Internationale Beziehungen. Anja Jetschke
Читать онлайн книгу.eignete sich Libyen, Eritrea sowie jeweils einen Teil des heutigen Somalia und des Kongo an.
Innerstaatlicher Widerstand gegen die Kolonialisierung wurde zumeist blutig niedergeschlagen, wie im Kampf der Briten gegen die südafrikanischen Buren-Siedler 1899 oder bei der rassistisch motivierten Vertreibung und Vernichtung der Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika 1904–1908 als Strafaktion für ihre Auflehnung gegen die deutsche Herrschaft.
Die von Bismarck im November 1884 einberufene Berliner KonferenzBerliner KonferenzBerliner Konferenz: Verschärfung des kolonialen Wettbewerbs trieb den ImperialismusImperialismus weiter an. Sie löste einen Wettbewerb um möglichst weitgehende Gebietsansprüche aus, als – beginnend bei den Großmächten Frankreich und der Kolonialmacht Portugal – plötzlich alle anderen ebenfalls Ansprüche anmeldeten, „besessen von der Idee, eine ‚Parität‘ erreichen zu müssen [und] Anteile an der ‚Beute‘ zu fordern“. (Barraclough 1991: 718) Mit der Festlegung des Kriteriums der effektiven Besetzung verschärfte die Berliner Konferenz den Wettlauf um Kolonialisierung noch (Dallinger/Golz 2005: 148). Die Konkurrenz um Kolonien führte an vielen Punkten zu zwischenstaatlichen Krisen, wie der Marokko-Krise zwischen Deutschland und Frankreich, oder Auseinandersetzungen zum Beispiel um die Türkei und das Horn von Afrika, an denen sowohl Deutschland, Großbritannien als auch Frankreich beteiligt waren.
Die Kolonialisierung AsienAsiens
Der koloniale Wettbewerb um AsienAsien zeigt in vielerlei Hinsicht ein ähnliches Muster wie in Afrika, mit einem wesentlichen Unterschied: Bei den asiatischen Staaten, insbesondere China, handelte es sich um Gebiete, die bereits über ein hohes Maß an Staatlichkeit verfügten. Aber in noch einem anderen Punkt unterschied sich Asien von Afrika: Durch die Präsenz der USA, die bis 1898 kein Interesse an kolonialen Besitzungen hatte, aber große Handelsinteressen, setzte sich in Auseinandersetzung mit den europäischen Mächten der Freihandel als zentrales Prinzip für den Handel in Asien durch. Tatsächlich wurden hier erstmals jene Prinzipien etabliert, die später zu globalen Handelsprinzipien wurden: Das Meistbegünstigungs- und Nichtdiskriminierungsgebot, die beide die Grundlage der liberalen Handelsordnung bilden.
„Imperialismus“, Die Aufteilung Chinas von Henry Meyer, 1898
Die Expansion der europäischen Staaten und der USA führte zunächst über eine Reihe ungleicher Verträge zur erzwungenen wirtschaftlichen ÖffnungErzwungene Öffnung Chinas und Japans. Mit dem sich verschärfenden Wettbewerb um kolonialen Besitz setzte jedoch auch in AsienKolonialisierungAsien eine schnelle Kolonialisierung ein. Dennoch weichen die Entwicklungspfade Chinas und Japans voneinander ab, bedingt durch unterschiedliche Grade an Staatlichkeit und der damit verbundenen Fähigkeit, der Konkurrenz der europäischen Mächte um kolonialen Besitz zu widerstehen. Während ein intern geschwächtes China bedingungslos unterworfen und fast zerstört wurde, etablierte sich Japan relativ schnell als regionale Macht, die sich selbst aktiv an der Kolonialisierung AsienKolonialisierungAsiens beteiligte und die Anerkennung der europäischen Staaten erwarb.
China | Japan | ||
Ereignisse | |||
weitgehende Selbstisolation | weitgehende Selbstisolation | ||
Widerstand gegen Öffnung des Handels für europäische Mächte | Modernisierung Japans, Abschaffung der Feudalordnung, Iwakura-Mission in USA und Europa 1871–1873Aufgabe Isolationspolitik 1876 | ||
Opiumkrieg 1839–1842 | Niederschlagung Boxeraufstand 1900–1901 | Erster Chinesisch-Japanischer Krieg 1894–1895: Im Frieden von Shimonoseki erhält Japan Taiwan; Korea wird unabhängigRussisch-Japanischer Krieg 1904–1905: Japan erhält Protektorat über Korea und die Süd-Mandschurei | |
ungleiche Verträge | |||
Vertrag von Nanking 1842: Abtretung Hongkongs an GB | Erzwingung des Handels mit USA 1853 | ||
Vertrag von Tianjin 1858: Einheitliche Basis für internationalen Handel | erste Handelsverträge mit westlichen Mächten 1854: Zunächst Konzessionen für zwei Häfen für die USA, dann Verträge mit europäischen Staaten | ||
erstes Büro für Auslandsbeziehungen | |||
Annexionen durch Andere | Annexionen | ||
Nordostchina durch Japan | Korea 1910 | Mandschurei 1931 | |
Korea durch Japan 1910 | Nordostchina | Südostasien 1941 | |
Aufteilung Chinas in Interessensphären | Japan wird selbst Kolonialmacht 1874–1945 |
China und Japan als Kolonisationsobjekte
In SüdostasienKolonialisierungAsien standen mehrere europäische Mächte in Konkurrenz zueinander. Die Niederlande waren bereits seit dem 16. Jahrhundert Kolonialmacht. Frankreich etablierte sich zunächst als Protektoratsmacht über Kambodscha (1863) und weitete seine Herrschaft schrittweise auf Vietnam und Laos aus. Die Niederlande erweiterten in Reaktion auf das französische Vordringen in Südostasien ihr eigenes Kolonialreich über Java hinaus nach Sumatra, Borneo und Celebes (das heutige Sulawesi). Auch Großbritannien zog nach. Von Indien und Myanmar ausgehend besetzte es 1888 Nord-Borneo. Damit war die Kolonialisierung Südostasiens vollendet.
Merke
Territoriale Ausdehnung der Kolonialmächte
Nach dem Wettlauf um Kolonien war Großbritannien mit fast 33,8 Millionen km2 territorial gesehen ein Drittel größer als Russland (22,8 Millionen km2) und drei Mal so groß wie Frankreich (11,1 Millionen km2). Es stellte mit über 440 Millionen Einwohnern knapp mehr als ein Viertel der Weltbevölkerung (vgl. Abbildung 1.3 und 1.4).
Prozentuale Anteile der Kolonialmächte an der Erdoberfläche und der Weltbevölkerung 1914
KolonialbesitzKolonialismus, Ursachen an sich galt lange Zeit selbst unter den Kolonialmächten als nicht besonders lukrativ. Wie konnte sich die Praxis dann so schnell verbreiten? Dafür gibt es drei UrsachenUrsachen des Kolonialismus:
Kolonialer Besitz vermittelte, so Zeitgenossen, das Gefühl nationalstaatlicher Größe. Der britische liberale Politiker Charles Dilke verband damit „das Element der ungeheuren Größe eines Herrschaftsbereichs, das wir in dieser Epoche brauchen, um zu einer großzügigen Denkweise zu kommen“ (zitiert nach Barraclough 1991: 714).
Koloniale Erfolge lenkten von inneren Spannungen der wirtschaftlichen Depression 1873–1896 ab (Jansen/Osterhammel 2013). Dass Kolonialisierung zum Teil angetrieben war durch das Streben nach Prestige und Anerkennung, änderte nichts an ihren Effekten: sie verschärfte den Wettbewerb auch in anderen Bereichen.
Zunehmender Protektionismus unter den europäischen und amerikanischen Staaten verstärkte den Konkurrenzkampf und erzeugte den wirtschaftlichen Druck, weitere Absatzmärkte zu erschließen. Auch das Ziel, weltweit den Freihandel zu verbreiten, verkehrte sich Ende des 19. Jahrhunderts in sein Gegenteil. Mit der tatsächlichen Herrschaftsgewalt über die Kolonien bauten die meisten Kolonialmächte exklusive Handelsbeziehungen zu ihren Kolonien auf, was notwendigerweise zu Lasten der anderen Staaten lief.
Das Ergebnis dieser Kräfte war, dass alle Großmächte auf Eroberungen aus waren und bis auf Österreich-Ungarn auch Kriege führten, um ihre Besitzrechte auf andere Kontinente auszuweiten.
Deutschland und Japan als aufsteigende Mächte
Eine wichtige Antriebskraft in diesem Wettbewerb waren die neuen aufstrebenden Mächte Deutschland, Italien, Japan und die USAfett>Aufstrebende Mächte. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war es immer noch Frankreich, das sich im Wettbewerb um die globale HegemonieHegemonie mit Großbritannien betrachtete. Die nationalstaatliche