Fremdsprachenunterricht in Geschichte und Gegenwart. Группа авторов

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Fremdsprachenunterricht in Geschichte und Gegenwart - Группа авторов


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der Vergangenheitstempora macht Unterschiede zu Grammatiken der Gegenwart deutlich. Während heute üblicherweise der Unterschied in der Verwendung des passé composé und des imparfait thematisiert wird, im fortgeschrittenen Französischunterricht das passé composé und das passé simple in ihrer Funktion praktisch gleichgesetzt werden und lediglich in der Anwendung, d. h. das passé simple als literarische Schriftsprache und das passé composé als übliche Vergangenheitssprache, Unterschiede benannt werden, erklärt Friedrich Gottlieb Deutsch die Unterschiede zwischen den drei Vergangenheitszeiten auf anderer Ebene:

      (ebd., 93)

      Im sich anschließenden Paragraphen wird die Unterscheidung zwischen imparfait und passé simple erklärt und als „das Descriptiv“ und „das Narrativ“ bezeichnet (ebd., 95). Unterscheidungen zwischen mündlichem und schriftlichem Gebrauch des passé composé und des passé simple werden nicht erwähnt, so dass an dieser Stelle ein deutlicher Unterschied zu aktuellen Grammatiken sichtbar wird.

      Die Besonderheit dieser Grammatik besteht jedoch vor allem in dem angebotenen Sprachvergleich, der als ein früher Vorläufer einer Berücksichtigung der Mehrsprachigkeit gelten kann, selbst wenn aktuelle Überlegungen einer Didaktik der Mehrsprachigkeit (vgl. Meißner/Reinfried 1998) oder eines Verständnisses von English als Gateway to Languages (Schröder 2009) kaum umgesetzt werden. So finden sich keine expliziten Hinweise auf bestehende Parallelen zwischen den romanischen Sprachen, auf Transferbasen, Inferenzen oder Interferenzen. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Italienisch und Französisch lassen sich lediglich individuell aus den Beispielsätzen schlussfolgern.

      Der Bezug auf Französisch und Italienisch ist jedoch für diese Grammatik konstitutiv und stellt fast ein Alleinstellungsmerkmal im Gefüge der Schulgrammatiken des 19. Jahrhunderts dar. So lassen sich die Grammatiken nach verschiedenen Sprachbetrachtungsmodellen unterscheiden, die in der Regel miteinander vermischt vorliegen.

      Helmut Niederländer (1981, 182 ff.) nennt systemgrammatische, historische, logische, ästhetisch-stilistische, psychologische, vergleichende oder deskriptive Betrachtungsweisen oder auch ein Verständnis von Sprache als Beziehungslehre. So habe es zwischen 1880 und 1910 Ansätze in der Entwicklung der französischen Schulgrammatik gegeben, in denen Vergleiche zwischen den indogermanischen Sprachen eine gewisse Rolle gespielt hätten. Kontrastive oder komparative Vergleiche hätten sich jedoch letztlich primär auf Latein und Griechisch in einer synchronen Perspektive und noch mehr auf einen Vergleich mit der Muttersprache in einer diachronen Perspektive bezogen, um Interferenzen zu vermeiden (vgl. Niederländer 1981, 185).

      Vor diesem Hintergrund hebt sich die Internationale Grammatik deutlich und grundsätzlich von den üblichen Schulgrammatiken ab. Hier werden zwei romanische Sprachen – das Französische und das Italienische – gleichgewichtet nebeneinandergestellt und die damit einhergehende Optimierung von Lernprozessen hervorgehoben.

      5 Zwischen Grammatik-Übersetzungs-Methode und Mehrsprachigkeit — Fremdsprachenunterricht im 19. Jahrhundert zwischen Tradition und Innovation

      Dass der Fremdsprachenunterricht des 19. Jahrhunderts maßgeblich durch die oben genannten Methoden, insbesondere durch die Grammatik-Übersetzungs-Methode und durch die Direkte Methode geprägt war, ist in der Forschung heute unumstritten. Doch wie steht es um die Mehrsprachigkeitsdidaktik?

      Fritz Abel (2005, 162 f.) stellt für Grammatiken in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, d. h. in den in ihnen angeführten Beispielen, landeskundliches Desinteresse an Frankreich und der frankophonen Welt, einen starken Fokus auf die Antike, das Fehlen eines pragmatischen Zielbewusstseins und die Intention einer moralischen Erziehung vor allem im Geist des Christentums fest. In den von ihm untersuchten Grammatiken kann er jedoch keine Bezüge zur Mehrsprachigkeitsdidaktik erkennen:

      Weder wird in nennenswertem Ausmaß die Chance zur gegenseitigen Stützung des Unterrichts verschiedener Sprachen genutzt, indem Beispiele aus anderen Sprachen angeführt werden, noch wird durch Beispiele aus den Schülern unbekannten Sprachen wie dem Italienischen und Spanischen der motivierende Beleg dafür geliefert, dass, wer eine romanische Sprache lernt, sich immer zugleich auch eine gewisse Kompetenz in anderen romanischen Sprachen aneignet. (Abel 2005, 170 f.)

      In dieser Hinsicht stellt die hier vorgestellte Internationale Grammatik (Deutsch 1871) eine bemerkenswerte Ausnahme dar. Ihr Verbreitungsgrad lässt sich nicht mit dem der Grammatik eines Karl Ploetz (1887) vergleichen, da beide Grammatiken Friedrich Gottlieb Deutschs (1871, 1875) nur in einer einzigen Auflage erschienen. Zwar stellt diese Grammatik keinen Einzelfall dar, jedoch bilden mehrsprachige Lehrmaterialien eher eine seltene Ausnahme (Rius Dalmau 2009). Im europäischen Kontext erscheinen dennoch immer wieder mehrsprachige Materialien, wie die in Paris erschienene mehrsprachige Grammatik von Simon Jost (1840) beispielhaft deutlich macht, in der Englisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch, Französisch und Hebräisch gemeinsam thematisiert werden.

      Auch in den Niederlanden finden sich etliche Beispiele der Vermittlung mehrerer Sprachen und in der Folge mehrsprachiger Lehrmaterialien. Hier werden 1863 die Sprachen Französisch, Englisch und Deutsch als obligatorische Fremdsprachen im Sekundarschulwesen festgelegt. Neben mehrsprachigen Lehrkräften gibt es auch einige Belege für eine Didaktik der Mehrsprachigkeit, die sich aus der gesellschaftspolitischen Situation des Landes erklärt. Die mehrsprachigen Lehrgänge zielen auf schulische Kontexte und darüber hinaus auf Handelsreisende. Diese utilitaristische Zielsetzung visiert konkrete Sprachkontakte in den Zielsprachen an und ist damit methodisch-didaktisch an Mündlichkeit, Aussprache und Konversation interessiert (Kok Escalle 2009).

      Friedrich Gottlieb Deutsch publiziert seine Internationale Grammatik zunächst 1871 in Zürich und somit in der Schweiz; eben auch in einem Land, in dem Mehrsprachigkeit eine größere Rolle spielt als in Deutschland. Die zweite Publikation seiner Grammatik erfolgt jedoch nur wenige Jahre später in Berlin, so dass auch hier ein Zielpublikum bzw. eine anvisierte Käufergruppe bestanden haben muss. Französisch bildet in der Tat eine im Schulwesen etablierte Fremdsprache und Italienisch wird zumindest auf freiwilliger Ebene ebenfalls angeboten.

      Vergleicht man die mehrsprachigen Grammatiken des 19. Jahrhunderts mit denen des 20. Jahrhunderts, dann fällt auf, dass die Anzahl der mehrsprachigen Grammatiken der Gegenwart die der Vergangenheit keineswegs überschreitet. Im Gegenteil. Trotz aller Plädoyers für Mehrsprachigkeit und aller Ansätze der Mehrsprachigkeitsdidaktik resultieren daraus bis heute keine zahlreichen konkreten Umsetzungen in den Lehrmaterialien der Schulbuchverlage. Zwar finden sich in Lerngrammatiken heute vereinzelte Verweise auf andere Sprachen, doch gibt es in Deutschland aktuell nur eine einzige Grammatik, die sich explizit und konsequent als mehrsprachig versteht und die neben Spanisch Verweise auf Französisch und Englisch enthält (Dorn/Navarro González/Strathmann 2015). Im Blick auf methodisch-didaktische Schwerpunkte fallen einige Unterschiede zu der Internationalen Grammatik (Deutsch 1871) auf: Neben einem deutlich ansprechenderen Layout und größerer Lesbarkeit durch Übersichtlichkeit zeichnet sich die mehrsprachige Spanischgrammatik der Gegenwart durch direkte Ansprache der Lernenden, durch altersangemessene erklärende Passagen und vor allem durch situative Einbettungen der konkreten Beispiele aus. Während Friedrich Gottlieb Deutsch 1871 vorwiegend entkontextualisierte Einzelsätze anführt, die inhaltlich nicht aufeinander bezogen sind und damit auf das Verständnis erleichternde Aspekte verzichtet, nutzt die Spanischgrammatik (Dorn/Navarro González/Strathmann 2015) konsequent aufeinander bezogene Sätze und Kontexte.

      6 Ausblick

      Die Geschichte des Französischunterrichts des 19. Jahrhunderts ist trotz der zahlreichen oben angeführten Publikationen noch nicht abschließend erforscht. Der genauere Blick auf die Entwicklungen, auf Lehrmaterialien, methodisch-didaktische Schwerpunkte und Zielsetzungen eröffnet ein facettenreiches Bild, das trotz aller zeitlichen Distanz auf langfristige Auswirkungen bis in die Gegenwart verweist. Daher erscheint es begründet, diesem Bild weitere Puzzleteilchen hinzuzufügen, um zu einem differenzierten Wissen über den Fremdsprachenunterricht und über didaktische Entwicklungen des 19. Jahrhunderts


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