ermöglichen und auch dafür sorgen, dass die nötigen Motivationsschübe bei den Updates nicht ausbleiben.

      Wien, im Februar 2019

       Roland Burkart

      Das Wort Kommunikation ist längst selbstverständlicher Teil der Alltagssprache geworden. In der Regel geht es dabei auch um etwas ganz Alltägliches – um Mitteilungen zwischen Menschen. Präziser formuliert: Es geht um den Prozess, in dem wir einander mit Hilfe von Mimik, Gestik, Sprache, Schrift, Bild oder Ton, von Angesicht zu Angesicht oder über verschiedene materielle sowie virtuelle (digitalisierte, computer- und internetbasierte) Übertragungs- und Speichertechniken irgendwelche Botschaften vermitteln.

      Ausgerechnet diese Alltäglichkeit verdeckt jedoch vielfach die Komplexität des Geschehens, das dabei inszeniert wird. Sie ist erst bei näherer Betrachtung erkennbar1 und kommt unter anderem auch darin zum Ausdruck, dass Kommunikation in verschiedenen Wissenschaften aus unterschiedlichen Perspektiven als Erkenntnisobjekt auftaucht.

      So spricht man z. B. in der Biologie von interzellulärer Kommunikation, in der Chemie von Chemokommunikation, die Physik kennt kommunizierende Gefäße und die Informatik sieht bei der Übertragung von Daten kommunizierende Hard- und Softwaresysteme. Aber keines dieser Fächer kann für sich in Anspruch nehmen, dem Kommunikationsprozess in allen seinen Dimensionen gerecht zu werden.

      Das Fach, aus dessen Perspektive der Kommunikationsprozess in diesem Buch betrachtet wird, ist die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Sie ist eine relativ junge Disziplin, wenigstens gemessen an so traditionsreichen Wissenschaften wie Physik oder Medizin. Am Beginn stand die Zeitungskunde bzw. Zeitungswissenschaft, die erstmals im Jahr 1916 in Leipzig durch ein eigenes Institut universitär verankert wurde. In den 1940er Jahren, nach der Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten2 und dem Ende des Zweiten Weltkriegs, mutierte die Zeitungswissenschaft unter dem Diktat technologischer Innovationen und deren massenhafter Verbreitung (die seinerzeit neuen Medien Hörfunk und Fernsehen waren einzubeziehen) zur Publizistik3. Aber auch dieser Begriff sollte sich bald als zu enges Korsett erweisen, dem die Disziplin im Verlauf ihrer sozialwissenschaftlichen Wende in den 1970er Jahren zu entwachsen begann. Die Bezeichnung Kommunikationswissenschaft taucht erstmals im Jahre 1964 mit dem damals neugeschaffenen Lehrstuhl für „Politik- und Kommunikationswissenschaft“ der Universität Erlangen-Nürnberg auf (Ronneberger 1997: 27).4

      Damit war das Fach allerdings in eine Situation geraten, die treffend mit dem „Zustand einer verzögerten Detonation“ (Ronneberger 1978a: 16) bezeichnet worden ist: Mit der Mutation zur Kommunikationswissenschaft hatten sich die Konturen ihres Erkenntnisgegenstandes eher verdunkelt (ebd.: 17). Nicht ganz zu Unrecht wurden daher die „Grenzen der Publizistikwissenschaft“ (Saxer 1980b) eingeklagt, die sich nicht so sehr um den allgemeinen Kommunikationsprozess, als vielmehr um ihr eigenes Materialobjekt, nämlich die Medien kümmern solle. Andererseits war gerade mit dem Verweis auf die Überwindung ebendieser Tradition zu hören, die Kommunikationswissenschaft dürfe ihre Problemstellungen nicht auf die sogenannte Massenkommunikation reduzieren, auch wenn damit keineswegs der Anspruch verbunden sein kann, für jedwede Problematik aus dem Bereich der Humankommunikation zuständig zu sein (vgl. Rühl 1985a).

      Diesem scheinbaren Dilemma kann man freilich entkommen, wenn man sich darauf besinnt, dass eine wissenschaftliche Disziplin nicht nur durch Materialobjekte (wie z. B. die Medien) definierbar ist, sondern dass sie auch Formalobjekte benötigt (näher dazu: Kap. 8), nämlich eine Sichtweise, „eine besondere Blickrichtung auf das Material“ (Glotz 1990: 250) – oder anders formuliert: eine „spezifische Auswahl von Problemstellungen, -behandlungen und -lösungen“ (Rühl 1985a: 241)5.

      Mittlerweile hat sich die Kommunikationswissenschaft vielfach ausdifferenziert und auch konsolidiert.6 Sie befasst sich – wie jede andere wissenschaftliche Disziplin auch – mit einem ganz bestimmten Ausschnitt der Wirklichkeit7 und versteht sich als Sozialwissenschaft (DGPuK


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