Die Pueblo-Kulturen. Werner-Wolf Turski

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Die Pueblo-Kulturen - Werner-Wolf Turski


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      Mit der späteren Verlagerung/Erschließung von Anbauflächen in von den Dörfern weiter entferntere Gebiete wurden dort Feldhäuser in „Jacal“-Bauweise errichtet, die aber in der nachklassischen Zeit (nach 1150 u.Z.) auch zunehmend in der „cobble walled“-Technik erbaut wurden. Beim Bau der Pueblos selbst wurde in der postklassischen Zeit nach 1150 u.Z. die „cobble walled“-Technik zunehmend durch die reine Adobebauweise verdrängt.

      Zeremonielle Bauten/Gemeinschaftsbauten wurden bereits in der Frühen Grubenhaus Periode vor 500 u.Z. gebaut und erreichten ihren Höhepunkt um ca. 1000 u.Z. Sie wurden anfangs in der Form eines Wohn-Grubenhauses, nur in einer wesentlich größeren Form, errichtet. Als Anzeichen seiner zeremoniellen Funktion wurde das Fehlen von häuslichen Artefakten, die mögliche Verwendung großer flacher Sitz(?)steine auf dem Boden und die dem Eingang benachbarte Adobeflügelwand angesehen. Von 650 bis 750 u.Z. (San Francisco Phase) wurden die ursprünglich runden Gemeinschaftsbauten quadratisch oder rechteckig und hölzerne Säulen auf Steinplatten traten an Stelle der Adobeflügelwand am Eingang. Diese Bauten waren noch bis zu 75% ihrer Höhe in den Boden eingetieft. Erst zwischen 900 und 1000 u.Z. wurden die Gemeindezeremonialräume durch die Gestaltung einer Sipapu - nach Meinung der Archäologen - zur Kiva. Die korporativen Kivas der Klassischen Periode hatten dicht neben der Feuerstelle rechteckige Bodenmulden, die nach einer Abdeckung mit Leder- oder Hautplanen oder Holzplanken (?) als Bodentrommeln dienen konnten. Spätere Kivawände wurden aus einer doppelten Schicht von mit Stützpfosten verstärkten und mit Adobeverputz bedeckten abgerundeten Flusskopfsteinen gebaut. Gegen Ende der Klassischen Zeit (1000 bis 1130/50 u.Z.) kamen die Kivas allmählich außer Gebrauch und die zeremoniellen Aktivitäten verlagerten sich höchstwahrscheinlich auf die großen Plazas ins Freie, unter die Sonne (oder auch unter den Mond?). In einigen Quellen wird ausgesagt, dass dieser Übergang von der Kiva zur Plaza mit einer rituellen Tötung der Kivabauwerke durch deren zeremonielle Verbrennung verbunden war. Andere legen die Brandnachweise - nach meiner Meinung völlig abwegig - als „Religionskrieg“ aus. In der Black Mountain Phase (1140 bis 1300 u.Z.) erlischt im Mimbres Kerngebiet praktisch der Bau und die zeremonielle Nutzung von Kivas. In den um 1300 u.Z. erbauten Pueblos gibt es aber neben der Plaza auch große und/oder kleine Kivas. Vielleicht wurde deren Rolle durch den intensiver werdenden Anasazi-Einfluss spirituell neu definiert und gestärkt.

      Die Mimbres-Architektur wird als ein Ausdruck der Mimbres-Spiritualität interpretiert. Die Mimbres Religion basierte wahrscheinlich auf dem multigestuften Universum, das aus der Oberwelt, der Mittelwelt und der Unterwelt bestand. Die Oberwelt wurde von dem Raum oberhalb des Mimbres-Wohnbaus symbolisiert, der durch eine Leiter erreicht wurde. Die Mittelwelt wurde von dem Raum innerhalb des Wohnraumes symbolisiert und die Unterwelt wurde von der Stelle unterhalb der Sipapu oder der rechteckigen steinplattenverkleideten Feuerstelle auf dem Boden symbolisiert. Die Sipapu oder der rechteckige mit Steinplatten verkleidete Herd war das symbolische Tor aus der oder in die Unterwelt. Seine rechteckige Form symbolisierte die vier Haupthimmelsrichtungen. Die Deckenöffnung wurde senkrecht über der Sipapu oder dem geformten Herd, die beide eine senkrechte Achse bildeten, errichtet. Das ist rein technisch gesehen auch für den Rauchabzug die günstigste Stellung, aber spirituell natürlich auch der kürzeste, beste und schnellste Weg für die mit dem Rauch verbundenen Gebete, Gedanken und Vorstellungen zum Gang in die Oberwelt. Die Dachöffnung war das symbolische Tor in die Oberwelt und die Leiter, mit der sie erreicht wurde, war das Sinnbild für die axis mundi zwischen den Welten und berücksichtigte den symbolischen Wiederaufstieg des ursprünglichen Erscheinens der Menschheit.

      Der Kernbereich der Mimbres-Kultur im Tal des Mimbres River umfasste während der Späten Grubenhaus Periode (550 bis 1000 u.Z.) mindestens 14 größere Grubenhaus-Dörfer (wie Galaz Site, Three Circle Site {825 bis 1000 u.Z.}) und zog sich in der Klassischen Zeit (1000 bis 1130/50 u.Z.) etwa über eine Flusstallänge von 60 bis 70 km mit ca. 3.000 bis maximal 5.000 Menschen hin. Maßgebliche einetagige Pueblostätten sind u.a. die NAN Ranch, die Swarts Ruin, die Mattocks Site, die Osborn Ruin, die Old Town Ruin am Mimbres River und auch die Cameron Creek Ruin am Cameron Creek, einen Nebenfluss des Mimbres River. Der erweiterte Bereich, der sich von der heutigen Staatsgrenze USA – Mexiko bis zum Oberlauf des Gila River und des San Francisco River erstreckt, hat eine Ausdehnung von Ost nach West von ca. 120 km und von Nord nach Süd von ca. 240 km und umfasst ein Gebiet von ca. 25.000 km². Die größten Niederlassungen befanden sich am Gila Fluss. Dazu gehört auch die heute nur oberflächlich erkundete TJ Ruine (ca. 200 Räume in fünf Raumblöcken).

      2.2.2.3. Zur Spiritualität der Mimbres

      Alle diese Gedanken und Aussagen sind - gestützt auf wenige bereits oben genannte Indizien und ethnographische Erfahrungen - rein hypothetisch.

      In der ursprünglichen JägerInnen- und SammlerInnengruppe war die Spiritualität und ihre Kraft zur Regulierung des Existenzstress´ zwischen den weiblichen und den männlichen Kräften ausgeglichen. Mit dem Beginn des Bodenbaus gewann das Fruchtbarkeitspotenzial der bearbeiteten bzw. der zur Bearbeitung (von den Weibern, von den erfahrensten PflanzensammlerInnen) ausgesuchten Bodenflächen sowie die Wasser spendenden Quellen eine steigende Bedeutung. Diese natürliche Fruchtbarkeitspotenz wurde mit der weiblichen Fruchtbarkeitspotenz verbunden, was gegebenerweise zu einer gesteigerten Bedeutung der weiblichen Spiritualität und spirituellen Kraft führte, deren rituelle Aktivitäten mit der dunklen Erdmutterhöhle – dem Grubenhaus-Zeremonialraum – verbunden waren. Die archäologisch belegbaren weiborientierten „Spiritual“-Erscheinungen wie die Feuerstelle/Herd (Die weniger mobilen Gemeinschaftsmitglieder, ein WEIB oder ein ALTER Mensch waren die Hüter des Feuers) und später die Erdmuttervagina (= Sipapu) traten im Zeremonialbau/in der Kiva auf und waren sicher nur ein äußerst kleiner Beleg aus den darstellenden und bildenden spirituellen Erscheinungen des Gruppenlebens.

      Die archäologischen Indizien weiblicher Spiritualität dürfen keinesfalls dazu führen, die männliche Seite der Spiritualität – für die es anscheinend keinen so eindeutigen archäologischen Beleg gibt – außer Acht zu lassen. Das weibliche Fruchtbarkeitspotenzial konnte sich nur entfalten, wenn die äußeren Bedingungen für die Hervorbringung der Frucht gegeben waren – z. B. Wasser und Wärme. Für die äußeren, wechselhaften („sehr mobilen“) Bedingungen waren spirituell die Männer als die höher mobilen und den äußeren, verteidigenden Ring der Gemeinschaft bildenden Personen „zuständig“. Diese männliche Spiritualität richtete ihre rituelle Aufmerksamkeit auf die Sonne und ihren Lauf, die Wolken, Blitze, Regenbringer, Regen „erzwingende“ Berge u.a.m., was für die Zeitpunkte der Aussaat und Ernte wichtig war. Die Mondbeobachtung war dagegen mit Sicherheit eine fast natürliche weibliche Aufgabe, aber zur Festlegung kalendarischer Ereignisse wesentlich komplizierter/ungeeigneter als die vier Zeitmarken des Sonnenlaufes – der Sommer- und Wintersonnenwende und der Frühjahrs- und Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche, deren Bestimmung gemäß obigen Ausführungen auf der männlichen Seite lagen. Der weibliche und der männliche Teil der Spiritualität und ihre rituellen Äußerungen waren zwei gleichberechtigte Teile im Leben der Gruppe, die sich aber durchaus zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Jahres- und Lebenslaufes äußern konnten – ohne daraus irgendwelche Dominanzen abzuleiten.

      Die Spiritualität findet in der Ritualität ihren darstellenden und/oder bildenden Ausdruck. (Diese Ausdrücke werden in hierarchischen, machtorientierten Gesellschaften zur einforderbaren und bezahlbaren Kunst und dienen als solche nur noch dem Geist der Macht und den Machthabern und nicht mehr dem der gesamten Gesellschaft.) Einen Hinweis auf die Darstellung (z.B. Tanz) findet sich bei den Mimbres nur in bildhaften Ausdrücken wie der Felskunst und in der Keramikmalerei. In einer egalitären Gesellschaft mit einer nicht vorhandenen Warenproduktion sind die Töpferei und damit auch der an diese spezialisierte Tätigkeit gebundene Gestaltungswillen weibbestimmt. Die Produktion der heute künstlerisch so hochgeschätzten, oft dem Bestattungsritual dienenden wunderbar bemalten Mimbres-Schalen waren mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Werk der Mimbres-Weiber, wobei für die Bemalung selbst sicher Spezialistinnen tätig waren, denn die Sicherheit bei der Linienführung komplizierter abstrakter Muster und ausdrucksstark auf das Wesentliche konturierter Figuren geht wahrscheinlich


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