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Michael Franzen
Jesse James
Mythos und Wirklichkeit
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Bereits zu Lebzeiten war Jesse James eine Legende gewesen. In mehreren Bundesstaaten, darunter Missouri, Kansas, Kentucky, Iowa und West Virginia hatten er und seine Bande Angst und Schrecken verbreitet. Jesse war dabei die ausführende Hand gewesen, der seine Überfälle mit einer Gelassenheit und Kühnheit ausführte, die nur wenigen Männern in jener Zeit zu Eigen gewesen war, während Jesses älterer Bruder Frank, ein intelligenter und gebildeter Mann, viele der Überfälle der Bande geplant hatte, so auch jenen Coup, bei dem Jesse vor den Augen von mehreren tausend Besuchern, den Ticketschalter eines Vergnügungsparks ausgeraubt hatte.
Nach Beendigung des Amerikanischen Bürgerkrieges, in dem Jesse und sein Bruder Frank das Handwerk des Tötens gründlich erlernt hatten, genossen sie bei ihren blutigen Überfällen auf Banken, Postkutschen und Eisenbahnzüge bei vielen ehemaligen Südstaatlern einen hohen Sympathiegrad, da sie als Symbolfigur des Widerstandes gegen die verhassten „Yankees“ auch weiterhin gegen den Norden kämpften, wobei Jesse sogar als ein moderner „Robin Hood“ betitelt wurde, der lediglich die Reichen (Nordstaatler) beraubte, um es den Armen (Südstaatlern) zu geben - eine schöne Legende, die natürlich längst widerlegt ist, wenngleich der spätere US-Präsident Harry S. Truman im März 1949 dazu einmal meinte:
„Jesse James war im Grunde seines Herzens kein schlechter Mensch gewesen. Ich habe sein Leben sorgfältig studiert und ich komme aus seiner Gegend (Truman wurde am 08. Mai 1884 in Lamar, Missouri geboren - Anm. des Verfassers). Jesse James war lediglich eine Art moderner Robin Hood gewesen. Er bestahl die Reichen und beschenkte die Armen, was, allgemein betrachtet, gar kein so verabscheuungswürdiges Vergehen ist. Ich bin überzeugt, dass Jesse zu einem vorbildlichen Bürger geworden wäre, wenn er nicht durch eine Verkettung unglücklicher Umstände auf die schiefe Bahn geraten wäre.“
Diese Aussage Trumans, durch die berühmte rosarote Brille betrachtet, ist durch die moderne Geschichtsschreibung natürlich längst widerlegt worden, wobei die nüchternen Fakten und Beweise in Bezug auf Amerikas berühmtesten Banditen und „Nationalhelden“ eine ganz andere Sprache sprechen.
Doch der Reihe nach. Bevor wir zu einem abschließenden Urteil über Frank und Jesse James und natürlich auch zu deren Bandenmitgliedern, insbesondere den Gebrüdern Younger kommen, lassen sie uns zunächst gemeinsam eine Reise zurück in die Vergangenheit machen, die auf einer einsam gelegenen Farm nahe Kearny in Missouri ihren Anfang nimmt, als einer der berühmtesten Outlaws Amerikas dort an einem Sonntag seinen ersten, wenn auch noch nicht historischen Schrei ausstieß.
Neumünster, im Oktober 2018
- der Autor -
Kindheit und Jugend
Die Geschichte der Familie James beginnt im „Good Old England“, wo Frank und Jesses Urgroßvater William James Sr. um das Jahr 1754 herum in dem Dorf Kings Stanley in Cloucestershire, Wales geboren wurde. Er heiratete später die im selben Ort geborene Nancy Mary Hines und gemeinsam emigrierte das junge Paar hinüber in die Vereinigten Staaten, wo sie sich bei Lickinghole Creek, Goochland, Virginia niederließen. Zusammen hatten sie neun Kinder, darunter Reverend John Martin James, der 1775 in Hanover County, Virginia geboren wurde und später zusammen mit seiner Frau Mary nach Kentucky zog, wo sie sich in Logan County niederließen und ebenfalls die stattliche Anzahl von neun Kindern zeugten.
Robert Sallee (Salleus) James, Frank und Jesses Vater also, wurde am 07. Juli 1818 in der Nähe von Big Whippoorwill Creek in Lickskillet, Logan County, im südwestlichen Kentucky geboren. Er wurde ein Baptistenprediger, baute als Pflanzer in Kentucky Hanf an und heiratete am 28. Dezember 1841 die in Woodford County, Kentucky geborene 16-jährige Zerelda Elizabeth Cole. Ein Jahr nach ihrer Hochzeit zog das Ehepaar nach Clay County, in die Nähe des heutigen Kearny, Missouri, wo bereits Zereldas Mutter sowie ihr Stiefvater lebten. Roberts pendelte während dieser Zeit zwischen Missouri und Kentucky hin und her, um am Georgetown College in Georgetown, Kentucky seine Ausbildung zum baptistischen Geistlichen zu absolvieren, die er im Jahre 1843 mit dem Bachelor of Arts abschloss. 1849 half er bei der Gründung des William Jewell College in Liberty, Missouri. Daneben besaß er sechs Sklaven sowie rund 40 Hektar Ackerland.
Am 10. Januar 1843 wurde ihr erster Sohn Alexander Franklin „Frank“ James geboren. Als Kind zeigte er Interesse am Lesen, insbesondere an den Werken von William Shakespeare und besuchte wissbegierig, regelmäßig den Schulunterricht, wobei er sich vorgenommen hatte, später selber einmal Lehrer werden zu wollen - ein frommer Wunsch, der, wie wir ja heute wissen, niemals in Erfüllung gehen sollte. Der zweite Spross der Familie - Robert Reuben James - wurde am 19. Juli 1845 geboren, doch das Kind verstarb bereits wenige Wochen nach seiner Geburt, bevor schließlich der dritte Sohn und Hauptakteur dieses Buches Jesse Woodson James am 05. September 1847 das Licht der Welt erblickte. Eine weitere Tochter, Susan Lavenia, wurde danach am 25. November 1849 geboren.
In Folge des großen Goldrausches von Kalifornien und weil er dort seinen Bruder Drury Woodson James besuchen wollte, verließ Robert James im April 1850 seine Familie in Missouri und folgte zusammen mit seinem Freund William Singer den Tausenden von Abenteurern und Goldsuchern nach Kalifornien, um dort zu schnellem Reichtum zu gelangen. Im August hatten sie den Staat schließlich nach einer langen und anstrengenden Reise erreicht, doch dort angelangt, sollte sich das Schicksal bald gegen Robert wenden, denn er erkrankte schwer und verstarb schließlich am 18. August 1850 im Hangtown Gold Camp, welches später als Placerville bekannt werden sollte, an einem „starken Fieber“, wahrscheinlich der Cholera. Er wurde in einem unmarkierten Grab beerdigt. Die Witwe James daheim in Missouri stand unvermittelt alleine mit ihren Kindern da und in Anbetracht dieses Umstandes, war es schon fast verwunderlich gewesen, dass sie erst am 30. September 1852 ihren zweiten Ehemann, den Nachbarfarmer Benjamin