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verschoben sich mit der KolonialisierungKolonialisierung die Interessen Großbritanniens dauerhaft auf die Sicherung des britischen Empires, wobei Indien den Grundpfeiler bildete und sich die Beherrschung der Verbindungslinien als wichtigstes strategisches Ziel herauskristallisierte (Barraclough 1991: 717). Die Expansion Großbritanniens in das Mittelmeer, das den strategisch wichtigen Zugang zum Suezkanal und damit die kürzeste Verbindung zu seinem Kolonialreich in Asien sicherte, begründete das britische strategische Interesse am Nahen und Mittleren Osten.

      Großbritanniens Expansion im Mittelmeer

      Großbritannien expandierte vor allem über die Etablierung wichtiger Flottenstützpunkte ins Mittelmeer und schuf dort eine permanente militärische Präsenz. Nach dem spanischen Erbfolgekrieg war Großbritannien im Frieden von Utrecht (1713) Gibraltar zugesprochen worden. Damit erlangte es Kontrolle über die Meerenge zwischen Afrika und Spanien. Im Zuge der Auseinandersetzung mit Frankreich besetzte es 1800 Malta. Im Gegenzug für eine Beistandsgarantie gegenüber dem Osmanischen Reich pachtete es 1878 Zypern. Damit war es in den Besitz einer Reihe strategisch wichtiger Stützpunkte im Mittelmeer gekommen, die einen direkten Weg nach Asien ohne die notwendige Umsegelung Afrikas versprachen: durch den Suezkanal. Dieser war 1856, basierend noch auf Plänen Napoleons, fertiggestellt worden.

      Eine Folge war, dass sich die strategische Bedeutung von Südosteuropa und dem Nahen und Mittleren Osten enorm vergrößerteWachsende Bedeutung des Nahen und Mittleren Ostens für Großbritannien. Die traditionellen Konflikte zwischen Russland und dem Osmanischen Reich fanden nun unter Einmischung Frankreichs und Großbritanniens statt. Das Interesse, den Mittleren Osten als Indiens westliches Vorfeld zu schützen, bewegte die Briten zur Teilnahme am Krim-Krieg (1853–1856) und bestimmte ihre Politik in allen Fragen, die den Suezkanal betrafen (Barraclough 1991: 717).

      Die Bedeutung Indiens für Großbritannien

      Indien war das Kronjuwel des britischen Empires aus verschiedenen Gründen: Seine Bevölkerung – zu diesem Zeitpunkt 150 Millionen Einwohner – stellte einen riesigen Markt für britische Produkte dar. Indien hatte darüber hinaus enorme militärische Bedeutung: Die indische Armee, die aus der Armee der Ostindischen Kompanie und regulären britischen Offizieren gebildet wurde, war nicht nur groß und gut ausgerüstet, sondern sie unterstand auch nicht dem Parlament. Außerdem wurde sie durch die indische Bevölkerung finanziert. Dadurch ergaben sich flexible Einsatzmöglichkeiten. Die Truppen wurden immer wieder außerhalb zur Sicherung der englischen Herrschaft eingesetzt, so im Krieg gegen China, Persien und Afghanistan sowie zur Sicherung Hongkongs und Singapurs (Baumgart 2007: 173f.).

      Damit verbunden war die Herausbildung eines neuen britisch-russischen InteressengegensatzesKonkurrenz zwischen Großbritannien und Russland. Die Expansion Großbritanniens entlang des Golfs von Aden bis nach Indien (über weitere insulare Stützpunkte) und vor allem die Ausweitung seiner Herrschaft im Norden Indiens führte, bei gleichzeitiger Expansion Russlands nach Mittelasien (1867–1873), zu territorialen Konflikten zwischen Großbritannien und Russland und 1877/78 und 1885 zu erheblichen Spannungen an der Nordgrenze Indiens. Wie wichtig der Anspruch auf Indien für Großbritannien war, wird daran deutlich, dass das britische Parlament 1877 Königin Victoria zur Kaiserin von Indien proklamierte und dadurch eindeutig signalisierte, dass Indien für Großbritannien einen besonderen Status hatte. In Südasien entstand ein britisches Kaiserreich mit einer eigenen Interventionskapazität, die im gesamten asiatischen Raum eingesetzt werden konnte.

      Daraus ergaben sich wiederum eine Reihe militärischer Auseinandersetzungen mit den etablierten Mächten Südwestasiens, dem Iran und Afghanistan, auf die sowohl Russland als auch Großbritannien territoriale Ansprüche erhoben. Zwar gelang es Afghanistan und Iran, sich der Kolonisierung sowohl durch Großbritannien als auch durch Russland zu widersetzen, aber beide mussten zum Teil empfindliche Gebietsverluste hinnehmen und wurden zu Objekten fortwährender Auseinandersetzungen.

      Merke

      Die wichtigsten geopolitischen Veränderungen

       Der Wiener Kongress stellte ein Instrument zur Eindämmung Frankreichs dar und etablierte ein kollektives Entscheidungssystem zur Regelung wichtiger Fragen in Europa.

       Er konnte diverse Unabhängigkeits- und Verfassungsbestrebungen aber weder rückgängig machen noch stoppen.

       Die Einigung des Deutschen Reiches und Italiens sowie die territoriale Expansion Großbritanniens und Russlands führten zur Konstitution von drei wichtigen Regionen als Konfliktregionen: Balkan, Naher und Mittlerer Osten, Vorderasien.

       In allen drei Regionen konkurrierten Großmächte (aber auch kleinere Mächte) um Einfluss: Österreich und Russland auf dem Balkan, Großbritannien und Russland im Mittleren Osten, Großbritannien und Russland in Vorderasien.

       Der Wiener KongressWiener Kongress war als Steuerungsinstrument begrenzt: außereuropäische Konflikte waren von seiner Agenda ausgeklammert.

      Der Wettlauf Europas um kolonialen Besitz 1870–1914

      Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts traten alle bedeutenden Mächte in einen Wettbewerb um vorwiegend außereuropäische Kolonien ein (siehe Tafel VI, S. 428–429). Der neue Kolonialismus, auch ImperialismusImperialismus genannt, unterschied sich qualitativ von den Kolonisationsbestrebungen des 16. und 17. Jahrhunderts: Es ging nicht mehr nur um Handelsinteressen oder die Suche nach neuen Siedlungsgebieten, sondern es war ein Konkurrenzkampf der souveränen NationalstaatNationalstaaten, die nationale Stärke und nationales Prestige über ihre außereuropäische Position definierten.

      Der räumliche Pfad, den die KolonialisierungKolonialisierung nahmRäumlicher Pfad der Kolonialisierung, war durch Großbritanniens Expansion in den Mittelmeerraum vorgezeichnet. Die dauerhafte Präsenz Großbritanniens im Mittelmeer rief die Mittelmeeranrainer Frankreich und Italien auf den Plan, die beide – jeweils im Rahmen ihrer eigenen Pläne für eine Dominanz des Mittelmeers – um die Kontrolle der nordafrikanischen Territorien konkurriertenKonkurrenz zwischen Frankreich und Italien. Beide forderten, als Protektoratsstaaten für Tunesien anerkannt zu werden. Großbritannien gewährte daraufhin Frankreich diesen Status (1881), um eine italienische Kontrolle der Meerenge zu verhindern. Damit war der Wettlauf um Kolonien in Afrika eröffnet.

      Die Kolonialisierung AfrikaKolonialisierungAfrikas

      Die europäischen Mächte teilten innerhalb von nur einem Vierteljahrhundert ganz Afrika unter sich auf (siehe Tafel VII, S. 430), verschont blieben zunächst nur langjährige Königreiche wie Ägypten und Abessinien (das heutige Äthiopien). Die Verteilung des Kolonialbesitzes auf historischen Landkarten lässt noch heute die Strategien der KolonialmächteKolonialisierungAfrika erkennen:

      Karikatur des britischen Eroberers Cecil Rhodes von Edward Linley Sambourne, 1892

       Großbritannien: Britisch von Kap bis KairoGroßbritannien als mächtigster Staat wollte in Afrika ein Kolonialreich, „britisch vom Kap bis Kairo“ (vgl. Abbildung 1.1).

       Frankreich verfolgte das Ziel, ein Kolonialreich von West- nach Ostafrika zu errichten („von Dakar zum Golf von Aden“)Frankreich: Von Dakar zum Golf von Aden.

       Portugal versuchte ausgehend von seinen traditionellen Handelsstätten an den Küsten Afrikas, die es im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts errichtet hatte, seinen Kolonialbesitz auszuweiten.

       Demgegenüber waren Belgien, das Deutsche Reich und Italien „Nachzügler“, die deshalb umso vehementer darauf bestanden, ebenfalls in Kolonialbesitz zu kommen.

       Das Deutsche Reich verfolgte das Ziel, einen Landgürtel quer durch Afrika zu schaffen, der im südlichen Afrika gelegen war.

       Belgien


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