Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht. Sylvie Méron-Minuth

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Mehrsprachigkeit im Fremdsprachenunterricht - Sylvie Méron-Minuth


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man die Idee des Plurilinguismus auf den Fremdsprachenunterricht und das Fremdsprachenlernen, so fordert der Europarat folgende Kriterien im Kern zu berücksichtigen, nämlich dass der Fremdsprachenunterricht eine mehrsprachige Erziehung fördern möge, bei der neben dem Fremdsprachenlernprozess auch eine Bewusstmachung über die vielfältige Vernetzung der Kompetenzen entwickelt wird:

      L’éducation plurilingue encourage:

      la prise de conscience du pourquoi et du comment on apprend les langues choisies;

      la prise de conscience de compétences transposables et la capacité à les réutiliser dans l’apprentissage des langues;

      le respect du plurilinguisme d’autrui et la reconnaissance des langues et de leurs variétés, quelle que soit l’image qu’elles ont dans la société;

      le respect des cultures inhérentes aux langues et de l’identité culturelle d’autrui la capacité à percevoir et à assurer le lien entre les langues et les cultures;

      une approche globale intégrée de l’éducation linguistique dans les curricula. (Conseil de l’Europe 2014: politiques; Absatzmarkierungen im Text)

      Denn in der schulischen und sprachlichen Bildung – also im institutionalisierten Kontext – wird das Erlernen von mindestens zwei Fremdsprachen angestrebt, um gegenseitiges, in diesem Fall bilaterales, Verständnis innerhalb europäischer Länder zu gewährleisten. Werden zwei, drei oder noch vier Fremdsprachen – vor allem im Gymnasium – gelernt, so eignet sich der Einzelne aufgrund der vorgängig gelernten Sprachen einen sehr großen Erfahrungsschatz an sprachlichem Wissen, Lernstrategien und Kompetenzen an, auf dem das Lernen weiterer Sprachen (Vorwissen) basiert und ermöglicht wird (vgl. Hu 2011: 234). Kennzeichnend nach Neuner und Hufeisen (2005), 2009 durch Neuner; Hufeisen et alii in Folge auf Wandruszkas Begriffsdefinition erweitert, gilt für das neue Mehrsprachigkeitskonzept, dass:

      „Wenn eine Person mehrere Sprachen lernt, so fängt sie nicht bei null an, sondern ihr vorhandener Sprachbesitz wird durch jede neue Sprache immer mehr erweitert,

      Das Ideal der muttersprachenähnlichen Sprachkompetenz in jeder neu zu erlernenden Sprache nicht erzielt werden muss,

      Das Kompetenzniveau und das Fertigkeitsprofil in den einzelnen, jeweiligen zu erlernenden Sprachen, sehr unterschiedlich sein kann (während man in der einen eine hohe Lesekompetenz entwickeln kann, kann in einer anderen Sprache die mündliche Mitteilungsfähigkeit besonders ausgeprägt sein.“ (Neuner; Hufeisen; Kursiŝa; Marx; Koithan & Erlenwein 2009: 19; Hervorhebungen im Text)

      Das Besondere im „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen“ (Europarat 2001) ist, dass Sprachen und Kulturen nicht getrennt betrachtet werden, sondern gemeinsam die kommunikative Kompetenz des europäischen Bürgers ausmachen, die von ihm wiederum lebenslang (weiter-)entwickelt werden müsste. Mit diesem Grundverständnis vom Sprachenlernen beschäftigt sich die entwickelte Mehrsprachigkeitsdidaktik seit einem guten Jahrzehnt, die im Folgenden einer näheren Betrachtung unterzogen wird.

      Die Diskurse zur Mehrsprachigkeit sind so umfangreich und komplex, dass sie hier nicht vollständig darstellbar sind. Aufgrund dieser Komplexität sei auf meine zentralen Forschungsanliegen dieser Studie verwiesen. Hier stehen die Einstellungen von gymnasialen Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern im Fokus, die in ihren Klassen in unterschiedlichem Maße mit Mehrsprachigkeit konfrontiert sind. Dies kann eine lebensweltliche Mehrsprachigkeit aufgrund von Migration sein, oder aber auch die schulische Mehrsprachigkeit aufgrund der vorgelernten Fremdsprachen. Nicht der Grad der Beherrschung einer dieser Sprachen, die man mit Selinker immer auch als Interlanguage1 bezeichnen kann (vgl. Selinker 1972), ist hierbei interessant, sondern die Einbeziehung oder Nicht-Einbeziehung eben dieser Sprachen durch die Lehrpersonen. Im Übrigen ist die Sprachenfolge am Gymnasium nach dem Hamburger Abkommen von 1964 und 1971 in Paragraph 13 a, b, c geregelt, wonach in der fünften Klasse eine erste lebende Fremdsprache oder Latein und ab der siebten Klasse eine weitere Fremdsprache gelernt werden (KMK 1973: 5).

      Durch die Forderung nach Mehrsprachigkeit der Europäischen Union (L1 + 2) sieht sich auch der Fremdsprachenunterricht mit diesbezüglichen Fragen konfrontiert. Es muss überlegt werden, welche Sprachen in welchem Ausmaß unterrichtet werden sollen, um auf die reale Mehrsprachigkeit der Europäischen Union optimal vorzubereiten (vgl. Nieweler 2001: 207).

      2.5 Aspekte meines eigenen Verständnisses von Mehrsprachigkeit

      Nachdem in den vorausgegangenen Kapiteln (vgl. Kapitel 2.1 bis 2.4) verschiedene Definitionen und Ansätze vor dem Hintergrund bildungspolitischer Texte und fremdsprachendidaktischer Diskurse exponiert und erklärt wurden, ist es nun an dieser Stelle angebracht, meine eigene Definition von Mehrsprachigkeit zu entwickeln.

      Ich betrachte Mehrsprachigkeit nicht als starre Gegebenheit, sondern vielmehr als Kontinuum einer umfassenden, stets im Wechsel begriffenen Situation. Dabei ist es von essenzieller Bedeutung, verschiedene Faktoren wie Gesprächspartner und Kommunikationssituation bei der Beurteilung aktiver Nutzung der Mehrsprachigkeit zu berücksichtigen. Diese Faktoren spielen eine zentrale Rolle, wenn man bei einem einzelnen Individuum oder einer Gruppe die sprachliche Kompetenz bzw. Dominanz einer Sprache feststellen will.

      Resultierend daraus liegt Mehrsprachigkeit (allgemein) dann vor, wenn ein Sprecher über linguistische Fähigkeiten sowie sprachbezogene kommunikative Kompetenzen verfügt, um mit einem Gesprächspartner der Zielsprache im Sinne seiner eigenen Redeabsichten kommunizieren zu können.

      In Anlehnung an Oksaar (1980), Hufeisen (1994) oder noch Lüdi (1996) ist für mich eine Person mehrsprachig, wenn sie in den meisten Alltagssituationen, mühelos und ohne größeren Aufwand, von der einen Sprache in die andere Sprache umschalten kann – ob sich diese Person zweier oder mehrerer Sprachvarietäten bedient (vgl. z.B. Lüdi 1996) –, sofern dies die Umstände erfordern. Der Grad der Sprachbeherrschung sowie die Eloquenz des Gesprächsaktes können dabei je nach Situation oder angesprochenen Themen unterschiedlich sein und verschiedene Kompetenzniveaus aufweisen (vgl. Oksaar 1980: 43); die ist nicht entscheidend. Vielmehr ist es entscheidend – so Hufeisen (1994) –, dass eine funktionale sprachliche Kompetenz in den beiden verwendeten Sprachen besteht. Im Übrigen gilt für mein Verständnis jeglicher Art von Fremdsprachenkompetenzen die Interlanguage-Hypothese Selinkers.

      Ich vertrete weiterhin die Ansicht, dass Mehrsprachigkeit nicht nur ungesteuert (ob simultan oder sukzessiv), im natürlichen, sozialen Umfeld erworben werden kann, sondern dass die Institution Schule durch ihren gesteuerten Fremdsprachenunterricht durchaus künftige mehrsprachige Sprecherinnen und Sprecher ausbilden kann, indem sie das Fundament für lebenslanges (Sprach-)Lernen aufbaut. Hier setzen das Forschungsinteresse und der angestrebte Erkenntnisgewinn der vorliegenden Studie an.

      2.6 Mehrsprachigkeitsdidaktik

      2.6.1 Begriffsklärung

      In unserem Zeitalter der zunehmenden internationalen Verflechtung von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, des Zusammenwachsens Europas und der wachsenden Migrationsbewegungen der letzten Jahre haben sich die Anforderungen an die heutige Lernwelt grundlegend verändert (vgl. auch Kapitel 2.1). Nicht nur die sprachliche Heterogenität in der Gesellschaft allgemein, sondern vor allem auch die sprachliche und kulturelle Vielfalt in den Klassenzimmern ist aktueller denn je (vgl. Meißner & Reinfried 1998: 9). Diese Vielfalt kann nicht gesondert voneinander betrachtet werden, sondern zusammen betrachtet bildet sie vielmehr die kommunikative Kompetenz des europäischen Bürgers, die gleichzeitig zum lebenslangen Lernprozess, der über die Institution Schule als Lernort hinausgeht, gewinnbringend ausgebaut werden kann (vgl. Wiater 2006: 57f.). Unter diesen Prämissen ändern sich die Anforderungen an den Fremdsprachenunterricht entscheidend, denn die Sprachenvielfalt unserer modernen Gesellschaften und damit verbunden die latent vorhandene, lebensweltliche Mehrsprachigkeit der Lernenden (mit Migrationshintergrund) repräsentiert ein Potenzial für das Sprachenlernen. Neue Anforderungen an den Fremdsprachenunterricht meinen somit einerseits die Frage nach dem konkreten Umgang mit zwei- bzw. mehrsprachigen Schülerinnen und Schülern, und andererseits wie einsprachige Lernende an Mehrsprachigkeit herangeführt werden können, damit sie sich in


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