Der Raum so weit, so groß die Welt. Christian Hermenau

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Der Raum so weit, so groß die Welt - Christian Hermenau


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aufbauen. Stützt man sich auf Experimente, so sind diese immer unvollkommen, erst recht mit den Mitteln der damaligen Zeit. Will man trotzdem universelle Gesetze daraus ableiten, muss man sie in Gedanken idealisieren. Beispielsweise stellt man sich in Gedankenexperimenten den Raum luftleer oder reibungsfrei vor und bezieht das in seine Experimente mit ein. Auf diese Weise kommt man zu Zusammenhängen, die zwar so nur für den Idealfall gelten, in denen aber doch das Wesen der Natur in Form eines Gesetzes steckt.

      Natürlich hatte Galilei auch die Persönlichkeit und die Anerkennung der Fachwelt hinter sich, um das Naturwissen ganz von der Philosophie zu lösen und damit auf eine neue Stufe zu stellen. Trotz seiner Schwierigkeiten mit der Obrigkeit, genoss er, besonders außerhalb von Italien, in Fachkreisen hohes Ansehen und mit seinem Werken über die Mechanik nahm der Weg der Physik bei ihm seinen Anfang.

      Inzwischen hat sich das gesellschaftliche Bild von der Physik und ihrer Bedeutung für die Gesellschaft, sowie auch für die Philosophie, komplett gewandelt. Was die Frage nach dem Ursprung allen Seins betrifft, ist heute nicht mehr die Theologie die Instanz, die als einzige, neben der Philosophie, antworten auf die Grundsatzfragen gibt, die anerkannt werden. Bislang stand die Physik immer im Schatten der Mathematik und der Philosophie und musste sich aus den übergeordneten Schöpfungsfragen heraushalten. Die Theologie gab die Grundlagen vor, daran hatte sich der Mensch zu halten. In der Philosophie wurden akademische Fragen über das Denken, auch das Naturgeschehen betreffend, theoretisch diskutiert und es wurde versucht die Klarheit der Mathematik und der Logik in den Aufbau der Welt mit einzuarbeiten. Doch der Durchbruch, der Physik als exakte Wissenschaft, gelang ihr erst, als auch das Denken jedes Einzelnen, kritischer und rationaler wurde. Erst nachdem die Menschen anfingen sich selbst zu erkennen, sich ihrer Individualität bewusst wurden, war es ihnen möglich die biblische Schöpfung in Frage zu stellen. Ab dann, konnten sie die Gesetzmäßigkeiten in der Natur analytisch, sachlich, nüchtern begreifen und verstehen.

      Musste der Italiener noch um die Reputation seiner Person als Physiker in der allgemeinen Gesellschaft kämpfen, so genießt ein Physikprofessor inzwischen großes Ansehen, selbst wenn er unbekannt bleibt. Heute würde niemand darüber spötteln, wenn sich jemand als Physiker vorstellt.

      Physiker stehen für Intelligenz und Klugheit. So heißt es, dass Physiker komplexe Sachverhalte verstehen und Lösungen dafür finden können. Sie sind diejenigen, die heute über den Ursprung des Universums nachdenken, sich über die ganz großen Weltfragen Gedanken machen und die Entscheidung darüber fällen, was als anerkannte Meinung akzeptiert wird und was nicht. Nicht mehr die Theologie und auch nicht mehr die Philosophie findet heute in der gesellschaftlichen Diskussion über das Woher und Wohin so viel Respekt und Gehör wie die Physik. Ob zu Recht oder zu Unrecht und ob man wirklich jeden Physiker ernst nehmen sollte, ist eine andere Frage. Allein schon die verwirrenden, fremdartigen Formeln und Gleichungen, mit ihren vielen abstrakten Zeichen, haben etwas Achtung gebietendes. Gleichungen die eine ganze Tafellänge beanspruchen und Umformungen, Beweise und Rechnungen, die sich in einer Vorlesung über viele große Tafeln erstrecken, sind selbst für Physiker ermüdend und schwer zu verfolgen, haben aber eine respekteinflößende Wirkung.

      Der Weg zum Physiker ist lang und mühevoll und die wirklich spannenden Themen werden oft nur kurz behandelt oder verschwinden wieder aus der Anschaulichkeit in die Mathematik. Das Physikstudium bietet wenig Raum für philosophische Betrachtungen. Meistens bleibt die Ausbildung sehr sachlich und nüchtern, mit einem hohen Maß an Spezialisierung.

      Die Physik ist eine Grundlagenwissenschaft. Auf ihren Erkenntnissen bauen die weiterführenden Naturwissenschaften und die Technik auf. Es steht weder die Anwendungsbezogenheit im Vordergrund noch ob es für den Menschen wichtig ist, ob es ihm in irgendeiner Weise Nutzen bringt. Sie beschäftigt sich mit den grundlegenden Phänomenen in der Natur und versucht ihre Eigenschaften und ihr Verhalten, in Modellen und Gesetzmäßigkeiten zu erklären. Liest man über die großen Entdeckungen in der modernen Physik, dann wird man angeregt, sich selbst über elementare Dinge wie die Materie oder den Raum Gedanken zu machen. Studiert man später Physik, fällt gleich auf, wie wenig das Erhabene im Studium eine Rolle spielt und wie sachlich die Lehre mit dem Geheimnisvollen, dem Unbekannten umgeht. Auch im späteren Tätigkeitsfeld eines Physikers, wird nicht mehr über die großen, offenen Fragen diskutiert, als in anderen Bereichen der Gesellschaft. Mit den wirklich großen, spekulativen Fragen der Physik beschäftigt sich beruflich später nur ein äußerst kleiner, fast elitärer Kreis, an den großen Grundlagen-Laboratorien und in den bedeutenden Universitäten. Vielen Physikern, aber auch fachfremden Menschen, die sich Gedanken über den Aufbau der Welt machen, ist dieser Zugang meist verwehrt. Gehör findet nur, wer Einlass zu den alles bestimmenden akademischen Zeitschriften der Physik hat. Dafür braucht man Reputation. Es muss ein angesehenes Institut oder ein großes Forschungslabor hinter ihm stehen. Außenstehende haben da keine Chance. Es geht nicht darum über falsche Ideen und kreativen Gedanken sich weiterzuentwickeln, sich hoch zu irren, etwas auszuprobieren und daraus zu lernen, sondern wer den Zugang hat, wer ganz oben steht, der gibt den Weg vor, er bestimmt was richtig und was falsch ist. Doch auch innerhalb der Fachkreise werden Kritiken oder aufgedeckte Fehler nicht als Bereicherung auf dem Weg zu neuem Erkenntnisgewinn gesehen, sondern sie werden wie ein Angriff auf die eigene Person gewertet. Mitstreiter gelten als Konkurrenten auf die wenigen Karriereposten.

      Die scheinbar so objektive Physik wird in den großen, spekulativen Fragen von einigen wenigen festgelegt und selbst wenn die zunehmenden Ungereimtheiten schwer auf ihr lasten, so bauen sich weiter die Karrieren innerhalb der Physik, auf die bewährten Standardmodelle auf, die fest in der Hand der alten Ordnung liegen.

      Galilei stritt sich noch mit der über Jahrhunderte alles bestimmenden Autorität der Kirche und den gesellschaftlich hoch im Ansehen stehenden Theologen - er, als kleiner Mathematicus, gegen die Kardinäle Roms. Heute sind es die Mechanismen der Physik selber, die zwar zweifellos höchste Standards hervorgebracht haben, nun aber wegen der Qualität ihrer Ergebnisse und dem Establishment, in Reglosigkeit erstarren.

      Wie in allen Bereichen im Miteinander von Menschen, geht es auch in der Physik nicht nur um die Wahrheit, selbst wenn sie von naturwissenschaftlich denkenden Menschen als Alibifunktion herhalten muss, sondern auch hier geht es um Einfluss und Macht, um Karrieren, den Ruf und das Geld. Auch die Physik des 21. Jahrhunderts ist nicht frei davon und wir sollten weiter kritisch mit den anerkannten Lehren sein.

      Galilei, Newton, Einstein

      Zu Galileis Zeiten sah die Welt, aus der heutigen Sicht, noch viel einfacher aus. Er musste nur die Obrigkeit davon überzeugen, dass sich die Erde um ihre eigene Achse dreht und nicht das Universum um die Erde. Doch ist das wirklich so einfach zu erklären? Warum merken wir denn nichts von der Bewegung der Erde, obwohl sie in nur 24 Stunden, am Äquator, ihren gesamten Umfang zurücklegt. Müssten wir denn nicht weggeschleudert werden? Warum wird uns nicht schwindelig bei diesen hohen Drehgeschwindigkeiten?

      So oder so ähnlich argumentierten die Kritiker und waren sich ganz sicher, dass sie Recht hatten. Man müsse es irgendwie fühlen, wenn sich die Erde unter den Füßen bewegt. So etwas bräuchte man auch nicht zu überprüfen - es wäre einfach klar!

      Auf der Suche nach einem unwiderlegbaren Beweis dafür, dass sich die Erde dreht und wir trotzdem nicht davon fliegen oder die Bewegung spüren, entdeckte Galilei die Trägheit von Körpern. Er beobachtete genau, wie sich Massen verhielten, wenn sie gleichmäßig bewegt werden, immer und immer wieder. Dann verallgemeinerte er seine Beobachtungen auf den Idealfall und entwickelte daraus eine Gesetzmäßigkeit für alle Körper die sich gleichmäßig bewegen, die er Trägheit nannte. So bemerkte er, über die Untersuchung der Bewegung, dass physikalischen Gesetze unabhängig von dem Bewegungszustand des Bezugssystems sind. Also definierte er zum einen, das Inertialsystem als ein Bezugssystem, das kräftefrei ist und zum anderen das Relativitätsprinzip, das alle Inertialsysteme gleichwertig sind. Zusätzlich entwickelte er eine Koordinatentransformation, um die verschiedenen Bezugssysteme ineinander überführen zu können. Galilei geometrisierte die Welt. Ja er selber ging in seiner Euphorie so weit, die Welt selber, als die Geometrie anzusehen und war mit diesem Grundgedanken überaus erfolgreich.

      Nur wenige Generationen später stellte, auf den Erkenntnissen Galileis zu den


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