Hüben und Drüben. Gerstäcker Friedrich

Читать онлайн книгу.

Hüben und Drüben - Gerstäcker Friedrich


Скачать книгу
und habe das Feuer in die Scheune geworfen!"

      „Aber zwei Stunden nachher ist's erst ausgekommen."

      „Das ist möglich, es hat vielleicht so lange geglimmt, bis der Wind zu wehen anfing. Sie haben's auch wohl nicht gleich gesehen."

      „Das ist gerade, um Einen verrückt zu machen," brummte der Alte und schüttelte dabei immer, wie erstaunt, mit dem Kopf; „aber wenn's wirklich wahr wäre," fuhr er nach einer Weile wieder fort, „und ich glaub's nicht und würd' es selbst nicht glauben, wenn Dich jemand dabei erwischt hätte - weshalb hast Du's da den Eseln auf die Nase gebunden? Wer hätt' es Dir je beweisen wollen?"

      „Und was sollt' ich's leugnen?" sagte Valerie ruhig; „den Dienst bekam ich nicht mehr, nach Osterhagen konnt' ich nicht zurück, fremd und allein steh' ich in der Welt und habe /57/ ich immer gestanden, ich wäre doch zuletzt zu Grunde gegangen. Da ist's besser, ich sprach gleich die Wahrheit und leide jetzt meine Strafe."

      Der alte Bänkelsänger hatte sich neben sie auf die Pritsche gesetzt und schüttelte in einem fort mit dem Kopfe.

      „Ein merkwürdiges Zusammentreffen wär's doch," sagte er endlich, „ein heillos merkwürdiges!"

      „Was, Herr Brenner?"

      „Was? - hm - daß sie das Feuer nicht gleich entdeckt haben sollten; aber der Holzklotz von Nachtwächter schläft immer unter der Linde und dahinten an die Scheune kommt auch eigentlich Niemand hin."

      „An welche Scheune?"

      „Nun hinter des Schulzen Haus, wo das Feuer auskam."

      „Ja," nickte Valerie, deren Gedanken wo anders geweilt zu haben schienen, „ja, da kommt Niemand hin, es ist abgelegen."

      „Recht hätt'st Du gehabt, Mädel," nickte der Alte noch einmal mit dem Kopf; „verdenken könnte es Dir Niemand, denn schlecht genug behandelt haben sie Dich, niederträchtig behandelt, und schlimmer als einen Hund, und der Wurm krümmt sich zuletzt, wenn er getreten wird - aber das Maul hätt'st Du halten sollen, denn wer hätt's Dir zuletzt beweisen wollen, heh? Kein Mensch. Die Gerichtsbeamten thun allerdings immer schrecklich klug, gerade so, als ob sie Alles schon wüßten und nur aus lauter Plaisir noch weiter fragen, und dabei muß man sie lassen, nachher fahren sie selber den Karren in den Dreck, denn sie wissen gar nichts. Läßt man sich aber verblüffen, dann haben sie Einen, wo sie ihn hin haben wollen, und man sitzt fest."

      „Ich habe Alles freiwillig gestanden, Herr Brenner."

      „Desto dümmer," nickte der alte Mann, „denn dazu war gar keine Veranlassung; aber," setzte er leise hinzu, „es läßt sich vielleicht noch gut machen. Wenn Du in's nächste Verhör kommst, Falleri - und am besten läßt Du Dich gleich morgen früh beim Assessor melden - so sagst Du ihm nur, die ganze Geschichte sei nicht wahr."

      „Was ich schon gestanden habe?" /58/

      „Versteht sich, das macht nichts, das geschieht oft genug und gilt. Sag' ihm nur, Du hättest den ersten Tag eine solche Heidenangst, so einen Respect vor dem Gericht und den Eisengittern gehabt, daß Du selber nicht mehr wüßtest, was Du Alles geschwatzt; Du sei'st es aber gar nicht gewesen und wärest keine Brandstifterin."

      „Und da sollten sie mir glauben?" frug Valerie kopfschüttelnd.

      „Ob sie Dir's glauben oder nicht, bleibt sich ganz gleich," sagte der Alte, „aber in's Protokoll müssen sie's schreiben, und dann kommt's oben auf's andere Gericht und stößt die ganze Geschichte um, was Du früher gesagt hast. Willst Du's thun, Falleri?"

      „Nein, Herr Brenner," sagte das junge Mädchen ruhig, „was ich gesagt habe, hab' ich gesagt; es ist geschehen und aufgeschrieben, und Gott wird weiter helfen."

      „Wenn ich nur so 'was nicht hören müßte," brummte der Alte ärgerlich. „Wer sich selber hilft, dem hilft Gott, muß es heißen; selber mit anfassen muß man, und nachher - geht's auch nicht immer, aber man versucht's doch wenigstens. Versprich mir's, Falleri; ich hätte sonst keine Ruhe und - machte am Ende noch einen dummen Streich."

      Das junge Mädchen schüttelte ernst mit dem Kopfe, aber es blieb ihr keine Zeit zu einer weiteren Erwiderung, denn der Riegel wurde in diesem Augenblick wieder zurückgeschoben, der Gefängnißwärter sah herein und sagte:

      „Nun, alter Schwede, Deine Zeit ist um; mach' Dich auf die Socken."

      Der Bänkelsänger warf einen unschlüssigen Blick auf Valerie, aber er wußte recht gut, daß gegen den Befehl keine Einrede half; der Mann that nur seine Pflicht und wich auch von der nicht ab - außer, er hätte vielleicht die Mittel besessen, ihn zu veranlassen, seine Uhr um zehn Minuten zurück zu stellen. Brenner befand sich aber gerade nicht bei Kasse, und deshalb seinen alten Hut aufgreifend, sagte er trocken:

      „Was sein muß, muß sein, aber Falleri, überleg' Dir die Sache und thu's mir zu Liebe."

      „Wer war's denn, der bei dem Brand verunglückt /59/ ist?" frug Valerie, während sie ihm die Hand zum Abschied reichte.

      „Oh, weiter Niemand," sagte Brenner, obgleich ihm die Frage nicht angenehm zu sein schien, „als der Hans von Baumstetters und der Peter von des Schulzen Hof."

      „Die beiden Einzigen, die manchmal' freundlich mit mir waren," nickte das junge Mädchen; „arme Menschen!"

      „Wer kann's ändern," rief der Alte, „heute mir, morgen Dir; es hat so sein sollen, und Du brauchst Dir deshalb keine Gewissensbisse zu machen."

      „Na wird's bald?" rief Brummer, in der Thür stehend; „glaubt Ihr, daß ich weiter nichts zu thun habe, als auf Euch zu passen?

      „Ich will Ihnen etwas sagen, Herr Brummer," lachte Brenner, „wenn Sie auf mich passen müßten, hätten Sie gerade genug zu thun. Aber leb' wohl, Falleri - vergiß nicht, was ich Dir - erzählt habe - Du verstehst mich - wenn ich die Erlaubniß kriege, komme ich noch einmal her zu Dir," und ihr kräftig die Hand schüttelnd, verließ er die Zelle wieder und humpelte die Treppe hinunter, an den verschiedenen Schildwachen vorüber, aus dem Haus.

      7.

      Auf dem Kirchhofe.

      Indessen schleppte sich, nach dem gewöhnlichen Geschäftsgang, die Untersuchung noch einige Monate hin, und das Urtheil gegen die junge Verbrecherin lautete endlich, unter Annahme mildernder Umstände, auf zehn Jahre Zuchthaus und weitere zwei Jahre polizeiliche Aufsicht.

      Das Urtheil wurde bald in der Nachbarschaft bekannt, und die Leute schienen es meistentheils zu billigen. Nur des Schulzen Frau in Osterhagen war wüthend darüber und er-/60/klärte: es sei keine Gerechtigkeit mehr im Lande, wenn eine solche Verbrecherin, die zwei Todtschläge begangen, mit ein paar Jahre Zuchthausstrafe abkäme; die müßte doch wenigstens gehangen werden. Das Gericht zog aber des Schulzen Frau zu Osterhagen nicht zu Rathe, und da die Verurtheilte gegen die über sie verhängte Strafe nicht appellirte, wurde sie einige Tage später in die dafür bestimmte Anstalt abgeführt und auch weiter nicht mehr von der Sache gesprochen.

      Dem alten Brenner schien das Resultat freilich nicht recht, und er ging von der Zeit an noch viel mürrischer im Dorf umher als vorher. Auch daß der Schulze seinen Hof noch viel schöner aufbaute als früher, ärgerte ihn, und es zuckte ihm stets in Fingern und Armen, wenn er der hochnäsigen Schulzin begegnete, die ihn noch dazu nicht einmal eines Blicks würdigte. Aber was half ihm sein Ingrimm? Er mußte ihn eben hinunterschlucken, und durfte sich noch nicht einmal etwas merken lassen.

      Die „Falleri" war verschollen und im Zuchthaus begraben.

      So mochten fast zwei Jahre vergangen sein, als eines Tages eine stattliche Equipage in Osterhagen vor dem Wirthshaus hielt und ein junger Officier aus dem Wagen sprang. Er hielt sich aber gar nicht im Wirthshaus auf, sondern befahl seinem Kutscher nur auszuspannen, erkundigte sich dann bei einem der Knechte, in welcher Richtung etwa der Kirchhof liege, und schritt dann, ohne weitere Erkundigungen einzuziehen, der bezeichneten Gegend zu.

      Allerdings interessirte sich die Dorfjugend außerordentlich für ihn, und eine Anzahl der Jungen folgte dem schmucken Husaren auch in achtungsvoller Entfernung


Скачать книгу