Fremdsprachenunterricht in Geschichte und Gegenwart. Группа авторов

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      2 Französischunterricht im 19. Jahrhundert

      Das Erlernen des Französischen als Fremdsprache vollzieht sich in Deutschland in mehreren Etappen. Erste Belege für Materialien zum Lehren und Lernen von Französisch stammen vom Ende des 15. Jahrhunderts (vgl. Abendroth-Timmer 2017, 492). Die Institutionalisierung des Französischunterrichts setzt im 16. Jahrhundert ein (vgl. Christ 1983, 95; Kuhfuß 2014) und ist im 17. Jahrhundert durch den Einfluss der französischen Klassik und des bon usage geprägt. Französisch wird in Ritterakademien, Bürgerschulen und Gymnasien unterrichtet, entwickelt sich zur wichtigsten Fremdsprache und wird als Sprache der Diplomaten, im Handel und im Bankwesen genutzt (vgl. Reinfried 2014, 258). Im 18. Jahrhundert bildet Französisch nicht nur die Sprache des europäischen Adels, sondern wird auch in der aufstrebenden Mittelschicht erlernt. Am Ende des Jahrhunderts ist „Französisch in der Regel in allen deutschen Ländern Gegenstand des Gymnasialunterrichts“ (Christ 1983, 97). Diese Ausweitung erfährt einen Bruch durch die sich ändernden politischen Verhältnisse, d. h. durch Restauration, Widerstand gegen die Ideen der Französischen Revolution und vor allem gegen Napoleon. Im Lauf des 19. Jahrhunderts erfolgt jedoch erneut eine Ausweitung des Lernens von Französisch auf andere Bevölkerungsschichten und die Etablierung als Unterrichtsfach in den höheren Schulen (vgl. Reinfried 2014; Willems 2013, 17 ff.).

      Deutschland ist in diesem Jahrhundert noch kein in sich geschlossener Nationalstaat, sondern besteht aus einzelnen Staaten, darunter vor allem aus den Königreichen Preußen und Bayern sowie etlichen kleineren Staaten mit jeweils eigenen Bildungssystemen. In diesen Zeitraum fallen u. a. die Entwicklung des staatlichen preußischen Schulsystems, die Ausdifferenzierung gymnasialer Schultypen verschiedener Ausprägung neben den Lateinschulen und die Ausweitung des Bildungssystems auf breite Bevölkerungsschichten (vgl. Willems 2013, 44 ff.). Das dominierende Bildungsverständnis in der Tradition Humboldts impliziert einen starken Fokus auf Latein und Griechisch, während Französisch zunächst den Rang eines Wahlfachs einnimmt und in den 1830er Jahren in Preußen zu einem zweistündigen Pflichtfach entwickelt wird (vgl. Christ 1983, 99).

      Fächer wie Englisch und Französisch nehmen in den neben den Gymnasien bestehenden Realklassen einen größeren Stellenwert ein als Latein und Griechisch. In den 1860er Jahren erfolgt eine Ausweitung der Stundentafel für Französisch dahingehend, dass die Sprache mit einer Gesamtwochenstundenzahl von 27 am Gymnasium und von 34 an der Realschule unterrichtet wird. Im Vergleich dazu liegt die Gesamtwochenstundenzahl für Latein am Gymnasium bei 86 (vgl. Willems 2013, 49). 1882 erfolgt schließlich eine Reform des höheren preußischen Schulwesens, die zur Anerkennung der lateinlosen höheren Schulen als gleichberechtigt neben den Gymnasien führt (vgl. Christ 1983, 99). Die modernen Fremdsprachen müssen sich in ihrem Stellenwert im 19. Jahrhundert an den alten Sprachen messen, denn Latein und Griechisch gelten als das Herz der Vermittlung von Bildung und wirken sich damit auch auf Französisch und Englisch aus. Dies zeigt sich auch am Ringen um verschiedene Methoden, d. h. um verschiedene Ansätze und etliche Mischformen.

      So lassen sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts mehrere Methoden unterscheiden (vgl. Reinfried 1999, 3). Dazu gehört zunächst die Grammatik-Übersetzungs-Methode, wie sie u. a. in den Grammatiken von Johann Valentin Meidinger (1792) und Carl Ploetz (1887) vertreten wird. Diese Methode ist gekennzeichnet durch deduktive Grammatikvermittlung und Präsentation von Vokabeln sowie durch anschließende Übersetzungsübungen vom Französischen ins Deutsche und umgekehrt in jeweils einzelnen, unabhängig voneinander bestehenden Sätzen.

      Daneben besteht die holistisch angelegte analytische Interlinearmethode nach Hamilton und Jacotot (Pfau 1844) auf der Basis eines eher intuitiven Spracherwerbs und unter Nutzung authentischer Texte. Ausgehend von einem Text in der Fremdsprache und seiner zwischen den Zeilen abgedruckten Übersetzung sollen Lernende Bedeutung und grammatischen Gehalt erschließen und erklären. Im Anschluss erfolgen Kompositionen, in denen sie in Übungen zum Schreiben in der Fremdsprache ihre Kenntnisse eigenständig umsetzen (vgl. Klippel 1994, 221 ff.).

      Auch das Prinzip der Anschauung wird in den Französischunterricht hineingetragen. Ausgehend von Überlegungen des französischen Methodikers François Gouin wird Sprachenlernen durch sprachliches und physisches Handeln sowie sprachliche Lautgestaltung und sinnlich Erfahrbares praktiziert (vgl. Christ 1983, 106). Damit deuten sich hier bereits Ansatzpunkte zur Direkten Methode an.

      Während die Grammatik-Übersetzungs-Methode vor allem an Gymnasien, Realgymnasien und Oberrealschulen dominiert, wird in Realschulen und Töchterschulen eher der Ansatz der Direkten Methode vertreten (vgl. Doff 2002), die durch Einsatz konkreter Gegenstände aus dem Zielsprachenland und durch Bildmaterial anschauliche und praktische Dimensionen in den Französischunterricht hineinträgt (vgl. zur Anschauungsmethode auch Reinfried 1992, 87 ff.). Anstelle eines grammatischen Regelwissens und metasprachlicher Abstraktion geht es um einsprachige Vermittlung mit dem Ziel der Anwendung der Sprache in konkreten Kontexten (vgl. Reinfried 1999, 3). So prägt die neusprachliche Reformbewegung vor allem die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts und votiert massiv für praktische Sprachbeherrschung und mündliche Beteiligung der Schüler anstelle metasprachlichen Wissens.

      3 Fremdsprachenlehrer und ihre Methoden

      Die Entwicklung des Französischunterrichts im 19. Jahrhundert steht in engem Zusammenhang mit denjenigen, die diesen Unterricht nun erteilen, mit ihrem Selbstverständnis, ihrer Ausbildung und ihren Sprachkenntnissen. So vollzieht sich eine grundlegende Veränderung vom Sprachmeister zu Beginn des Jahrhunderts hin zum Neuphilologen an dessen Ende (Christ 2005).

      Ein Sprachmeister durchläuft noch keine spezifische Ausbildung für den Beruf als Lehrer, verfügt über eine sehr individuelle Spracherwerbsbiographie und manifestiert seine eigene Methodik in zahlreichen Publikationen – Grammatiken, Lehrbüchern, autobiographischen Texten (vgl. Christ 2005, 3 f.). Die Sprachmeister weisen durchaus heterogene Biografien auf, z. B. als Bewohner aus Grenzregionen und insofern in zwei Sprachen und Kulturen sozialisiert, als verarmte Handwerker, umfassend gebildete Professoren, Abenteurer oder französische Protestanten im Exil (vgl. Suso Lopez/Universidad de Granada 2005, 3; Glück et al. 2013, 137 ff.). Sie sind damit häufig nicht Deutsche und verfügen über recht hohe sprachliche Kompetenzen.

      In der Mitte des Jahrhunderts durchläuft ein Französischlehrer bereits eine umfangreichere Ausbildung, zu der ein zu dieser Zeit übliches Abitur und ein noch nicht konkret auf sein Fach bezogenes und breit angelegtes Studium gehören. Diese Entwicklung steht in Zusammenhang mit der Einführung eines verpflichtenden Universitätsstudiums für die Lehrer an höheren Bildungsanstalten, so z. B. in der preußischen Prüfungsordnung von 1831 (vgl. Christ 1983, 112). Die angehenden Gymnasiallehrer werden noch nicht nach einem Fachlehrerprinzip in ihren Fächern ausgebildet, sondern müssen einem humanistischen Bildungsverständnis zufolge verschiedene Fächer studieren, so u. a. Latein, Geschichte, Geographie, Mathematik, Philosophie und eben auch Französisch.

      In den folgenden Jahrzehnten werden die fächerspezifischen Spezialisierungen ausgebaut, die modernen Fremdsprachen in die Prüfungsordnungen aufgenommen und die Prüfungskommissionen entsprechend ausgerichtet. Damit entwickelt sich das Berufsprofil gegen Ende des Jahrhunderts hin zu einem für sein Fach ausgebildeten Neuphilologen mit einer universitären Ausbildung und einem Selbstverständnis, das stärker auf – in diesem Fall – Französisch bzw. die Romanistik bezogen ist (vgl. Christ 2005, 3 f.). Mit der Ausbildung an den Universitäten auch für Französisch und der Etablierung der Neuphilologien kann eine fachbezogene Ausbildung realisiert werden (vgl. Willems 2013, 47). In diesem Zusammenhang erklären sich zunächst auch geringere Sprachkompetenzen der wissenschaftlich ausgebildeten Romanisten im Vergleich zu den Sprachmeistern, ihr Interesse an der Praktizierung der Grammatik-Übersetzungs-Methode und ihre Ablehnung der Direkten Methode.

      Ein Charakteristikum derjenigen, die in diesem Jahrhundert Französisch unterrichten, ist ihre vergleichsweise hohe und intensive Publikationstätigkeit. Anders als es unter Französischlehrkräften der Gegenwart üblich ist, verfassen die Lehrer des 19. Jahrhunderts ihre eigenen Französischmethoden und Grammatiken und manifestieren darin ihr eigenes Verständnis vom Lehren und Lernen dieser Sprache. Einige der Lehrbücher und Grammatiken erfahren eine große Resonanz (z. B. Ploetz 1887), andere


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