AktenEinsicht. Christina Clemm
Читать онлайн книгу.stehen Wachtmeister, die eingegriffen hatten, als ein älterer Herr eine blonde Frau angegangen war und sie beschimpfte.
Die Anwältin zieht vor dem Gerichtssaal ihre Robe an und ist so für alle als Rechtsanwältin zu erkennen. Sie geht sofort zielstrebig auf eine der blonden Frauen zu, begrüßt sie und bittet sie noch kurz und für die Umstehenden verständlich darum, mit ihr um die Ecke zu gehen, um letzte Details ihrer Aussage zu besprechen.
Es ist Bettina K., eine Frau, die am Tattag nachweislich in London weilte. Dann betritt die Anwältin den Gerichtssaal, während sich Bettina K. wieder zu den vor dem Saal Stehenden begibt. In dieser Gruppe befindet sich auch Claudia S.
Bei Aufruf der Sache geht Bettina K. in den vorderen Teil des Saals und setzt sich neben die Anwältin, während die anderen, auch Claudia S., die Plätze im Publikum einnehmen. Die Richterin ruft die Zeugen und Zeuginnen herein, um diese zu belehren und daraufhin wieder bis zu ihrer Vernehmung aus dem Saal hinauszuschicken.
Dann ruft die Richterin einen Zeugen nach dem anderen herein und bittet sie, bevor sie inhaltlich zu den Geschehnissen Stellung nehmen sollen, vorab schon einmal mitzuteilen, ob sie in dem Gerichtssaal die Person, die sie als Rädelsführerin bezeichnet hatten, wiedererkennen würden.
Sie bittet sie, sich genau umzusehen, sich Zeit zu lassen, alle Frauen im Gerichtssaal anzusehen und in Ruhe nachzudenken, bevor sie sich festlegten.
Fünf Zeug*innen betreten nacheinander den Gerichtssaal. Alle erkennen die Frau auf der Anklagebank als Rädelsführerin mit Sicherheit wieder und verlassen erneut den Gerichtssaal. Dass dort nicht die Angeklagte sitzt, sondern Bettina K., und dass Claudia S. stattdessen im Publikum Platz genommen hat, erkennt niemand.
Danach geht es schnell. Die Richterin bittet alle außer den Staatsanwalt und die Anwältin, den Gerichtssaal zu verlassen, und kaum ist die Tür geschlossen, richtet sie ihr Wort an den Staatsanwalt: »Na, dann werden wir wohl freisprechen müssen.« Der Staatsanwalt ist sichtlich genervt, redet von der Suggestionswirkung der Anklagebank und dass auf die Wiedererkennung im Gerichtssaal erwiesenermaßen nichts zu geben sei. Ein Argument, das sonst nur von der Verteidigung angebracht wird.
Nach der schlechten Lichtbildvorlage im Ermittlungsverfahren aber und der fünffachen falschen Identifizierung im Gerichtssaal und keinen weiteren Beweisen gegen Claudia S. muss sich auch der Staatsanwalt fügen und beantragt letztlich einen Freispruch, der auch wenige Minuten später unter den empörten Bekundungen der Lebensschützer*innen ergeht.
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