Internationale Beziehungen. Anja Jetschke
Читать онлайн книгу.gegenüber. Letztere sind aber selten geeint.
3 Auf einer dritten, internationalen Ebene war der Nahost-KonfliktNahost-Konflikt Teil der Ost-West-KonfliktOst-West-Konfliktkonstellation, mit wechselnden Allianzen.
Der Nahost-Konflikt ist in einem engeren Sinne ein israelisch-palästinensischer Konfliktisraelisch-palästinensischer Konflikt (1. Ebene) und hier ein Territorialkonflikt, bei dem sich der israelische Staat mit seinen innerstaatlichen Interessengruppen und Palästinenser, die ebenfalls politisch organisiert sind, gegenüberstehen. Beide kämpfen um dasselbe Land. Die arabischen Palästinenser bilden dabei eine weit verstreute Flüchtlingsgruppe, die inzwischen 10 Millionen Menschen umfasst und in mehreren Wellen Israel verlassen hat. Sie leben überwiegend in den umliegenden Staaten Libanon, Jordanien und Syrien, häufig Flüchtlingscamps, sowie in den USA. In den arabischen Staaten sind sie mit Ausnahme Jordaniens wenig in die Gesellschaft integriert und ihr Lebensstandard liegt in der Regel unter demjenigen der Bevölkerung der Aufnahmeländer. Dem gegenüber stehen mehrere Wellen jüdischer Einwanderung nach Israel, die die Bevölkerung Israels stark hat anwachsen lassen. Als politische Interessenvertretung der Palästinenser gründete sich 1964 die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO). Sie hatte ihren Hauptsitz zunächst in Jordanien, wurde aus diesem Land aber 1970 vertrieben, da die PLO mit ihrer Selbstverwaltung und dem Aufbau eigener Sicherheitskräfte einen Staat im Staate gebildet hatte, der die Autorität des jordanischen Königshauses zunehmend bedrohte.
Der Nahost-KonfliktNahost-Konflikt (2. Ebene) ist auch ein regionaler Konflikt, bei dem sich sowohl Israel und seine arabischen Nachbarstaaten gegenüberstehen als auch arabische Staaten untereinander in Konkurrenz stehen. Die arabischen Staaten hatten sich 1945 bereits vor Gründung der Vereinten Nationen in der Arabischen Liga organisiert, deren Ziel die Unterstützung eines unabhängigen palästinensischen Staates ist. Zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn kam es zu insgesamt drei Kriegen, die zu mehreren territorialen Veränderungen durch Gebietsgewinne geführt haben. Ägypten hat 1979 einen Friedensvertrag mit Israel geschlossen und Jordanien hat 1988 seine Gebietsansprüche auf das Westjordanland und Ostjerusalem aufgegeben, so dass heute vor allem Syrien und der Libanon territorial betroffen sind.
Ereignis | Verlauf | Weitere Effekte |
Erster Nahostkrieg (1948–1949)Israel vs. Ägypten, Libanon, Jordanien | Ziel: Die Zerstörung Israels als territorialer Staat;Ergebnis: Sieg Israels;Ausdehnung des israelischen Territoriums um mehr als ein Drittel über den UNO-Plan hinaus | Massenflucht von ca. 700.000 Palästinensern, v.a. nach Jordanienjüdische Immigration nach Israel |
19521954 | Sturz d. ägyptischen Königshauses;Machtübernahme Gamal Abdel Nassers | Ägypten geht Weg eines „Arabischen Sozialismus“ und panarabischen Nationalismus |
1955 | Bildung der Central Treaty Organization (CENTO) als anti-sowjetisches Bündnis;Mitglieder: USA, Großbritannien, Irak, Iran, Türkei | |
Suez-Krise (1956)Ägypten vs. Israel, Großbritannien, Frankreich | Ägyptische Nationalisierung des Suezkanals führt zu Interventionen Großbritanniens, Frankreichs und Israels mit dem Ziel des Sturzes Gamal Abdel Nassers;Absetzungspläne scheitern am Protest der VN und der USA;Großbritannien und Frankreich ziehen ab;Israel zieht sich zurück | Delegitimation der mit Großbritannien und Frankreich assoziierten Königshäuser;Umstürze in: Irak (1958), Libyen (1969), Revolution in Syrien (1963);Jordanisches Königshaus (1957) und Regierung Libanons (1958) retten sich nur mit US-Unterstützung;Irak, Libyen, Syrien folgen Ägypten auf dem Weg eines „Arabischen Sozialismus“;Annäherung Saudi-Arabiens an die USA |
1958–1961 | Gründung der Vereinigten Arabischen Republik zwischen Ägypten und Syrien | |
1964 | Gründung der PLO (Palestine Liberation Organization) als Interessenvertretung der arabischen Palästinenser | |
1966 | Verteidigungsabkommen zwischen Ägypten und Syrien | Eskalation in Richtung Sechstagekrieg |
Sechstagekrieg (1967)Israel vs. Ägypten | Ziel: Präventivkrieg Israels zur Eroberung d. Sinai;Ergebnis: Ägyptische Luftwaffe wird vernichtet;Israel besetzt den Sinai (Ägypten), das Westjordanland und Ost-Jerusalem (Jordanien) und die Golanhöhen (Syrien) | Delegitimation von Nassers arabischem Sozialismus / Panarabismus |
1967–1977 | Beginn der israelischen Siedlungspolitik im Westjordanland | |
1970 | Tod Nassers in Ägypten;Ägypten wendet sich unter Anwar el Sadat von der Sowjetunion ab;weder USA noch Israel honorieren den ägyptischen Kurswechsel | |
Jom-Kippur-Krieg (1973)Ägypten, Syrien vs. Israel | Ziel: Rückeroberung d. Sinais (Ägypten) und der Golanhöhen (Syrien);Ergebnis: Waffenstillstandsabkommen | Formierung der OPEC, die durch Drosselung der Erdölförderung europäische Zurückhaltung im Konflikt erzwingt;Ölboykott gegen westliche Staaten (1973–1974) |
Camp David Abkommen (1978)Ägyptisch-israelischer Friedensvertrag (1979) | Ziel: Entspannung des israelisch-palästinensischen Konfliktisraelisch-palästinensischer Konflikts;Ergebnis: Anerkennung der Grenzen Israels und damit der Existenz Israels als Staat;Rückgabe des Sinai an Ägypten;Arabische Staaten betrachten Friedensvertrag als Verrat an arabischen Prinzipien, Ägypten wird aus der Arabischen Liga ausgeschlossen;Ermordung Sadats (1981) durch islamische Fundamentalisten | Delegitimation der USA, Sturz von Shah Reza Pahlevi im Iran: Iranische Revolution 1978;Syrien nähert sich der Sowjetunion an |
Israelisch-arabische Kriege – Verlauf und Ergebnisse bis 1979
Auf einer globalen Ebene war der Nahost-KonfliktNahost-Konflikt (3. Ebene) Teil der Ost-West-KonfliktOst-West-Konfliktkonstellation, allerdings war diese Konstellation auf regionaler Ebene sehr unbeständig, da es viele Regierungsumstürze gab, die die außenpolitischen Orientierungen der Staaten permanent veränderten. So waren die Königshäuser des Irak, Irans, Jordaniens und Libyens nach ihrer Unabhängigkeit zunächst eng mit Großbritannien verbunden, der Libanon und Syrien mit Frankreich (französische Truppen zogen 1946 ab). Nur Ägypten, das spät kolonialisiert und früh wieder unabhängig geworden war, war nicht Teil dieses Bündnisses. Diese Zuordnung änderte sich nach der Suez-Krise. Sie bedeutete den Anfang vom Niedergang der kolonialen Stellvertreter-Königshäuser in der Region und veränderte die regionale Konstellation fundamental: Unter anderem als ein Effekt der Intervention stürzten im Irak, in Syrien und in Libyen die Königshäuser und Militärregierungen kamen an die Macht, die sich eher am sowjetischen Entwicklungsmodell orientierten als am Westen. Dem Modell Ägyptens folgend, gingen der Irak, Syrien und Libyen den Weg eines arabischen Sozialismus. Dieser richtete sich insbesondere gegen die als reaktionär empfundenen Königshäuser Saudi-Arabiens und der kleineren arabischen Ölmonarchien. Das jordanische Königshaus und die libanesische Regierung überlebten politisch nur durch die Unterstützung der USA (Smith 2008: 46). Saudi-Arabien näherte sich zu diesem Zeitpunkt den USA an. Damit stand einer stärker mit den USA assoziierten Koalition aus Iran, Jordanien, Libanon und Saudi-Arabien ein stärker mit der Sowjetunion assoziiertes Bündnis zwischen Irak, Libyen und Syrien gegenüber. Dies führte zu einer noch stärkeren Anbindung des Iran als einer der wenigen verbleibenden Monarchien unter Shah Reza Pahlevi an die USA.
Diese Konstellation änderte sich wiederum 1979. Nach dem Jom-Kippur-Krieg von 1973 kam es 1978 zum ersten Friedensvertrag zwischen einem arabischen Staat und Israel. Das durch die USA unter Jimmy Carter vermittelte Camp David AbkommenCamp David Abkommen (1978) und der Ägyptisch-Israelische FriedensvertragÄgyptisch-Israelischer Friedensvertrag (1979) wurden innerhalb der arabischen Staatengemeinschaft als Affront bewertet, weil sie die Grenzen des israelischen Staates anerkannten. Ägypten, ein Gründungsmitglied der Arabischen Liga, wurde aus dieser ausgeschlossen und verlor seine informelle Führungsrolle innerhalb der sozialistisch ausgerichteten Gruppe der arabischen Staaten. Um diese Rolle konkurrierten in der Folge die verbleibenden Staaten Irak und Syrien.
Der Friedensvertrag hatte aber noch weiterreichende regionale Effekte: Er trug zur fortschreitenden Delegitimation des US-Verbündeten Iran unter dem Shah von Persien bei und schließlich zur Iranischen RevolutionIranische Revolution. Mit der Machtübernahme durch den Ayatollah Khomeini verfolgte der Iran eine eigenständige Außenpolitik, die sich an keinem der Blöcke orientierte. Zusätzlich zu der durch den Ost-West-KonfliktOst-West-Konflikt bestimmten regionalen Konfliktlinie entstand eine religiös definierte Konfliktlinie