Karibisches Reisetagebuch. Ludwig Witzani
Читать онлайн книгу.beschränkten und für den Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung standen, wurden Kontraktarbeiter aus Indien, China und teilweise auch aus Japan angeworben. Ein beachtlicher Teil der Einwohner der Karibik, Ostafrikas und Südamerikas sind die Nachfahren dieser Kontraktarbeiter. Auf den Kleinen Antillen spielen die Inder wirtschaftlich eine ganz maßgebliche Rolle, so dass ihnen im Prinzip ein eigenes Kapitel gewidmet werden müsste.
Denkmal des rebellischen Sklaven (Barbados)
Blick über eine Ayo-Landschaft in der Inselmitte
Aussichten auf den Eagle-Beach im Inselwesten
Das ostkaribische Reisetagebuch
Divi Divi und danki, danki auf ARUBA
Ganz im Gegensatz zu den Mitteilungen diverser Reiseführer kommt der Begriff „Antillen“ nicht von „Atlantis“, sondern vom lateinischen „ante illum“, was „Inseln vor der Küste“ bedeutet. Wirklich „vor der Küste“ aber lagen eigentlich nur die niederländischen Antilleninseln Aruba, Bonaire und Curacao (die sogenannten „ABC-Inseln“), die wir als erstes anlaufen würden. Erst danach würden wir in einem weiten Bogen die klassischen Antillen wie Grenada, Dominica, St. Lucia, Barbados, Antigua oder Guadeloupe besuchen, die sich keineswegs vor irgendeiner Küste, sondern am Rande des Atlantischen Ozeans befanden.
Ein „Info-Sheet“, das jeden Morgen unter der Kabinentüre hindurchgeschoben wurde, bot einige Basisinformationen. Entdeckt wurden die Niederländischen Antillen im Jahre 1499 durch den Spanier Alonso de Ojeda. 1634 besetzten die Holländer unter dem Kommando von Peter Stuyvesand die Inseln. Geschichtsinteressierten ist Peter Stuyvesand durch dreierlei bekannt: er besaß ein Holzbein, amtierte später als Gouverneur von Neu-Amsterdam (dem späteren New York) und war in den schrecklichen, vorökologischen Zeiten der Namensgeber einer Zigarettenmarke. Auf jeden Fall waren die Holländer auf Aruba, Curacao und Bonair seit fast vierhundert Jahren ununterbrochen präsent, so dass sich in dieser Zeit eine besondere Sprache, das sogenannte „Papiamento“ entwickelt hatte. „Danke, danke“ wurde mit „Danki, danki“ übersetzt, was ich mir gerne merken wollte, um die Einheimischen zu verblüffen.
Die erste ABC Insel, die wir nach dem Seetag anliefen, war Aruba. Aruba war 184 qkm groß, hatte etwa 10.000 Einwohner und verfügte über zahlreiche Kakteen, jede Menge krummer Divi-Divi-Bäume, malerische Ayos (Felsen), eine Windmühle, eine eingestürzte Naturbrücke und eine Serie herausragender, flacher Puderzuckerstrände. Was man allerdings ebenso wie auf Bonaire oder Curacao nicht erwarten sollte, war Postkartenkaribik, denn im Unterschied zu den üppigen, regenreichen nördlichen Antillen lagen die ABC Inseln im Wind- und Regenschatten und waren knochentrocken.
Wie ein schwerfälliger Wal legte die AIDAdiva an einer langen Betonmole im Hafenbecken von Oranjestad auf Aruba an. Auf den ersten Blick dachte ich: ein typisches Holland, genauso flach, genauso geschäftig, genauso multikulturell, allerdings fast völlig ohne Regen. Dafür landeten in der Hochsaison jede Woche doppelt so viele Menschen als Kreuzfahrer auf Aruba, wie die Insel Einwohner hatte. Auf der einzigen Durchgangsstraße von Oranjestad staute sich der Verkehr wie in einer mitteleuropäischen Rush-Hour. In den Strandbars war es brechend voll, und die Fortbewegung des gewöhnlichen Fußgängers war nur als ein slalomartiges Bürgersteig-Geschlängel möglich. Ein wenig Ruhe fanden wir erst im Wilhelmine-Park direkt am Meer, dessen zentrale Skulptur die niederländische Königin Wilhelmine zeigte, als sie noch halb so umfangreich war wie später.
Als wir den Park verließen, hielt eine Taxifahrerin neben uns und bot uns für einen Komplettpreis von 50 Dollar eine dreistündige Inselerkundung an. Die Taxifahrerin machte einen vertrauenserweckenden Eindruck, sie war eine junge Karibin mit Kraushaarfrisur, großen runden Augen und exzellentem Englisch. Ohne große Umstände stiegen noch zwei andere Kreuzfahrttouristen in das Taxi ein, was den Preis pro Person weiter minimierte. So einfach war das also?
Unsere Taxifahrerin hieß Anita, war gerade zwanzig Jahre alt, bereits Mutter von zwei Kindern und alleinerziehend, weil sich der Gatte in die Vereinigten Staaten abgesetzt hatte. Sie erzählte, dass 1000 Dollar das Durchschnittseinkommen der Inselbewohner wären und dass der Wind auf Aruba immer von Nordosten käme, so dass die Divi Divi Bäume wie Soldaten alle in die gleiche Richtung schauten. Tatsächlich boten die Divi Divi Bäume auf Aruba einen trostlosen Anblick. Es waren unansehnliche knorpelige Gewächse unter dem Diktat des Windes, der sie seit Jahrmillionen zauste. Bemerkenswert sei der hohe Taningehalt ihrer Rinde und Blätter, erzählte Anita, so dass man sie zur Farbgewinnung gebrauchen konnte.
Divi Divi Baum auf den Niederländischen Antillen>
So wurden wir über unsere erste Karibikinsel kutschiert, und um die Wahrheit zu sagen: eine Offenbarung war diese Reise nicht. Am besten gefielen mir noch die Ayo-Felsen nordöstlich von Oranjestad, die wie metergroße Riesenmurmeln in der Landschaft herumlagen. Bemerkenswert an ihnen war ihre runde, abgeschmirgelte Form, die versprochenen uralten indianischen Ritzzeichnungen der Indianer waren nirgendwo zu sehen. Drei Meter hohe Kakteen umgaben das Felsenensemble, auf dem den ganzen Tag die Touristen herauf- und herunterkletterten, um sich in allen Stadien ihres Auf- und Abstiegs gegenseitig zu fotografieren.
Was gab es weiter zu sehen? Eine alte Kirche in malerischer Lage vor dem Horizont des Meeres, ein wuchtiges Felsengebilde vor der Küste, das früher einmal wie eine Brücke ausgesehen hatte, nun aber eingebrochen war und einen Leuchtturm, um den sich zur Mittagszeit alle Tagesausflügler versammelten, als wäre es der Heilige Gral. Von diesem Leuchtturm aus überblickten wir die gesamte Insel, einen flachen, trockenen Fladen in einem regenlosen Winkel des karibischen Meeres. Hier trafen wir auch Marianne und August wieder. Sie gehörten zu einer offiziellen AIDAdiva-Tour und hatten für den Ausflug pro Person fünfzig Dollar bezahlt. Unsere preiswerte Extratour war natürlich nicht dazu angetan, unseren Kurs bei ihnen zu erhöhen. Schon auf der Rückreise, nördlich von Oranjestad, passierten wir den Palm- und den Eagle-Beach mit ihren Luxushotels, in denen mehrheitlich US Amerikaner abstiegen. Der Palm- und der Eagle-Beach gehörten zu einem über zehn Kilometer langen ununterbrochenen Strip von makellosen Weißsandstränden, die kinderfreundlich und wellenarm ganz sachte ins Meer abfielen. Wenn ich im nächsten Leben Kinder haben sollte, werde ich ihnen hier das Schwimmen beibringen.
Blick auf Willemstad/ Curacao
Willemstad, so bunt – CURACAO
Die Entfernung zwischen Aruba und Curacao betrug nur 137 Kilometer, so dass das Schiff, um Liegegebühren zu sparen, in der Nacht die Motoren stoppte und einfach eine Zeitlang in Sichtweite Curacaos ankerte. Erst gegen 7:00 Uhr in der Frühe erschien ein kleines Pilot-Boot und lotste die AIDAdiva in den Hafen von Willemstad. Langsam unterquerte unser gewaltiger Kahn die 57 Meter hohe Königin Juliana-Brücke, die höchste Brücke der Karibik, und legte an einer schlauchartigen Mole mitten in der Stadt an. Hunderte Schaulustige hatten das Anlegemanöver von den Balkonen oder dem Oberdeck aus verfolgt. Ebenso viele saßen bereits beim Frühstück und blickten wie aus einem Hochhaus auf Willemstad herab.
Willemstad machte einen noch wohlhabenderen Eindruck als Oranjestad. Die Stadt lebte nicht nur vom Kreuzfahrttourismus, sondern auch vom Lateinamerikahandel und der Raffinierung des venezuelanischen Erdöls, ein Geschäft, das wegen der katastrophalen Zustände in Venezuela derzeit allerdings nicht florierte.
An diesem Morgen ließen wir es ruhig angehen, frühstückten ausgiebig im Angesicht der wundersamen bunten Stadt und studierten die Informationen, die den Passagieren jeden Morgen als Faltblatt