Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder
Читать онлайн книгу.an, es ist wahr; bringt aber auch die wohltätigsten Früchte hervor. Er gleicht dem Elemente des Feuers. Es ist nichts, was den Menschen so zur Vollkommenheit treibt, deren er fähig ist. Das goldne Jahrhundert der Griechen kam nach den Schlachten gegen die Perser. Das goldne Jahrhundert der Römer war mitten unter ihren Bürgerkriegen, und ihr Geist fing an zu erschlaffen bei dem langen Frieden unter Augusten. Florenz ragt in den neuern Zeiten hervor bei innerlichem Tumult und Aufruhr.
Die höchste Weisheit der Schöpfung ist vielleicht, daß alles in der Natur seine Feinde hat; dies regt das Leben auf! Sterben ist nur ein scheinbares Aufhören und kömmt beim Ganzen wenig in Betrachtung. Alles, was atmet, und wenn es auch Nestor wird, ist ohnedies in einer kurzen Reihe von Tagen nicht mehr dasselbe.
Ruh und Friede ist ein herrlicher Stand, zu genießen und sich zu sammeln; aber der Mensch, ohne gereizt zu werden, träge, versinkt dabei in Untätigkeit. Besser, daß immer etwas da ist, das ihn aus seinem Schlummer weckt. Wir sollen einander bekriegen, weil kein höher Geschöpf es kann.
Was das ganze menschliche Geschlecht betrifft, durch Meere und Gebirge und Klima, durch Sitten und Sprachen abgesondert, welcher Kopf will es in Ordnung bringen? Die Natur scheint ewig wie ein Kind in das Mannigfaltige verliebt und will zu jeder Zeit deswegen rund um die Erdkugel Skythen, Perser, Athen und Sparta.
Das besondre Geheimnis unsrer Staatsverfassung, welches nur denen anvertraut ward, die sich durch Heldentaten und großen Verstand ausgezeichnet hatten, bestand darin: der ganzen Regierung der Türken in diesem heitern Klima ein Ende zu machen und die Menschheit wieder zu ihrer Würde zu erheben. Doch vereitelte dies nach seligem Zeitraum das unerbittliche Schicksal.
Fußnote
1Es würde allzu weitläuftig sein, die hier berührten Punkte der venezianischen Geschichte im Zusammenhange zu erzählen; wer sie noch nicht wissen sollte, kann leicht anderswo davon Nachricht finden.
2Man stoße sich nicht an diesen jugendlichen Ausfällen auf die römischen und florentinischen Schulen; in der Folge wird sich alles deutlicher entwickeln. Inzwischen liegt schon Wahres hier zum Grunde. Es ging dem jungen Mann wie allen, die in zu strenger Lehre standen: sobald sie in Freiheit kommen, verabscheuen sie das Joch. Allein treffliche Naturen bequemen sich nach und nach wieder zu dem Guten, was es mit sich brachte.
3Sirmio, Augapfel aller Halbinseln und Inseln, die der Gott der Wasserwelt in süßen Seen und dem ungeheuren Meer umfaßt.
4 Du wirst sagen, daß jene Menschen, diese Götter erbaut haben.
5In der Folge wird man den Begriff von Schönheit allgemeiner und richtiger und nicht mehr so jugendlich sinnlich finden.
6Bei unsern teutschen Übersetzungen ist dies jedoch der Fall nicht; und wir haben recht, einzelne Namen zum Beispiel so echt altgriechisch dem Laute nach zu übertragen, als wir zu bestimmen imstande sind. Der Laut η wird inzwischen immer schwer mit einem Zeichen vollkommen richtig zu bestimmen sein, da ihn wahrscheinlich schon die Alten verschieden aussprachen; nämlich nachdem die zwei Vokalen waren, die er ausdrückte. Die neuern Griechen machten es nach und nach damit wie die Engländer mit ihrem ee und ea und ergriffen endlich noch eine festere Partie. Auch ist der Übergang von ee und ea in i den Sprachorganen leichter und natürlicher, als es auf dem Papiere aussieht.
7Fu amata dal Cosmo suo padre, di maniera, che era voce per la città, che egli avesse commercio carnale seco, sagt eine florentinische Handschrift aus der damaligen Zeit hierüber.
8Man erinnere sich hier, daß Poesie in Italien so gemein war und noch ist, daß Handwerksleute Homerische Fabel und Mythologie kennen.
9Mare senza pesce, donne senza vergogna, Uomini senza fede; hat vermutlich seinen Ursprung aus Venedig, der natürlichen Feindin von Genua.
10Bianca war die Tochter eines venezianischen Edelmanns, Bartolomeo Capello. Dessen Palast gegenüber hatte das Haus Salviati zu Florenz eine Bank und darin zum Kassierer den Pietro Bonaventuri. Dieser verliebte sich in ihre aufblühende Schönheit, selbst jung und wohlgebildet, und klug und kühn, obgleich unter ihrem Stand und ohne Vermögen. Sie glaubte, er selbst habe Anteil an der Bank, und gab seiner Leidenschaft unter Versprechung der Ehe Gehör, schlich sich oft des Nachts zu ihm und kehrte vor Anbruch des Morgens wieder zurück. Einst, da sie auch die Tür von ihrem Hause angelehnt hatte, kam, wie damals in Venedig gewöhnlich, früh der Bäcker an die Fenster, um den Mägden zu sagen, daß der Backofen für den Brotteig geheizt wäre, und zog die Tür zu, in der Meinung, es sei gestern nachts vernachlässigt worden.
11Epicharmos; »Traue nicht!« sagt er, »dies ist alles Gelenk der Klugheit.«
12Platonici artifices disserendi, non interpretes naturae aut doctores sapientiae, war damals die Meinung.
13 Vielleicht sprach Poussin bei dieser Gelegenheit das folglich höchst einseitige Urteil aus, daß Raffael gegen die Antiken ein Esel wäre; denn was möchte er sonst selbst sein?
14Hieron beim Xenophon spricht darüber anders aus Erfahrung.
15Kyropädie, 8. B., 8. K.
16 Die Seiten sind hier und überall immer nach dem Bilde genommen.
17Poussin hat es auch oft genug kopiert.
18Nebst einigen Überbleibseln in Griechenland, die damals noch nicht bekannt waren.
19Religion selbst kömmt nach dem Cicero her von relegere, dem fleißigen Lesen dessen, was über den Götterdienst war festgesetzt worden. Die dies taten, hießen religiosi.
20Sieh eben seinen Kratylos.
21Das System des Preußen Kopernikus wurde am spätesten im Kirchenstaate angenommen, und Galilei war zu dieser Zeit kaum geboren. Man kann das Folgende für eine Prophezeiung auf ihn halten.
22Ich habe dieses jugendliche Gespräch, eine Streiferei in die Metaphysik damaliger Zeit, wo Aristoteles noch auf dem Throne saß, des Zusammenhanges wegen nicht ausgelassen. Wohl uns, wenn wir ein paar Jahrhunderte höher stehen! Ein Barbar aus Pommern, einer von der Themse hätte schon den tiefsinnigsten Griechen viel vergeblichen Kopfbrechens ersparen können.
23Auch einige Alten hatten diese Idee: vom Licht käme das Auge, von der Luft das Ohr her, vom Wasser Geruch und Geschmack und von der Erde das Gefühl.
24Im Griechischen, was hier im Original gebraucht wird, von schwimmen.
25Über Pro und Contra in diesen Dingen sind wir jetzt durch gründlich denkende Männer, die es sich zum Hauptgeschäfte machten, besser im klaren. Demetri hat die Idee des Xenophanes (damals in Rom, wie es scheint, noch ziemlich unbekannt), die schon längst vor diesem da war und in den neuern Zeiten (nach dem Cartesianischen Beweise) in Europa, mit bewunderten Systemen darüber, allgemein angenommen wird, auf seine Art behandelt. Ich wollte nichts daran umändern und den ersten rohen Entwurf lassen, weil es immer wenigstens ein künstlerisches Vergnügen macht, auch des Geringsten eignen Gang wahrzunehmen.
26 Das Intelligibile, wie Leibniz in seiner Verteidigung der Dreieinigkeit, per nova reperta logica, sagt; so wie Gott der Vater das Intellectivum und der Heilige Geist, der von beiden ausgeht, die Intellectio.
27Syme ist das Vaterland der Untertaucher in der Levante, eine kleine Insel mit einer Stadt bei Rhodi, dem großen Magazin der türkischen Seemacht. Niemand erhält das Bürgerrecht, ohne vorher Beweise seiner Geschicklichkeit im Untertauchen gegeben zu haben. Hernach werden sie in die Häfen weit und breit herum verschrieben und untertauchen. Gleichsam Akademien und Hallen von Metaphysikern; nur daß sie bei ihrer auch gefährlichen Kunst glücklicher sind und öfter Verlornes ergründen und fest packen als Plato und Leibniz.
28Eine gleichzeitige handschriftliche Chronik meldet dabei, jeder habe gesagt: che bisognava aver rimediato prima, che il padre, e il Granduca Francesco, il Cardinale, &