Toxikologie für alle. Helmut Greim

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Toxikologie für alle - Helmut Greim


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der Toxikologie. Er besagt, dass Wirkungen und ihre Intensität abhängig von der Dosis sind, und dass mit toxischen Wirkungen nur dann zu rechnen ist, wenn die Chemikalien oder ihre Umsetzungsprodukte im Körper in ausreichender Menge und über einen ausreichenden Zeitraum in den für die Toxizität empfindlichen Zielorganen vorliegen. So ist ein Tropfen Bier sicherlich ohne Wirkung, während nach einem Liter durchaus mit einer Wirkung zu rechnen ist. Um dies beurteilen zu können, müssen die folgenden Informationen vorliegen:

       • die toxischen Wirkungen und die zugrunde liegenden Mechanismen (gefährliche Stoffeigenschaften, engl. hazard identification),

       • der Expositionsweg, über den die Chemikalie in den Körper gelangt,

       • die Toxikokinetik, d. h. die Aufnahme, Verteilung, Ausscheidung und mögliche Umformungen im Stoffwechsel,

       • die Dosis-Wirkungs-Beziehung,

       • die Konzentrationen in Luft, Wasser, Nahrungsmitteln, Gebrauchsgegenständen,

       • die Empfindlichkeit der exponierten Personen.

       • Dosis-Wirkungs-Beziehung mit der Information, bei welcher Expositionshöhe die Wirkungen auftreten bzw. nicht vorhanden sind.

       • Expositionsabschätzung, d. h. Konzentration des Stoffes in den Expositionswegen wie Luft, Trinkwasser oder Nahrungsmitteln (äußere Exposition) und die dadurch aufgenommene Menge einer Chemikalie (innere Exposition), die durch Nachweis ihrer Konzentrationen im Blut oder Urin weiter abgesichert werden kann.

       • Risikobeschreibung, bei der die Informationen über die gefährlichen Stoffeigenschaften, die Dosis-Wirkungs-Beziehung und die Expositionshöhe in Beziehung gesetzt werden, auch unter Berücksichtigung empfindlicher Personengruppen (engl. risk assessment).

       • Ableitung von Vorsorgemaßnahmen wie Festsetzung von Grenzwerten.

      Die genannten Punkte werden im Folgenden näher erläutert. In Teil C, Tab. 25.1 sind die wichtigsten Institutionen aufgelistet, die sich mit der Bewertung von Chemikalien befassen, toxikologische Informationen zusammengestellt und veröffentlicht haben, die damit allgemein verfügbar sind.

      1

      Toxische Wirkungen (gefährliche Stoffeigenschaften)

      Abhängig von Reaktivität, Löslichkeit, Verweildauer im Körper und Ausscheidung können Chemikalien oder ihre Metaboliten (Abbauprodukte im Organismus) eine Vielzahl toxischer Wirkungen auslösen. Lokale Wirkungen wie Haut- oder Schleimhautreizung sind zu erwarten, wenn eine reizende Substanz, z. B. eine Säure, mit der Haut oder der Schleimhaut des Auges, des Magen-Darm-Traktes oder der Atemwege in Kontakt kommt. Viele Stoffe wirken jedoch systemisch, das bedeutet, erst nach der Aufnahme in den Organismus (Resorption), wenn sie aus dem Magen-Darm-Trakt, aus der Atemluft oder durch die Haut in den Körper gelangen, sich im Körper verteilen und damit das Zielorgan der toxischen Wirkung erreichen.

      Unabhängig von der Anwendung oder dem Vorkommen eines Stoffes sind für die Ermittlung der gefährlichen Stoffeigenschaften (engl. hazard) möglichst viele der aufgelisteten Informationen aus Erfahrungen beim Menschen, aus Tierversuchen oder aus In-vitro-Daten (Untersuchungen im Reagenzglas) erforderlich. Diese sind:

       akute, subchronische und chronische Toxizität, also Toxizität nach ein- oder mehrmaliger Exposition,

       Haut- und Schleimhautreizung und Fototoxizität,

       Sensibilisierung und Fotosensibilisierung,

       Genotoxizität (in vitro und in vivo),

       Kanzerogenität,

       Reproduktionstoxizität,

       Toxikokinetik: Aufnahme, Verteilung, Verstoffwechslung und Ausscheidung,

       Wirkungsmechanismen.

      Für die meisten der dafür notwendigen Untersuchungen gibt es Empfehlungen für deren Durchführung, wie sie z. B. in den OECD-Guidelines festgelegt sind (siehe https://www.oecd.org/env/ehs/testing/oecdguidelinesforthetestingofchemicals.htm). Damit wird erreicht, dass die Studien die erforderliche Qualität haben und auch miteinander verglichen werden können.

      In allen Fällen ist die Dosis-Wirkungs-Beziehung zu ermitteln, um die Steilheit der Dosis-Wirkungs-Kurve, die Dosis ohne schädliche (adverse) Wirkung (engl. no observed adverse effect level, NOAEL) und die niedrigste Dosis mit schädlicher (adverser) Wirkung (engl. lowest observed adverse effect level, LOAEL) zu bestimmen und natürlich auch die toxischen Wirkungen zu erfassen.

      Der Umfang der experimentellen Untersuchungen zur Toxizität einer Substanz richtet sich nach der vorgegebenen Fragestellung. Wenn es darauf ankommt, bei der Entwicklung von Chemikalien, z. B. von Arzneimitteln oder Pflanzenschutzmitteln, gefährliche und somit für die vorgesehene Verwendung unbrauchbare Substanzen zu identifizieren und von der Weiterentwicklung auszuschließen, sind wenige orientierende Versuche, wie die Bestimmung der akuten Toxizität oder die Überprüfung auf genotoxische Wirkungen, ausreichend. Dies trifft ebenso zu für die orientierende Überprüfung der Toxizität von Verunreinigungen, die bei einem Syntheseverfahren anfallen, oder wenn Prioritäten für weitergehende Untersuchungen mehrerer Chemikalien gesetzt werden sollen. In diesen Fällen ist es sinnvoll, sowohl die Untersuchungen der akuten Toxizität als auch der Genotoxizität an dafür geeigneten In-vitro-Testsystemen vorzunehmen.

      Zur Ermittlung der akuten Toxizität werden die letale (tödliche) Dosis nach einmaliger oraler oder dermaler Applikation durch Verabreichung ansteigender Dosen bei einzelnen Tieren bestimmt. Die Tiere werden anschließend für ein bis zwei Wochen beobachtet, um sofortige oder verzögerte Wirkungen zu erfassen.

      Die Ermittlung der sog. LD50, d. h. der Dosis, bei der die Hälfte der Versuchstiere sterben, dient einerseits dazu, die toxische Dosis einer Chemikalie und die dabei auftretenden Symptome zu ermitteln, andererseits einen Anhaltspunkt zu erhalten, bis zu welchem Dosisbereich Untersuchungen mit wiederholter Dosierung durchgeführt werden können.

      Diese über unterschiedliche Zeiträume verlaufenden Untersuchungen werden zumeist an Ratten und Mäusen durchgeführt, je nach Fragestellung auch an Hunden oder Rhesusaffen. Dabei wird die zu untersuchende Substanz täglich im Futter, im Trinkwasser oder mit einer Schlundsonde appliziert, auf die Haut aufgetragen (dermal) oder über die Atemluft eingeatmet (Inhalationsversuch). Als Versuchsdauer üblich sind 28 Tage (subakut), 90 Tage (subchronisch) oder bei Untersuchungen auf mögliche krebserzeugende Wirkung (Kanzerogenitätsversuche) an Nagetieren zwei Jahre (chronisch) mit und ohne Nachbeobachtungszeit. Während des Versuches werden alle Veränderungen der Tiere dokumentiert, bei Versuchsende die Tiere getötet und alle Organe makroskopisch (d. h. mit dem bloßen Auge) und histopathologisch (d. h. mit dem Mikroskop) untersucht. Dazu kommen je nach Fragestellung biochemische und wirkungsmechanistische oder bestimmte Untersuchungen, wenn z. B. der Verdacht besteht, dass es zu toxischen Wirkungen auf das Nervensystem kommen kann.

      Die Versuche werden so durchgeführt, dass neben einer Kontrollgruppe, die unter den gleichen Bedingungen wie die Versuchsgruppen gehalten wird und nur das Lösungsmittel oder Futter ohne Beimischung erhält, mindestens drei Gruppen mit mindestens je fünf Tieren mit der Testsubstanz in drei unterschiedlich hohen Dosierungen behandelt werden. Dabei


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