Die Pueblo-Kulturen. Werner-Wolf Turski

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Die Pueblo-Kulturen - Werner-Wolf Turski


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mit Sicherheit Männer die dekorative Gestaltung der Keramik vorgenommen haben. Die auf der Keramik dargestellten und tanzenden, Masken tragenden Figuren (gern als Katchina bezeichnet) sowie Jagd- und Fischfangszenen belegen wahrscheinlich (!) die von Männern getragenen rituellen darstellenden Aktivitäten. Die Aktivitäten zur Beschwörung von Wesen aus der Ober- oder Anderswelt, denen man Einfluss auf das Erscheinen von Wind und Regen zuschrieb, waren nach ihrem Verständnis auf der Erdoberfläche, z.B. auf der Plaza, spirituell wirkungsvoller zu gestalten als in einer Kiva, außerdem konnten auf einer Plaza mehr Personen der Gemeinschaft am Ritus aktiv und/oder passiv beteiligt werden und so die Beschwörungskraft verstärken. Dass die tanzenden, Masken tragenden Figuren weiblichen Geschlechts sein könnten und bei einer mit dem Mond verbundenen Zeremonie agieren, ist den Archäologen selbst als hypothetische Möglichkeit keinen Gedanken wert.

      Da das Fruchtbarkeitspotenzial des Mimbres-Tales über die Zeit der menschlichen Erinnerung als weitgehend konstante Größe galt, wurde zum Abbau des Ressourcenstresses neben den gesteigerten weiblichen Aktivitäten (u.a. belegbar an der Töpferei und ihrer sich entwickelnden rituellen Gestaltung) auch die männliche Kraft spirituell gefordert, was sich höchstwahrscheinlich in den Plaza-gebundenen Ritualen und in einem Bedeutungsrückgang früher genutzter Kivas manifestierte. Als trotz aller – männlicher und weiblicher – Bemühungen die Sicherung der gesellschaftlichen Struktur im Mimbres-Tal nicht mehr möglich war, kam es zum Ende dieser ortsbezogenen Kultur durch die physische Ausbreitung und Zerstreuung und durch eine Veränderung in der Spiritualität und den Riten dieser Menschen. Die Wirtschaft und die Architektur wiesen eine ungebrochene Kontinuität auch an den neuen Siedlungsplätzen aus, die Herstellung der hochspeziellen Ritual- und Begräbniskeramik – die nur in diesem Kultur- und Landschaftsbereich gefunden und offensichtlich auch nur in sehr beschränktem Umfang weitergegeben oder gar getauscht wurde – kam jedoch zum Erliegen.

      Die bildgebundene rituelle Aktivität als im Wesentlichen weibliche Ausdrucksform war sicher lange als gesellschaftlich ausreichend angesehen worden, denn das quantitative und qualitative Erbe von wahrscheinlich männlich geprägter Felsbildkunst im Mimbres-Tal ist im Vergleich zu anderen südwestlichen Kulturen relativ gering und stilistisch so unkonkret, dass eine eindeutige Zuordnung der sogenannten „Tlaloc“-Darstellungen und anderer „Regen“-Geisterdarstellung zur Mimbres-Kultur nicht möglich ist und auch von Menschen anderer Kulturgruppen und anderer Zeiten stammen kann.

      Die Aktivitäten von HEIL-Personen beiderlei (!) Geschlechts können nur aus der über die Töpfereikunst vermittelten Bilder und aus einer Vielzahl von speziellen Artefakten, wie den nach historischen Vorbildern als Gebetsstäbe (Pahos) bezeichneten Fundstücken und auch möglichen Schmuckstücken (auch Gegenstände, die heute als Schmuck bezeichnet werden, hatten eine spirituelle Aufgabe und wurden im täglichen Leben und kraftverstärkend bei Ritualen eingesetzt.) abgeleitet werden. Schamanistische Aktivitäten sind in dieser Gesellschaftsform noch allgemein verbreitet und nur wenige besonders fähige Personen haben auf Grund dessen eine prominente Stellung mit besonderer Verantwortung (auf Grund der individuellen und gesellschaftlichen Erwartung!), aber keine Machtposition.

      Die von den Archäologen freigelegten Artefakte mit möglicher spiritueller Bedeutung sind mit Sicherheit auch nur ein winziger Bruchteil der in der Realität vorhandenen Gegenstände und Darstellungen (z. B. Körperbemalung, spezielle Tanzmasken) spirituellen Charakters, da diese oft eine sehr vergängliche und auch kaum rekonstruierbare Form hatten, manche vielleicht nach einem Ritual auch wieder bewusst „vernichtet“/ „getötet“/ entgegenständlicht/ vergeistigt wurden. Deshalb ist eine interpretatorische Extrapolation aus der kleinen Menge vorliegender Artefakte auf die gesamte Gesellschaft extrem problematisch. Dazu zählen auch Hinweise auf mesoamerikanische Einflüsse auf den Schamanismus der Mimbres und bei einigen Wissenschaftlern gar die Behauptung des Ursprungs des Mimbres-Schamanismus in Mesoamerika, die sich dann in Begriffen wie „Tlaloc“-Darstellung widerspiegeln. Dabei soll aber keinesfalls die mögliche Rolle des Mimbres-Kerngebietes bei der Nutzung und Weiterleitung von Aras, Papageien und deren farbkräftigen Federn aus Mesoamerika vernachlässigt werden, die aber kaum mit Artefakten, sondern meist nur mit bildlichen Darstellungen auf Gefäßen zu belegen ist. Die Darstellungen auf der Keramik belegen eine intensive Beschäftigung von Weibern und Männern mit Papageienvögeln, desgleichen wurden solche Vögel oder nur bestimmte Körperteile von ihnen einzelnen mit ins Grab gegeben. Die spirituelle und rituelle Einbindung von Papageienvögeln in das Leben der Mimbres war mit Sicherheit anders gestaltet als bei den kulturell nachfolgenden Menschen im Casas Grandes Gebiet.

      Das Vorhandensein von pflanzlichen Resten mit haluzinogenen Substanzen lässt darauf schließen, dass den Mimbres der Wirkmechanismus solcher Pflanzen oder Pflanzenteile bekannt war, aber alle darüber hinausgehenden Aussagen sind und bleiben Spekulation und Hypothese. Die Mimbres-Kultur nutzte/gebrauchte wahrscheinlich ganz regulär alle Rauschmittel (z.B. Daturas, Nicotianas, Amanitas und den lokalen Peyote), die sie finden oder durch Tausch/Handel erlangen konnten. Einige eingetauschte Produkte (wie getrocknete psilocybes-Pilze und das LSA enthaltende Ipomeas) waren eventuell auch verfügbar, wie Pilzdarstellungen auf Pahos und Zeremonialstäben anscheinend belegen. Die Behauptung, dass bestimmte Motive auf der Begräbniskeramik in ihrem Design auf haluzinogene Erscheinungen zurückzuführen sind, erscheint mir aber als Nichtnutzer dieser Stoffe sehr fragwürdig. Alle archäologischen und ethnographischen Indizien deuten auf eine traditionelle Verwendung von psychoaktiven Pflanzen (Datura, Tabak, Pilze, Peyote) und anderen Trance induzierenden Mechanismen, die auch für spirituellen, heilenden und Entspannungsbedarf angewendet wurden.

      So wurden neben dem mehrere Arten umfassenden Wildtabak im Südwesten auch kleine Mengen für den zeremoniellen Gebrauch kultiviert. Die Tabakblätter wurden u.a. getrocknet und in einer Stockröhre geraucht, ähnlich wie die Zigaretten-/Zigarrenspitze oder es wurde ein „Wolkenblaser“ genutzt, eine kurze trichterförmige Tonpfeife.

      Die mit der Spiritualität der Mimbres offensichtlich sehr stark verbundenen Bestattungspraktiken waren mit Ausnahme der beigegebenen und rituell durch das Einschlagen eines Loches (sog. Totenloch) in den Schalenboden entmaterialisierten/„getöteten“ Tonschalenbeigaben mit vielen Kulturen des Südwestens vergleichbar und relativ unspektakulär. Es gibt aber auch Ansichten, dass das Loch im Schalenboden keine „Tötung“ der Schale darstellt, sondern den Ausgang für den Geist des Verstorbenen aus der wirklichen und/oder künstlerisch dargestellten Welt in der Schale.

      Die Bestattung des Körpers erfolgte im Allgemeinen in sitzender Hockerstellung (fötale Position) mit der speziellen Tonschale, die wie ein Helm auf den Kopf gelegt wurde, in einer einzelnen Grube unter dem Fußboden des Hauses. Die Bestattungsgrube wurde meistens mit einer verdichteten/abdichtenden Schicht aus Adobe u.ä. abgeschlossen. Einige der Begräbnisgruben waren mit Stein oder Adobe ausgekleidet, bevor sie mit Adobe abgeschlossen wurden. Andere wurden mit einem flachen Stein verschlossen. Weitere nicht „getötete“ Gefäße oder gefäßgebundene Beigaben wie bei den anderen Mogollon fehlten im Allgemeinen bei den Mimbres oder die Quellen haben über diese gewöhnliche Keramik nichts berichtet. Wenn in seltenen Fällen Grabbeigaben erwähnt wurden, umfassten sie meist Schmuck aus Muschelschalen oder Türkis, Werkzeuge und vereinzelt Tongefäße. Bei den Raubgrabungen nach der begehrten Bestattungskeramik ist darauf auch sicher keinerlei Beachtung aufgewendet worden.

      Bei in der Galaz Site und der Cameron Creek Site freigelegten menschlichen Bestattungen wurden auch beigelegte Papageienvögel gefunden, denen jedoch der linke Flügel fehlte. Auch abgetrennte Köpfe und andere einzelne Körperteile wurden als Beigaben gefunden. Über den rituellen Kontext dieser Indizien lässt sich nur spekulieren.

      Ob die Malereien im Innenraum der Schale „Bilder/Informationen“ aus dem diesseitigen Leben für die Freude der Seele der oder des Toten oder aber „Aufträge“/„Bitten“/„Gebete“ der Lebenden für die Geister in der Anderswelt zum Überbringen durch den dorthin Gegangenen waren oder noch andere Bedeutungen hatten, ist offen. Desgleichen ist die Aussage, dass ein Mensch, im Mimbres-Tal stehend, die Illusion hat, die Welt wie eine über seinen Kopf gestülpte umgekehrte riesige Schale zu sehen, von einem heutigen Menschen und sicher sehr emotional.

      In der Klassischen Periode


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