Folter inklusive!. Heike Rau

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Folter inklusive! - Heike Rau


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Josefine los und kam mit heruntergelassener Hose aus dem Bad gestürzt. „Im Klo ist jemand und schreit“, heulte sie. Stefan nahm ihr die Taschenlampe aus der Hand und leuchtete ins Bad. Blitzschnell zog er den Duschvorhang zurück, als erwartete er dort einen Mörder, der gerade eine Frau abmurkste. Aber da war nur ein Silberfischchen, das eilig im Abfluss verschwand.

      „Ich habe nichts gemacht, ich wollte nur spülen“, schluchzte Josefine, die endlich ihre Hosen wieder oben hatte.

      Ich ging ein paar Schritte zur Toilette, machte einen langen Arm und drückte auf die Taste vom Spülkasten. Aha, wieder ertönte dieser markerschütternde Schrei.

      „Netter Versuch“, bestätigte Stefan. „Um Haaresbreite wäre ich auch erschrocken.“

      „Kannst jetzt aufhören mit dem Heulen“, sagte ich zu Josefine.

      „Auf das Klo gehe ich nie wieder“, schimpfte sie und wischte sich die letzten Tränen vom Gesicht.

      Wir machten uns bettfertig. Keiner hatte mehr Kraft zum Zähneputzen. Aber ich zwang die Kinder natürlich dazu. Wegen der Brandgefahr löschten wir alle Kerzen und Öllampen. Aber geheuer war das keinem von uns. Wir hatten alle eine Taschenlampe griffbereit. Josefine kuschelte sich an ihre Schwester und ich mich an Stefan. Aber ich zappelte ununterbrochen herum.

      „Kannst du nicht schlafen?“, fragte Stefan.

      „Ich fühle mich beobachtet! Von den Bildern über dem Kamin.“

      „Wie? Was?“

      „Diese komischen Ahnen oder Urahnen auf den Bildern, die glotzen:“

      „Selbst wenn“, Stefan gähnte, „im Dunkeln können sie uns doch gar nicht sehen.“

      4. Kapitel

      Als ich am nächsten Morgen aufwachte, nicht zuletzt vom Geschrei der Klospülungen im Schloss, kam Stefan gerade aus dem Bad. Er hielt seinen Rasierer in der einen und den Stecker dazu in der anderen Hand. „Ohne Strom kann ich mich nicht rasieren“, sagte er.

      Ich grinste, wollte ich ihn doch schon immer mal mit Bart sehen. „Dreitagebart ist in“, beruhigte ich ihn.

      „Ich dachte, wir bleiben drei Wochen.“

      „Dreiwochenbart eben.“

      Stefan kam ein paar Schritte näher und starrte mich an. Die Kinder waren auch aufgestanden, kamen an mein Bett und starrten mich ebenfalls an.

      „Was ist?“ Da fiel mir mein Auge wieder ein. Ich sprang aus dem Bett und stürzte ins Bad. „Herrgott noch mal!“ Ich tastete mein Gesicht ab. Das da im Spiegel war nicht ich. Nein, das konnte ich unmöglich sein. Das Auge der Person im Spiegel war blau mit einem ungesunden gelb-grünlichen Schimmer ringsherum.

      „Vielleicht solltest du noch ein bisschen kühlen“, rief Stefan. „Kaltes Wasser gibt es hier genug.“

      Wir mussten uns mit kaltem Wasser waschen, unter ständigem Geschrei der doofen Klospülung. Kein Strom – kein warmes Wasser. Da hätten wir auch irgendwo im Busch zelten können.

      Wir räumten unsere Sachen auf und machten die Betten, als ein blecherner Gong ertönte. Das erinnerte mich an einen Aufenthalt in einem Ferienlager, als ich ein Kind war. Da ertönte ein Gong zu jeder Mahlzeit. Also musste das unser Frühstück sein.

      Der Mann, der wie Mr Bean aussah, kam aus der Tür neben uns. Er grüßte freundlich und stellte sich als Herr Kownazki vor. Von Beruf war er Schauspieler. Er hatte keine Bartstoppeln im Gesicht, dafür aber unzählige kleine Pflaster. Wahrscheinlich hatte er versucht, sich mit einem Kartoffelschäler für Linkshänder zu rasieren. Er ging ungelenk den Gang vor uns entlang und stürzte dann kopfüber die Treppe hinunter, begleitet von seltsamen Knackgeräuschen.

      Ich wollte gerade hinterher rennen, um seine gebrochenen Knochen aufzulesen, da sah ich, wie er aufstand, als wäre nichts gewesen. Er streckte sich kurz und klopfte seinen Anzug sauber. Dann ging er einfach zum Speisesaal weiter.

      „Nicht, dass das einer von euch nachmacht“, sagte ich mahnend zu den Kindern. „Der ist wahrscheinlich nicht nur Schauspieler, sondern auch Stuntman.“

      „Wenn ich groß bin, will ich Stuntman werden“, sagte Josefine. „Das sah echt toll aus.“

      *

      Dieses Frühstück, nicht zu fassen! Ein riesiges Büfett war aufgebaut. Mit allem, was man sich denken konnte, von Rührei bis Müsli, über Obstsalat bis gebratenen Schinkenspeck, von Früchten gar nicht zu reden. Ein strenger hinweisender Blick auf die Kinder und sie suchten sich nur pädagogisch Wertvolles aus. Bei Stefan ging mein Blick ins Leere, er nahm Rührei, Speck und Weißbrot. Ich sah seinen Cholesterinspiegel förmlich steigen.

      Wir hatten wieder unseren Tisch hinten rechts unter dem Elchkopf. Jetzt war es ja hell, die Fenster ließen einen Blick auf eine Wiese zu, auf der hin und wieder ein uralter Baum stand. Weiter hinten schien es felsig und hügelig zu werden und noch weiter hinten schien ein See zu sein. Ich sah natürlich alles ein paar Nuancen dunkler, dank der Sonnenbrille, die mein blitzblaues Auge verdecken sollte. Ich hielt nach anderen Kindern Ausschau, aber außer meinen beiden konnte ich nur den kleinen Jungen von gestern sehen.

      Weiter vorn saß ein älteres Ehepaar. Ich hatte sofort eine Vision von zwei alten Leuten, die einträglich in ihrem Garten werkelten und eigenes Gemüse anbauten, um Geld zu sparen.

      Sie hatten ihre Teller fast schon unverschämt vollgepackt. Und jetzt musste ich auch noch beobachten, wie der Mann Bananen und Äpfel in eine Tasche schmuggelte. Seltsam, ob hier manchmal eine Mahlzeit ausfiel? Oder hatten sie einen hungrigen Affen in ihrem Zimmer zu versorgen? Vorsichtshalber steckte ich mir auch ein paar Äpfel in meinen Rucksack. Den hatte ich als Notfallausrüstung immer bei mir.

      „Hier fühle ich mich wohl!“, sagte Stefan und schmatzte.

      „Ich auch“, bestätigte Annika. „Jede Menge gutes Futter und kein Gespenst weit und breit.“

      „Ich weiß nicht“, sagte ich und schaute kurz nach oben zum Elchkopf, weil ich ein seltsames Brummen gehört hatte. „Die werden doch nicht gedacht haben, dass sie uns mit einem Elchkopf an der Wand, mit Funzellicht, kaltem Wasser und einer schreienden Klospülung vertreiben können?“

      Stefan verstrich jede Menge Butter auf einer Scheibe Brot, ohne sich über meine Frage Gedanken zu machen.

      „Lecker!“

      „Och, und iss nicht so viel, sonst säuft das Boot ab, wenn wir hier wieder weg wollen!!“

      „Echt?“ Josefine war gleich besorgt.

      „Ich hau jetzt zwei Wochen rein und dann habe ich ja noch eine Woche, um mir das wieder runter zu hungern.“

      Josefine war nicht überzeugt. „Machst du das wirklich?“

      „Ja.“

      „Dann mache ich das auch so“, beschloss sie und stopfte sich Sahnejoghurt mit einem großen Löffel in den Mund.

      „Was macht denn dieser Schauspieler jetzt?“, fragte Stefan.

      Herr Kownazki war aufgestanden, zappelte herum und versuchte irgendetwas unter seinem Pullover vorzuziehen. Er zog und zerrte, beugte sich nach vorn und nach hinten, und zog Grimassen der übelsten Sorte dabei. Schließlich hatte er es draußen: etwas Rundes, Schwarzes, flach wie ein Teller. Er setzte sich und schlug das Ding auf sein Knie. Es klappte auseinander.

      „Aha, ein Zylinder“, stellte ich fest.

      „Ein was?“ Josefine wusste damit nichts anzufangen.

      „Na, so ein Hut für einen Zauberer“, erklärte ich.

      Josefine überlegte angestrengt: „Ist Mr Bean etwa ein Zauberer?“

      „Möglicherweise. Schauspieler, Stuntman oder Zauberer. Wie hieß er gleich richtig?“

      „Kownazki.“


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