Hüben und Drüben. Gerstäcker Friedrich

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Hüben und Drüben - Gerstäcker Friedrich


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Schreckensstätte eilten sie, um den Brand wo möglich noch im Entstehen zu ersticken - aber dazu war er schon zu weit vorgerückt. Es brannte in des Schulzen Scheune, das dort aufgeschichtete Stroh hatte die Gluth erfaßt, und ehe nicht Spritzen herbeikamen, war an Löschen nicht zu denken.

      Die alte Dorfspritze wurde natürlich augenblicklich aus ihrem Schuppen herausgezogen und rasselte, von der Löschmannschaft gefolgt, der Brandstelle zu. Aber lieber Gott, es war seit undenklichen Zeiten kein Feuer in Osterhagen ausgebrochen, und die Bevölkerung des Ortes dadurch so sicher geworden, daß sich Niemand um die Spritze und was dazu gehörte gekümmert hatte. Jetzt fehlte es dafür an allen Ecken und Enden, und ehe sich die Bauern, die völlig den Kopf verloren, mit ihren Eimern zu einer Kette bis zum nächsten Wasser gestellt hatten, loderten die Flammen schon so hoch empor, um jedes Versuches zu spotten, von dieser Spritze bewältigt zu werden.

      Und Niemand war außerdem da, der das Ganze geleitet hätte, denn der Schulze, als Oberhaupt, kümmerte sich gar nicht um die Löschanstalten und suchte nur von seinem Eigenthum zu retten, was zu retten war, während seine Frau, mit /40/ aufgelösten Haaren und ganz außer sich, im Haus herumstürzte und nur immer schrie:

      „Das hat das nichtsnutzige Geschöpf, das hat die Falleri gethan, das hat die Falleri gethan!" -- und selbst bei der Arbeit draußen pflanzte sich der Schrei fort.

      Nun waren allerdings Einige unter den Leuten, die, so lange nur noch des Schulzen Haus brannte, meinten: „Ursache genug hätte sie dazu gehabt" - wie aber die Flamme immer höher wuchs, die nächsten Häuser faßte und das ganze Dorf bedrohte, da brachen sich laute Verwünschungen über die junge Brandstifterin Bahn, und ein Glück für sie, daß man ihrer in dem Augenblick nicht an Ort und Stelle habhaft werden konnte: das vor Angst halb wahnsinnige Bauernvolk hätte sie zerrissen.

      Jetzt endlich rasselte auch vom nächsten Dorf eine Hülfsspritze herbei - ein Haus hatten die Leute, weil es das Feuer am leichtesten fortpflanzen konnte, niedergerissen; der Wind erhob sich dabei etwas und trieb die Gluth auf die erste Brandstätte zurück, und als nun auch zuletzt die Stadtspritzen mit ihrer gut organisirten Rettungsmannschaft auf dem Platz erschienen, gelang es, etwas nach Mitternacht, des Feuers so weit Herr zu werden, daß man wenigstens dessen weitere Verbreitung verhindern konnte.

      Als der erste Feuerlärm laut wurde, war die Frau Kunze in Todesangst zu dem alten Brenner in's Zimmer gelaufen; der aber fluchte, daß sie ihn geweckt hätte. Was könne er dabei thun? er wäre doch nicht im Stande, selbst nur aufzustehen, viel weniger an einer Spritze zu arbeiten; sie solle ihn zufrieden lassen und nur wiederkommen, wenn ihre eigene Bude anfinge zu brennen.

      Als der Morgen graute, war des Schulzen Haus und Hof mit noch fünf Nachbarhäusern und sieben Scheunen eine wüste, rauchende Brandstätte, auch manches Stück Vieh dabei umgekommen, das störrisch den Stall nicht hatte verlassen wollen. Ja selbst zwei Menschen wurden vermißt, zwei junge Burschen aus dem Ort, die wahrscheinlich durch stürzendes Gebälk erschlagen wurden, und deren schauerlich verbrannte Ueberreste man später unter den Trümmern fand. /41/ Die Aufregung in Osterhagen war aber furchtbar, und kaum wußte man sich des Brandes Herr und die Gefahr beseitigt, als auch schon reitende Boten, was ihre Pferde laufen konnten, nach der Stadt mußten, um dort die Verhaftung der vermutheten Brandstifterin zu bewirken.

      In dem von der Schulzin bezeichneten Hause fand man sie, wie nur die erste Anzeige bei der Polizei gemacht war, allerdings nicht, und die Leute dankten Gott, daß sie das Mädchen nicht bei sich aufgenommen hatten, hinter dem jetzt schon die Gensdarmerie hersuchte; aber bald darauf begegnete ihr einer der Osterhagener Burschen in der Straße, wie sie ahnungslos, daß auf sie gefahndet würde, eben nach einem neuen Dienst suchte. Ein Polizeibeamter, dem sie bezeichnet wurde, sprang hinzu und verhaftete sie, und Valerie fand sich wenige Minuten später, noch dazu von einem spottenden und lärmenden Volkshaufen begleitet, auf der Polizei, einem alten Herrn gegenüber, der ihr auf das Ernsteste zuredete, ihr Verbrechen zu gestehen, und ihre Strafe nicht noch durch hartnäckiges Leugnen zu verschärfen.

      Valerie war fast sprachlos vor Schrecken, und der Untersuchungsrichter schien das für ein Zeichen ihrer Schuld zu halten. Kaum aber erfuhr sie, um was es sich hier handle, als sie, wohl mit todtenbleichen Wangen, aber doch vollkommen fester Stimme, auf das Bestimmteste bestritt, auch nur das Geringste von der Ursache des Brandes zu wissen. Sie habe Osterhagen gestern Abend, lange vor Ausbruch des Feuers, verlassen, und nie auch nur den Gedanken einer solchen That gehegt.

      Sie sollte jetzt angeben, wo sie die Nacht zugebracht. Sie erzählte, wie sie von den Leuten, die sie in Dienst genommen, an der Thür wieder abgewiesen und dann hinaus vor die Stadt gegangen sei, um die ziemlich warme Nacht im Freien zuzubringen.

      Der Untersuchungsrichter schüttelte dazu sehr bedenklich mit dem Kopf; vor der Hand ließ sich aber nichts in der Sache thun. Die Angeklagte leugnete eben und mußte deshalb, bis sich weitere Beweise herausstellten, in ihre Zelle abgeführt werden. /42/ Valerie zitterte am ganzen Körper, als sie das Schreckliche vor sich sah, was sie bis dahin nicht für möglich gehalten, daß man ihr nämlich nicht auf ihr Wort glauben und sie frei lassen, sondern in das Gefängniß führen wolle. Aber kein Wort der Bitte, was ihr doch auch nichts geholfen, kam über ihre Lippen; ruhig wendete sie sich ab und folgte dem Schließer, der sie, bis die Untersuchung beendet war, in eine Zelle allein führte und die Thür dann hinter ihr verschloß und doppelt verriegelte.

      Vor allen Dingen wurde jetzt an Ort und Stelle der Thatbestand aufgenommen, und da stellte sich denn allerdings heraus, daß das Feuer nicht gut konnte aus Fahrlässigkeit entstanden sein, sondern daß eine absichtliche Brandstiftung als alleinige Ursache angenommen werden mußte. Der Brand war nämlich nicht im Wohnhause oder der Küche, sondern in einer abgelegenen Scheune ausgekommen, die nur durch einen, an dem Tag gar nicht betretenen Holzschuppen mit dem übrigen Gehöft in Verbindung stand. Man hatte sogar, als es heller Tag wurde, noch ein Paket mit Schwefelhölzern, gar nicht weit von jener Stelle entfernt, im Gras gefunden, das der Brandstifter jedenfalls verloren haben mußte. Dieser Platz lag auch so abseits von dem eigentlichen Hauptweg des Dorfes, daß man recht gut und unbemerkt von irgend einer Seite dahin gelangen konnte, so daß der Thäter kaum zu fürchten brauchte, gestört zu werden. Deshalb wurde das Feuer auch nicht eher entdeckt, als bis die Flamme schon das in der Scheune aufgeschichtete Stroh ergriffen hatte und hoch emporloderte; und dann fraß es so rasch und mit so wilder Gier um sich, daß an augenblickliche Hülfe nicht zu denken war.

      Des Schulzen erster Verdacht - obgleich sich die Frau nicht davon abbringen ließ, daß es niemand Anders als ihr weggejagter Dienstbote, die Falleri, gewesen sein könne - fiel allerdings auf den alten Bänkelsänger, der Ursache genug hatte, ihn zu hassen, und dem er eine derartige Rache auch schon zutraute. Brenner aber lag, als nach ihm geschickt wurde, so von Gliederschmerzen geplagt im Bett, daß er sich nicht rühren konnte, und die Aussage der Frau Kunze, die ihm vorher /43/ seine Suppe gebracht, und ihn, gleich wie sie nur den ersten Feuerlärm gehört, geweckt hatte, bewies ein so vollständiges Alibi, um jeden Verdacht vollständig zu entkräften.

      Es blieb also Niemand, der die That begangen haben konnte, als eben die Gemeinde-Waise; und einer von des Schulzen Knechten sagte jetzt sogar gegen sie aus: daß er das Mädchen, wohl anderthalb Stunden später, als sie ihr Haus verlassen habe, und schon bei vollständig angebrochener Dunkelheit noch im Dorf gesehen, aber weiter nicht auf sie geachtet habe. Sie sei nur an der andern Seite der Straße gegangen, und es ihm fast so vorgekommen, als ob sie nicht mit ihm zusammentreffen wolle. Weshalb brauchte sie aber das zu scheuen, wenn sie ein reines Gewissen hatte?

      Des Schulzen Frau trat als andere Zeugin gegen sie auf, oder erbot sich wenigstens dazu, und erklärte dem herausgekommenen Polizeibeamten, daß diese Falleri das nichtsnutzigste, verstockteste Geschöpf sei, das sie in ihrem ganzen Leben gesehen. Wie viel Gutes hätte sie und ihr Mann der „Creatur" gethan, und was sei ihr Dank dafür gewesen? - nie auch nur einmal ein freundlicher Blick oder ein vergnügtes Gesicht. Mürrisch und verdrossen sei sie fortwährend im Haus herumgegangen, nie wäre ein Wort aus ihr heraus zu bringen gewesen, und Stunden lang habe sie vor sich hingebrütet und ihre bösen Streiche ausgeheckt. Die hätte es hinter den Ohren, das wäre die Rechte, und es sollte sie nun auch gar nicht wundern, wenn sie Stein und Bein leugnete und so unschuldig thäte wie ein neugeborenes Lamm.

      Der


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