Der Raum so weit, so groß die Welt. Christian Hermenau

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Der Raum so weit, so groß die Welt - Christian Hermenau


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oder unendlich ist, als wir bereit sind auszuhalten. Die Antwort darauf, was vor dem Urknall war, was bleibt, wenn alles verschwindet, hängt auch davon ab, wie viel man bereit ist zu akzeptieren. Und doch ist genau das vielleicht, für die Meisten, der eigentlich tiefere Grund, sich überhaupt mit dem Ursprung zu befassen. Wir suchen einen Sinn für das Ganze, etwas beständiges, etwas Ewiges, etwas das jeden Einzelnen zu etwas Besonderen macht. Materie, die von einer Ewigkeit ist und von einem kosmischen Geist berührt wird. Es kann sein, dass wir uns deshalb so schwer mit dem Nichts und der Unendlichkeit tun, weil damit auch so eng die Sinnlosigkeit alles Seienden verbunden ist.

      Der Urknall

      Wollten wir die Welt wie ein Gott selber erschaffen oder an einem zukünftigen Quantencomputer simulieren, wäre die Idee, dass alles in einem Punkt in einer Singularität begonnen hat, die denkbar abwegigste aller Ideen. Niemand käme auch nur auf den Gedanken, alles, das ganze riesige Universum, hätte in einem winzigen Moment, aus dem Nichts, wie ein Gottesfunke entstehen können. Es ist einfach zu abwegig. Als Schöpfer der Dinge würden wir von wenigen, aber entscheidenden Grundbedingungen ausgehen. Wir würden uns viel, viel Material von einem Stoff derselben Sorte besorgen und uns lange Gedanken darüber machen, wie wir die Komponenten am geschicktesten miteinander verbinden könnten, so dass die Dinge in Bewegung kommen, sich verkomplizieren, komplexer werden, und das möglichst aus sich selbst heraus. Wir würden uns lange den Kopf zermartern wie man Körper dazu bringt sich in Bewegung zu setzen, denn nur einfach Körper oder irgendetwas Substanzielles zu haben, reicht nicht. Es muss eine Verbindung zwischen ihnen geben, einen Austausch. Sie dürfen nicht nur starr angeordnet sein, sonst würde über Millionen von Jahren alles beim Gleichen bleiben. Umgekehrt wissen wir von der Natur, dass nichts ewig hält, nicht einmal so beständige Dinge wie Steine und Berge. Und in komplexen Welten, wie hier auf unserer Erde, würden sich sogar die gewaltigen Berge innerhalb weniger Millionen Jahren, allein durch Regen und Verwitterung abtragen, gäbe es die Plattentektonik nicht, die die Kontinentalplatten übereinander schiebt und damit aus den Meeren anheben.

      Aber wie kommt man dahin wie können wir eine Welt erschaffen?

      Unsere Erde, mit dem Leben auf ihr, ist eines der komplexesten Systeme die wir kennen, vielleicht das Komplexeste was die Natur hervorgebracht hat. Wir kennen zumindest nicht eine Einzige andere Welt, die auch nur im Ansatz der unseren nahe kommt. Wie erschafft man so etwas mit einfachen Grundbedingungen, wenn einem als Baummaterial die Materie schon zur Verfügung steht. Wie bekommt man Bewegung in die Teile, und das möglichst ohne äußere Hilfen, alles nur aus sich selbst heraus. Auch hier zeigt es sich, dass makroskopisch die Objekte, über große Zeiträume, scheinbar ruhen können. Mikroskopisch sind hingegen alle Körper aus Atomen und Molekülen aufgebaut. Könnten wir tief in den Mikrokosmos hinein sehen, dann würden wir erleben, wie unmöglich es ist, Ruhe oder Stillstand zu finden. Alles, jedes einzelne der endlos vielen Atome, bewegt sich. Nicht nur die Atome und Moleküle in Gasen und Flüssigkeiten, sondern auch die in Festkörpern. Atome sind zwar in den Gitterverbindungen gefangen, doch gibt es innerhalb ihrer Randbedingungen, trotz der unvorstellbar großen Zahl, nicht eines das ruht. Selbst unser so scheinbar ruhender Fels bewegt sich nur in Bezug auf die Erde nicht. Fels und Erde zusammen bewegen sich aber permanent, in einer Vielzahl überlagerter Bewegungen, durch den Raum.

      Für unsere neu zu erschaffende Welt, brauchen wir sehr viele Grundbausteine, damit wir überhaupt etwas aufbauen können, dann muss es zwischen den Teilen eine Verbindung und darüber einen Austausch geben und wir brauchen zudem für jeden einzelnen Baustein, eine individuelle, innere Unruhe. In dieser individuellen Eigenbewegung muss irgendeine tragende Bedeutung liegen, denn anscheinend hat auch bei den Atomen jedes Einzelne etwas Unberechenbares in seiner Bewegung oder in seiner Position im Raum. Es scheint fast so, als wäre in allen Teilchen etwas Lebendiges mit eingewoben. Seit es Atome gibt, sind sie in Bewegung. In ihnen ist etwas, das sich immer wieder mit der Umgebung, im Nahen wie im Fernen, austauscht. Dabei hat jedes einzelne Partikel seine ganz eigenen Bewegungen, die ihm seine Individualität verleiht. Schon bei den einfachsten Elementen, ist kein Teil wie das Andere, alles bewegt sich oder wie Heraklit sagen würde „panta rhei“, alles fließt.

      Doch befassen wir uns vorerst mit dem, wie sich die Wissenschaftler den Anfang von allem vorstellen. Was wird in den Büchern gelehrt? Was ist die Grundlage der physikalischen Forschung? Womit hat, nach der heute anerkannten Lehre, alles begonnen?

      Tatsächlich gibt es eine von den meisten Wissenschaftlern akzeptiere Grundlage, nämlich die Theorie vom Urknall, dem Anfang der uns bekannten Welt. Die Urknalltheorie ist die konsequente Umkehrung von all dem, was wir heute beobachten. Anscheinend strebt alles, was wir am Firmament mit den Teleskopen und Messgeräten registrieren, auseinander. Jedes Objekt, das wir noch irgendwie nachweisen können und ist es noch so schwach oder weit weg, scheint sich von uns zu entfernen. Wenn also alles auseinander strebt, dann müssen die Dinge früher Mal viel näher gewesen sein. Gehen wir, in Gedanken, in der Zeit zurück, so erhalten wir ein Universum, in dem sich die Galaxien und Sterne, all die Materie, viel näher waren. Der ganze Kosmos müsste viel kleiner gewesen sein und die Materie dichter gedrängt. Da Masse eine Form von Energie ist, hätten wir auch mehr Energie pro Volumen, also mehr Druck.

      Woher dieser Druck kommt, warum das Universum am Anfang mehr Druck hatte, woher überhaupt die viele Energie kommt, bleibt dabei offen. Wir beobachten nur den Weltraum und rechnen, das was wir sehen, in der Zeit zurück, ohne auf den Grund der auseinander strebenden Bewegung einzugehen. Wir stellen auch fest, dass sich nicht alles im Universum gleich schnell von einem Mittelpunkt entfernt, wie das bei einer Explosion der Fall wäre. Bei einem Knall bewegt sich die Materie auf einer Explosionswelle, wie ein Tsunami, vom Zentrum gleich schnell weg. Das passiert hier nicht, also ist der Name Urknall etwas irreführend. Inzwischen können wir, mit unseren Teleskopen, sehr tief in den Raum hineinsehen, viele Milliarden Jahre weit und immer zeigt sich das gleiche Bild: Je weiter wir den Weltraum durchforsten, umso tiefer die zu beobachtenden Galaxien und Quasare sind, die wir ausfindig machen, desto schneller bewegen sie sich von uns weg. Dabei scheinen die Entfernung und Geschwindigkeit im gleichen Maß konstant zuzunehmen. Außerdem wird das Universum nicht plötzlich leerer oder voller, sondern es erscheint in etwa homogen mit Materie gefüllt zu sein. Der Raum wechselt zwar zwischen großen Leerräumen und großen Massenansammlungen, aber das in gleicher Weise im ganzen Universum. Und noch etwas fällt auf. Beim Blick ins Weltall, ganz gleich in welche Richtung wir sehen, scheint es, als wären wir immer der Mittelpunkt der Welt, so als hätte der Urknall genau bei uns angefangen, als wären wir der Nabel von Allem, ganz wie es schon das aristotelische Weltbild behauptet hatte.

      Die maximale Geschwindigkeit mit der sich etwas ausbreiten kann ist die Lichtgeschwindigkeit. Folglich vergeht immer Zeit, bis das Licht der fernen Objekte am Firmament bei uns ankommt. Da alle Sterne die wir sehen weit weg sind, ist das was wir sehen immer aus der Vergangenheit; je weiter weg, desto älter. Erstaunlich ist, wie weit wir mit unseren Teleskopen sehen können. Das Universum muss also überwiegend extrem leer sein. Erst Menschen des 20. Jahrhunderts waren mental so weit, dass sie sich auf solch gewaltige Massen und Räume einlassen konnten. Die Fülle an Sternen, nur einer einzelnen großen Spiralgalaxie, ist immens, doch ist das Universum angefüllt mit hunderten von Milliarden solcher Galaxien. Gleichzeitig, und das hört sich fast widersprüchlich an, ist das was wir am meisten im Universum finden, die Leere, der materielose freie Raum. Sterne und Galaxien konzentrieren sich auf bestimmte Bereiche. Dazwischen ist nichts, eine endlose Leere, so leer, dass selbst entferntestes Licht noch zu uns gelangt, ohne von irgendwelchem Staub oder Partikeln dazwischen verschluckt zu werden. Wenn wir uns das Licht von Himmelskörpern ansehen, die Milliarden von Lichtjahren entfernt sind, so ist das was wir sehen auch vor Milliarden von Jahren passiert, eben weil das Licht so lange unterwegs war. Und doch bleibt gerade bei so großen Entfernungen die Frage, ist das was wir zum Beispiel in 13,7 Mrd. Jahren Entfernung anschauen, der Rand unseres Universums, wie man intuitiv glaubt, wenn man von einer großen Weltenkugel ausgeht oder ist es ein winzig kleines Universum, fast nur ein Punkt, in den man hineinsieht. Denn das wäre der Fall, wenn das Universum in einem Urknall begann und wir in der Zeit rückwärts sehen.

      Öffnet sich der Blickwinkel nach außen oder verkrümmt sich der Raum in der Ferne tatsächlich zu etwas Kleinem?

      Diese


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