Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig Bechstein
Читать онлайн книгу.den Schatz zu heben, und haben die Quelle
weit aufgegraben, und da sind sie auf einen großen
Braukessel gestoßen, den konnten sie so nicht herausheben,
da legten sie einen Windebaum quer über das
Loch und banden Stricke an die Öhre und begannen
den Kessel in die Höhe zu winden, das taten sie aber
ganz stillschweigend, weil man beim Schatzheben ja
nicht reden darf. Mit einem Male hörten sie Räder rollen
und Achsen ächzen, und da fuhr ein Fuder Heu
vorbei, das zogen sechs weiße Mäuse. Aber keiner
von den Dreien verlor ein Wort, noch einen Laut, und
der Kessel rückte schon merklich höher. Da kam der
Mann mit dem dreieckichten Hute auf einem Schimmel
geritten, der nur drei Beine hatte. – Guten Abend!
sagte der Alte, aber die Drei waren klug und antworteten
nicht. – Könnt' ich wohl das Heufuder einholen?
fragte der Mann weiter, und da fuhr's dem einen heraus:
Den Teufel wirst du's einholen, du lahmer Krüppel
auf deinem lebendigen Dreibein! – O weh, da
brach die Winde, und der Kessel versank, und nimmermehr,
so viel ihrer es auch später wieder versucht
haben, hat einer vermocht, ihn zu heben.
172. Röwerlöwe
Der Dithmarschen Volk liebte von Urväterzeiten her
seine Freiheit über alles. Große Kämpfe hat es bestanden
und blutige Schlachten geschlagen, und viele
siegreich, bis es zuletzt noch überwunden ward. Aber
immer noch ist in ihm die Erinnerung an seinen alten
Ruhm lebendig, wie die Hoffnung auf seiner Freiheit
Wiederkehr.
Kaiser Karl der Große schon hatte mit den Dithmarschen
zu kämpfen. Nun lebte zu Windbergen ein
starker und tapferer Kampfheld, genannt Röwerlöwe,
der trat in des Kaisers Dienst, und Karl setzte ihn zu
einem Herrn über das Dithmarschenland und -volk als
einen Vogt, der die Unterjochten im Zaume halten
und zum Christentume zwingen sollte. Aber die Dithmarschen
ließen sich mitnichten im Zaume halten, sie
empörten sich gegen den Röwerlöwe, nahmen ihn gefangen
und räderten ihn. Von diesem Röwerlöwe soll
das berühmte Geschlecht derer von Reventlowen abstammen,
er soll dessen Ahnherr gewesen sein. Lange
Zeit wohnten seine Nachkommen noch in Dithmarschen,
aber immer glimmte im Volk ein alter Groll
gegen dasselbe fort, da hat es sich endlich hinweggewendet
und sich über Holstein, Schleswig und Dänemark
verbreitet.
173. König Dan
Im Lande Dithmarschen geht die Sage, daß der erste
König von Dänemark Dan geheißen, der habe dem
Lande den Namen gegeben, und nach ihm heiße es
Danemark, er habe aber nicht im heutigen Dänemark
gewohnt, sondern in Schleswig. Früher habe er auch
lange Zeit unter den Heiligen im Kalender gestanden.
Zu seiner Zeit war alles noch heidnisch, die Leute verbrannten
ihre Toten, taten die Asche in Urnen und
setzten sie bei in Riesenbergen (Hünenhügeln), König
Dan wollte aber nicht verbrannt sein, sondern auf seinem
königlichen Stuhl im Grabe sitzen, und wollte
auch sein aufgesattelt Pferd bei sich haben, das ist
auch so befolgt worden.
Ohnweit Tönningen in Eiderstede ist ein kleiner
Erdhügel mit einer Höhle. Darinnen sitzt König Dan
wie der Kaiser Friedrich im Kyffhäuser, mit zweimalhunderttausend
Mann Wappnern, und alle schlafen.
Einstmals wurde einem zum Tode verurteilten Soldaten
das Leben versprochen, wenn er in die Höhle hineingehen
und berichten wollte, was er sähe. Da nun
der Soldat in die Höhle kam, sah er den König sitzen
an einem Tisch, und hatte sein Haupt auf den Arm gestützt
und schlief. Der Bart war ihm lang gewachsen
und hing unter den Tisch herab. Jetzt erwachte der
König und fragte den Soldaten: Was willst du? –
Mich schickt mein Herr und König herein, daß ich
Nachricht von Euch bringe. Sage deinem Herrn, erwiderte
König Dan, ich werde zu seiner Zeit wiederkommen
und ihm Hülfe bringen, und er soll herrschen
über die ganze Welt. – Diese Zeit ist noch nicht gekommen
und dürfte wohl auch noch etwas lange verziehen.
174. Die Schlacht auf dem
Tausendteufelsdamme
König Johann von Dänemark sprach zu dem Herzog,
seinem Bruder: Was beginnen wir nur, daß wir das
reiche freie Dithmarschenland an uns bringen? Da
sprach der Herzog: Wir wollen einen Boten an die
sächsische Garde senden, mit deren Beistand wollen
wir wohl den Dithmarschen obsiegen. Und sendeten
einen Boten auch in die Marsch und kündigten dem
Volke an, daß der König drei feste Schlösser haben
wolle im Lande, aber das wollten die Bauern mitnichten
leiden. Und der Bote ging zurück nach Rendsburg,
allwo der König lagerte und ein mächtig großes
Heer sammelte aus Jütland, aus Fünen, aus Holstein
und aus deutschen Landen; Soldknechte eine ganze
Schar vom Rhein, aus Franken und Sachsen, die hatten
sich zusammengetan und nannten sich die sächsische
Garde. Und da die Garde zu dem Königsheere
stieß, da fragte sie: Herr König, wo liegt denn das
Dithmarschen? Liegt es im Himmel droben oder auf
schlichter Erde? – Da sprach der König: Es ist nicht
mit Kloben an den Himmel geschlossen, es liegt auf
Erden. – Darauf sprach wieder die Garde: Herr
König, wenn das Dithmarschenland nicht mit Kloben
an den Himmel geschlossen ist, so soll es bald unser
werden. – Und da ließ der König die Fahnen fliegen
und die Trommeln schlagen und zog mit dem Heere
von zwölftausend Mann auf das tiefe Land zu. Zuerst
zog das