Kommunikationswissenschaft. Roland Burkart

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Kommunikationswissenschaft - Roland Burkart


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Kutsch/Pöttker 1997, Meyen 2015, Meyen/Löblich 2007 sowie Meyen/Wiedemann (o. J.) http://blexkom.halemverlag.de/.

      5Zu Recht spricht sich Glotz grundsätzlich dagegen aus, eine Wissenschaft vom materiellen Gegenstand her zu konstruieren: „Ein solches Vorgehen wäre vergleichbar mit dem Versuch, Anthropologie, Philosophie, Medizin und ein Dutzend weiterer Wissenschaften zu einer ‚Menschenwissenschaft’ zusammenzufassen und diese dann mit der unbestreitbaren Wichtigkeit der Erforschung des ‚Menschen’ zu begründen“ (Glotz 1990: 250). Und er verweist auf einen der Väter der deutschen Zeitungswissenschaft (Otto Groth), der am Beginn seines siebenbändigen Grundlagenwerkes feststellt: „Der Forscher muss sich für eine spezifische Betrachtungsweise entscheiden, in der er die Erscheinungen sehen will, muss wählen, welche Seite dieser ihm wichtig ist, was er dementsprechend an ihnen herausheben, was er weglassen muss“ (Groth 1960: 4).

      6Abzulesen ist dies an diversen Einführungs- und Überblickswerken sowie Lexika (Auswahl): Beck 2020, Bentele/Brosius/Jarren 2003, Bentele/Brosius/Jarren 2013, Bonfadelli/Jarren/Siegert 2005, Kunczik/Zipfel 2005, Noelle-Neumann/Schulz/Wilke 2009, Pürer 2014, Schmidt/Zurstiege 2007.

      7Wir sprechen hier bereits von den sogenannten Realwissenschaften (das sind die Natur-, Technik-, und Sozialwissenschaften), die Teilbereiche der Erfahrungswirklichkeit zum Gegenstand haben – im Gegensatz zu den sog. Formalwissenschaften (wie formale Logik, Mathematik und Informatik).

      8Der Mediopunkt (auch: Mittelpunkt oder Halbhochpunkt) kann laut Duden (Diewald/Steinhauer 2020) im Deutschen als Mittel der geschlechtergerechten Schreibweise eingesetzt werden, wenn über die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern hinaus auch nichtbinäre Geschlechtsidentitäten einbezogen werden sollen.

      In diesem Kapitel geht es um eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Kommunikationsbegriff. Dabei wird allerdings nicht dem – sowohl in der Alltags- als auch in der Wissenschaftssprache anzutreffenden – inflationären Gebrauch dieses Wortes nachgegangen.1 Ich werde vielmehr versuchen, jene Dimensionen der Begriffsrealität herauszuarbeiten, mit denen sich die humanspezifischen Qualitäten dieses Prozesses erfassen lassen und die daher für das Verständnis von Kommunikationswissenschaft, wie es in diesem Buch entwickelt wird, wesentlich erscheinen.

      Zu diesem Zweck kann man Kommunikation mit Maletzke zunächst ganz allgemein als „Bedeutungsvermittlung zwischen Lebewesen“ (1963: 18) begreifen. Mit dieser einfachen (und zugleich „klassischen“) Definition klammert man bereits alle jene kommunikativen Vorgänge aus, die zwischen „Nicht-Lebewesen“ (wie datenverarbeitenden Maschinen u. Ä.) ablaufen, und rückt soziale Kommunikationsprozesse in den Mittelpunkt des Interesses. Die lmplikationen dieses Anspruchs gilt es in der Folge zu untersuchen.

      Mit dem Terminus Verhalten wird jede Regung eines Organismus bezeichnet. Neben rein motorischen Bewegungsabläufen (wie körperlich-muskulären Aktionen und Reaktionen eines Organismus auf Umweltreize) zählen dazu auch die Aktivitäten des Zentralnervensystems; beim Menschen sind dies v. a. die von Gehirn und Rückenmark gesteuerten nervösen Prozesse des Wahrnehmens, Fühlens und Denkens (vgl. Klima 2011: 725).

      Soziales Verhalten meint dagegen bereits den Umstand, dass sich Lebewesen im Hinblick aufeinander verhalten. Sozial ist dasjenige Verhalten von Lebewesen (Menschen oder Tieren), das eine Reaktion auf das Verhalten anderer Lebewesen darstellt und selbst wiederum die Reaktionen anderer Lebewesen beeinflusst (vgl. ebd.). Als sozial gelten daher sowohl Verhaltensabläufe, im Rahmen derer Lebewesen miteinander agieren (z. B. das gemeinsame Abwehren eines Feindes), als auch solche, die gegeneinander gerichtet sind (z. B. das Einander-Bekämpfen). Ausschlaggebend für den sozialen Charakter von Verhaltensweisen ist also der Umstand, dass sie aufeinander bezogen sind. Auch „Einzelaktionen“ (wie etwa das Sammeln von Futter für die Jungen) können damit durchaus sozialen Charakter besitzen. Werden nun im Rahmen derartiger sozialer Verhaltensweisen zudem Bedeutungen vermittelt, dann besitzen diese Verhaltensweisen auch kommunikativen Charakter.

      Strenggenommen ist dies nahezu immer der Fall. Von den erwähnten Einzelaktionen (vorzustellen wäre etwa eine isoliert stattfindende Futtersuche) abgesehen, findet ja allein infolge der – etwa durch räumliche Nähe bedingten – sinnlichen Wahrnehmung eines anderen Lebewesens eine Bedeutungsvermittlung zwischen diesen beiden statt.

      So bedeutet beispielsweise das Erscheinen eines Fuchses im Wahrnehmungsfeld eines Hasen für diesen das Signal zur Flucht; ebenso bedeutet für mich das Herannahen einer überfüllten Straßenbahn etwas, nämlich entweder mich auch noch hineinzwängen zu müssen, zu Fuß zu gehen, ein Taxi zu nehmen u. Ä. In beiden Fällen vermag allein die sinnlich wahrgenommene physische Existenz anderer Lebewesen (bzw. deren Verhalten) Bedeutungen zu vermitteln.

      Nicht nur soziales Verhalten, Verhalten überhaupt scheint sich damit in weiten Teilen als kommunikativ zu erweisen. Diese Ansicht vertreten auch Watzlawick (et al.), die im Rahmen ihrer Auseinandersetzung mit menschlicher Kommunikation die Begriffe Kommunikation und Verhalten überhaupt gleichbedeutend verwenden (1969: 23 f.). Ausgehend von der plausiblen Einsicht, dass es eine grundlegende Eigenschaft des Verhaltens sei, kein Gegenteil zu besitzen („Man kann sich nicht nicht verhalten“), gelangen sie zur Formulierung ihres vielzitierten Axioms „Man kann nicht nicht kommunizieren“ (Watzlawick et al. 1969: 53).

      Diese Position soll allerdings hier nicht vertreten werden. Obwohl es zunächst einsichtig erscheint (und auch gar nicht in Abrede zu stellen ist), dass jedes Verhalten gewissermaßen über ein kommunikatives Potential zur Bedeutungsvermittlung verfügt, so hieße es dennoch den Begriffsrahmen überspannen (was die inflationäre Verwendung des Wortes zudem nicht gerade mindern würde), wollte man jedes Verhalten mit Kommunikation gleichsetzen: Wenn alles Verhalten Kommunikation ist, dann wäre ja z. B. auch das Betragen eines schlafenden Individuums zu Recht bereits als Kommunikation zu bezeichnen.

      Denken wir an einen Studenten, der in der Vorlesung schläft. – Er signalisiert mir als Vortragendem mit seinem Verhalten „nonverbal, dass er nicht bereit oder in der Lage ist, meine Mitteilung aufzunehmen. Möglicherweise wird er als Dauersender desselben nonverbalen Signals zu einem Störfaktor für mich und die anderen Hörer. Nur: in umgekehrter Richtung, nämlich von mir zu ihm findet eine Kommunikation keinesfalls statt. Das heißt: was immer ich vortrage, er nimmt es nicht auf. Ich kann, was ich denke oder mitteile, folglich nicht mit ihm teilen. Dies gilt auch, wenn er ‚mit offenen Augen schläft‘, ‚abschaltet‘, Mitteilung verweigert“ (Wagner 1980: 171).

      Wenn also Kommunikation auch nicht möglich sein soll, dann ist entscheidend, dass man unter dem Begriff Kommunikation einen Mitteilungsvorgang versteht, in dem Bewusstseinsinhalte miteinander geteilt, „vergemeinschaftet“ (ebd.) werden. Dem Axiom über die Unmöglichkeit, nicht zu kommunizieren, liegt daher „ein vollkommen anderer Kommunikationsbegriff zugrunde“. (ebd.)

      Durch eine derartig hypertrophe Verwendung des Kommunikationsbegriffes geraten folgerichtig alle Versuche, eine Bedeutungsvermittlung (trotz wechselseitiger Wahrnehmbarkeit) nicht stattfinden zu lassen oder abzubrechen, in den Bereich des Pathologischen: Wenn jegliches Verhalten, also auch Schweigen, Absonderung, Regungslosigkeit, Schlafen oder irgendeine andere Form der Vermeidung von Kommunikation selbst eine Kommunikation ist, dann zeigt sich in dem Versuch, nicht zu kommunizieren, tatsächlich „ein wesentlicher Teil des schizophrenen Dilemmas“ (Watzlawick et al. 1969: 52).2

      Hier wird nun davon ausgegangen,


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