Der Raum so weit, so groß die Welt. Christian Hermenau

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Der Raum so weit, so groß die Welt - Christian Hermenau


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Die meisten Menschen denken nach wie vor, in der vertrauten Reihenfolge, von innen nach außen. Sehen wir in die Tiefe des Weltraums, dann ist das Licht alt, aber es kommt vom Rand her, von den entfernten äußeren Bereichen zu uns ins Innere und nicht vom Anfang des Weltalls, nicht von einem noch ganz jungen Universums. Das wäre ja so als könnten wir in genügend großer Entfernung eine Erde finden, bei der das Leben erst beginnt.

      Ist das Universum damit eine Zeitmaschine?

      Nach der Urknallhypothese schon. Danach müssen wir das genau annehmen. Und nach Einsteins Feldgleichungen ist das eine der möglichen Konsequenzen, wenn der Raum etwas ist, das sich dehnen und stauchen lässt oder die Zeit eine eigene Dimension darstellt.

      Die Urknalltheorie, wie sie heute favorisiert wird, ist dabei nur eine von vielen möglichen Lösungen der einsteinschen Gleichungen. Einsteins Feldgleichungen verknüpft eine verallgemeinerte, geometrische Idee über den Raum der Mathematik, mit der Energiedichte und dem Impuls unserer physikalischen Welt. Sie beschreibt das Zusammenspiel von Raum und Materie oder allgemeiner von Raum und Zeit auf der einen Seite und Impuls und Energie auf der anderen. Raum und Zeit, Impuls und Energie, also den Grundgrößen der Physik. Damit ist die allgemeine Relativitätstheorie eine Übertheorie. Etwas, das über allem steht und stets mit erfüllt sein muss.

      Newtons Gravitationstheorie bezieht sich nur auf das Wechselspiel von Massen. Es ist wegen seiner Einfachheit sehr robust und wird für alle normalen Probleme weiter verwendet.

      Dabei sollte man nicht den Irrtum verfallen, zu glauben, dass sich mit einem einfachen Grundgesetz auch alles einfach berechnen lässt. Hat man nur drei Himmelskörper und wirkt auf sie nur das Gravitationsgesetz nach Newton, dann ist es mathematisch schon nicht mehr möglich, den Bahnverlauf exakt analytisch vorherzusagen. Schon Nicolaus Copernicus und Johannes Kepler erkannten die Schwierigkeiten der Berechnungen und selbst bedeutende Mathematiker wie Euler, Lagrange oder Poincare´ bissen sich daran die Zähne aus. Es ist kaum zu glauben, aber trotz dieses einfachen Grundgesetzes der Gravitation, ist die Bewegung schon von nur drei Körpern im Allgemeinen chaotisch und kann auch heute nur in Näherungsverfahren gelöst werden. Da wundert es einen, wie unser Sonnensystem mit ihren ehemals neun Planeten und der Sonne, über einen so langen Zeitraum stabil bleiben konnte.

      Isaak Newton ging noch davon aus, dass sich die Kräfte unmittelbar übertragen. Instantan, also augenblicklich ist die Kraft da. Für ihn hatten der Raum und die Zeit noch etwas Absolutes. Im ganzen Universum gibt es nur eine Zeit und nur eine Raumgröße, eine Länge die sich nicht ändert, genauso wie die meisten es intuitiv annehmen. Denn so deckt sich unsere Vorstellung mit der Alltagserfahrung. Zeit fließt, unabhängig davon, ob wir subjektiv etwas als schnell oder langsam erleben und auch Entfernungen lassen sich nicht durch irgendwelche geheimnisvollen Kräfte, durch etwas Magisches verändern. Raum und Zeit stehen da, als die Säulen des Beständigen. Entsprechend groß war die Erschütterung, dass dies keinesfalls, in jeder Situation, der Fall sein muss und die Menschen, auch die Physiker, haben lange dafür gebraucht sich darauf einzulassen, dass Zeit unter bestimmten Bedingungen nicht so gleichmäßig vergeht, wie wir das annehmen. Die Vorstellung von einer kontinuierlich fließenden Zeit ist das, womit jeder Mensch zunächst einmal groß wird. Doch die Welt der Längen und der Uhren ist auch weiterhin so lange in Ordnung, wie wir uns mit Geschwindigkeiten bewegen die vertraut sind, die zu unserer komplexen, irdischen Welt gehören. Sie gilt auch für große Massen, wie Himmelskörper oder Planeten, solange sie sich mit normalen Geschwindigkeiten bewegen. Sie stimmt nur noch halb, wenn wir es mit großen Geschwindigkeiten zu tun haben. Aber die Logik der vertrauten Welt verändert sich vollends, wenn wir in den Grenzbereich zur Lichtgeschwindigkeit kommen. Das ist aber nur bei Extremobjekten im Weltraum oder auf der Erde bei Teilchenexperimenten, die knapp unterhalb der Lichtgeschwindigkeiten abgehen und bei Präzisionsmessungen mit extrem genauen Atomuhren, der Fall. Zählt man in einer Cäsiumatomuhr die Zustandswechsel der Atome und berechnet daraus die Weltzeit, dann hat man eine Präzision die von den Urbausteinen selber stammt. Bei solch einer Präzision stellt sich heraus, dass jede noch so kleine Bewegung die Zeit ändert und Längen nicht gleich Längen sind. Jede Bewegung verändert unsere Raum- und unsere Zeitkoordinaten und jeder Körper tut dies, allein weil er eine Masse hat. Der Grund warum wir nichts davon mitbekommen ist zum einen, dass diese Zeitverschiebungen viel zu klein und zum anderen, dass unsere Beobachtungen im Alltag viel zu grob sind, wenn wir uns in makroskopischen Größenordnungen bewegen. Doch versuchen wir Aussagen über das Ganze zu machen, über alle Massen, Bewegungen, Energien und über den ganzen Raum und der Zeit, dann muss man von den

      einsteinschen Gleichungen ausgehen, die als einzige Theorie die Raum-Zeit-Krümmung durch Massen und Energien mit berücksichtigt. Dann ergeben sich auch Lösungen, dieser hoffentlich allgemein gültigen Gleichungen, die das Ganze als Punktanfang zulassen oder zumindest einen Zustand bei dem sich auch der Raum selber dehnen und stauchen kann.

      In der allgemeinen Relativitätstheorie wurden die Grundgrößen, das Fundament auf dem alles aufgebaut ist, dem Raum und der Zeit, die bisher absolut und beständig immer da waren, erschüttert. Doch war dies nicht das erste Mal, dass unsere Vorstellungen korrigiert werden mussten. Galilei stürzte Archimedes vom Sockel, als er die Sonne ins Zentrum rückte oder Newton als er die Himmelsmechanik der Massen erkannte. Doch auch die Kenntnis, durch die modernen Teleskope, von der unvorstellbaren Größe des Weltalls und ihrer Anzahl an Sonnen, erschütterte unsere geborgene, übersichtliche Vorstellung der Dimensionen. Heute, durch die Revolution der Computer und Netzwerke, stehen wir den rasanten Veränderungen, in immer kürzeren Zeitspannen, recht gelassen gegenüber. Ja wir warten schon fast wieder auf den neusten Hype. Inzwischen sind wir bald gottesgläubig, was das Machbare in der Technik angeht und verlieren beinahe den Boden unter den Füßen.

      Seit Albert Einstein seine verallgemeinerte Relativitätstheorie veröffentlichte, müssen auch Raum und Zeit erst erschaffen werden. Es sind auf einmal Größen, die man verändern, mit denen man arbeiten kann, ähnlich wie zuvor schon mit der Energie und der Materie. Das Problem für uns Welterschaffer daran ist nur, das wir immer mehr Teile aus dem Nichts erfinden müssen. Wir können nicht nur die Materie als Baumaterial nehmen, Energie hinzufügen und unser Universum damit in etwas hinein erschaffen, das schon immer da war, dem Gefüge von Raum und Zeit - nein, wir müssen uns auch noch Gedanken darüber machen, was denn der Raum und die Zeit darstellen sollen. Wie kann Zeit oder Raum entstehen und wo kommen sie her?

      Die Fragen werden nicht leichter und bevor wir uns verlieren, gehen wir erst mal zurück zum Anfang der Welt nach der Urknalltheorie. Blicken wir nach dieser Theorie tief in den Weltraum hinein, dann bleibt die Frage, was sehen wir eigentlich?

      In großen Entfernungen sind Einzelsterne zu lichtschwach, um sie noch beobachten zu können, aber große Sternansammlungen, wie Galaxien, können wir auch sehr weit weg gut erkennen. Ist dann eine solche Galaxie jünger in ihrer Entwicklung, weil sie zeitlich nach uns entstanden ist, das zumindest wäre eine uns vertraute Vorstellung oder sehen wir eine jüngere Galaxie, weil wir, nach der Urknalltheorie, in die Vergangenheit sehen können? Ist das was hier ankommt vor unserer Zeit oder nach unserer Zeit entstanden? Falls es vor unserer Zeit entstand, würden wir tatsächlich in der Zeit rückwärtsgehen. Das heißt nicht, dass wir veraltetes sehen, sondern was wir dann betrachten, ist die Vergangenheit des Universums.

      Der Raum wird kleiner, je weiter wir blicken und könnten wir Details auf fernen Planeten beobachten, dann wäre es etwas aus der Vergangenheit. Das Universum wird danach, je tiefer wir vordringen, immer jünger und jünger. Und das ist etwas sehr schwer Vorstellbares. Eine sehr harte Nuss, die uns da angeboten wird.

      Falls man mit einem Teleskop in einer Million Lichtjahren Entfernung die Erde sehen könnte, dann sähe es dort wie vor eine Million Jahre aus. Mit der Erde geht das nicht, weil bei uns die Gegenwart liegt und die Zeit ihren Nullpunkt hat, aber mit dem Universum als Ganzes, würde das so funktionieren. Es wäre die Konsequenz der Urknalltheorie. Sie steht dabei zumindest nicht im Widerspruch zur Relativitätstheorie. Ist die allgemeine Relativitätstheorie richtig, dann kann sich die Urknalltheorie bestens darauf stützen. Sie steht im Einklang dazu.

      Trotzdem sollten wir kritisch bleiben, denn auch die Relativitätstheorie gründet sich auf einer Vorstellung von Raum und Zeit, die noch nicht ganz zu Ende gedacht wurde. Und allein aus dem was


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