Rentadep. Jens Otto Holländer

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Rentadep - Jens Otto Holländer


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Beikonsum von irgendetwas?“

      „Ab und an Schore. Und immer Pillen. Benzos. 2-10 Stück am Tag.“

      Sabine nahm das zur Kenntnis, ohne irgendeine Wertung.

      Das war vor drei Wochen gewesen. Er bekam den Arzttermin, wurde für tauglich befunden und hatte seit fünf Tagen Euphorin bekommen. Nun sollte er sich entscheiden. Wieder saß er bei Sabine.

      „Wie ist es dir ergangen?“

      „Ja, ganz gut. Ich verstehe jetzt, was die Leute an dem Zeug so toll finden. Es ist wirklich kein Vergleich zu Methadon. Aber der ganze Rattenschwanz, der mit dranhängt, schreckt mich ab. Mich auf Jahre hinaus zu entgeltloser Arbeit zu verpflichten… ich weiß nicht.“

      „ Weißt du Manny, in deinem Alter ist die kürzeste Laufzeit zehn bis zwölf Jahre. Die sind so schnell vorbei. Viele von uns arbeiten nur halbtags. Wenn du keinen Außeneinsatz willst, kannst du dich für Jobs innerhalb von Rentadep bewerben. In einer Beratungsstelle, als Begleiter eines Teamleiters, im Fahrdienst der größeren Niederlassungen, es gibt etliche Möglichkeiten. Solltest du zu uns kommen, dann wird das alles einzeln mit dir besprochen, du füllst einen Fragebogen aus, auf welchem du genau festlegst, was du möchtest und was nicht.“

      Manny war wirklich in der Zwickmühle. Die Vorstellung auf das tolle Feeling verzichten zu müssen und wieder Metha zu nehmen, war nicht erbaulich. Aber so war er wenigstens ein halbwegs freier Mensch. Wenn man bei Rentadep unterschrieb, dann verkaufte man sich mit Haut und Haar. Genau das sagte er Sabine.

      „ Es tut mir leid, dass dir unser Programm offensichtlich nicht behagt. Vielleicht brauchst du auch einfach noch etwas Zeit. Vier Monate hast du noch. Und falls du danach meinst, du wolltest doch umsatteln, dann kommst du zu mir und ich sehe was ich machen kann. Solange du noch solche Zweifel hast, würde ich dir raten, nach deinem Gefühl zu handeln. Du bist ein gestandener Mann und keine 18.“

      „Sabine ich bin dir sehr dankbar für deine offenen Worte. Ich werde nun zu meinem Doc gehen und ihm sagen, dass ich ab morgen früh wieder komme. Den Verdampfer gebe ich wie besprochen in meiner Apotheke ab. Einen Shot habe ich ja noch drin für heute Abend.“

      „ Hier ist noch unser Kärtchen, machs gut.“

      Als Manny sich später die Karte ansah las er in weiblicher Schrift, „Ich finde Dich süß“ und eine Telefonnummer. Er lächelte.

      Zentrale

      Knapp 20 Autominuten von Reutlingen/Pfullingen entfernt, oben auf der Schwäbischen Alb, im sogenannten Sonnenbühl, einer Gemarkung von drei Ortschaften, befand sich die europäische Zentrale von Rentadep.

      Abseits von Erpfingen, auf dem Gelände eines früheren Aussiedlerhofes stand, umsäumt von einer unscheinbaren, doch ungesehen kaum zu überwindenden Umzäunung, ein flach erscheinendes 8 Stockwerke umfassendes Gebäude.

      Der Grund, warum sich alle anliegenden Landwirte und Bewohner schnell wieder beruhigt hatten, war dem Umstand geschuldet, dass sechs der acht Stockwerke in den Untergrund gegraben worden waren und man gar nicht sehen konnte, welch riesiger ,umgedreht pyramidenförmiger Komplex hier stand, bzw in der Erde versenkt worden war. Maßgeblich beteiligt, am Entwurf des neuen Gebäudes, war Architekt, Mitgründer und Vorstandsmitglied von Rentadep Markus „Sammy“ Sehmann. Während der Ausschachtung waren Sichtschutz Bauzäune aufgestellt, das Gelände nachts beleuchtet und streng bewacht worden. Als nach einigen Monaten die Zäune entfernt wurden, sah man lediglich einen, relativ kleinen, zweistöckigen, entfernt an eine stumpfe Pyramide erinnernden Rohbau, der sich harmonisch in die Landschaft einfügte und der so gar nichts mehr mit der über 100m langen und breiten Baugrube, die insgesamt rund 40 m tief gegraben worden war. Aufmerksame Beobachter hätten sich gefragt, wohin die endlose Reihe von Betontransportern, ihre Fracht entladen hatte. In die unterirdischen sechs Stockwerke, die unter anderem, ein topaktuelles Gentechnik und Chemielabor und gut belüftete Räumlichkeiten nebst Computern, u.a.für Gensequentierung enthielten. Rentadep hatte sich, unterhalb des üblichen Fokus, zu einer ernstzunehmenden Biotech Firma entwickelt.

      Seit ihrer Entwicklung waren die sogenannten DNS Scheren stets weiter entwickelt worden. Wer Geld genug hatte, konnte sich schon einen Nachwuchs kreieren, der Erbkrankheiten, oder die Disposition dazu, ausschloss. Im Grunde, so dachte Jo Volland, lief es darauf raus, dass irgendwann nur noch zu wählen war, ob weiblicher Urin nach Channel Nr 5 roch und der Schweiß der Männer nach Agua Brava oder Boss.

      Das Gelände, weitläufig mit einem drei Meter hohen Zaun umgeben, war gesichert wie ein Hochsicherheitstrakt. Kameras, Bewegungsmelder, Temperaturfühler, Infrarot-Nachtsichtgeräte, akustische Überwachung, es fehlte nichts, was dem neusten Stand der Sicherheitstechnik entsprach. In bestimmte Bereiche des Gebäudes, wie z.B. Teile des Labortraktes, kam man nur nach einem Augenscan. Außen bemerkte man nur den Zaun, der sich dem Gelände anpasste und durch seinen Camouflage Anstrich relativ unauffällig wirkte.

      Jo Volland, 42, stellvertretender Geschäftsführer von Rentadep, fuhr rechts ran, sah in den Rückspiegel.

      Weit und breit kein anderes Fahrzeug.

      Er holte ein 3 cm langes, fingerdickes Glasröhrchen aus der Innentasche seines Jacketts, schüttete vorsichtig etwas Kokain auf seine dunkelgrüne Rolex, bugsierte das Platinröhrchen in die Nase und schnupfte die Portion ins linke Nasenloch. Wie immer, wenn er länger nicht geschnupft hatte, musste er plötzlich kacken. Er unterdrückte das Bedürfnis und wiederholte das Zeremoniell. Dann, um dem Ganzen etwas mehr Substanz zu verleihen, entnahm er einem zweiten Glaskolben mit rotem Korkverschluss, etwas Heroin und schickte es auf den Weg.

      „Wer braucht Euphorin?“ sagte er mit leicht betäubtem Rachen. Er startete Pink Floyds Shine on your crazy diamond. Das Wageninnere mit seinen 32 Surroundboxen, sowie sein Hirn, wurden geflutet mit angenehmen Inputs.

      Sehr angenehm.

      „Remember when you were young“, sang er laut mit und fuhr, immer noch der einzige bewegliche Punkt weit und breit, auf die Straße zurück und in Richtung des Firmengeländes von Rentadep. Über ihm, aber ungehört kreiste ein Mäusebussard und rief in die klare Luft.

      Obwohl abseits gelegen, konnte man in 30 Minuten zwei Autobahnen erreichen. In München war man in 2, Stuttgart Flughafen 1, Frankfurt knapp 3 Stunden. Wichtige Besucher kamen per Helikopter und landeten auf dem Dach des zweiten Stockwerks. Durch die Burg Lichtenstein, das Schloss Hohenzollern, der Bären- und Nebelhöhlen, alles touristische Ziele dieser Gegend, waren Autos mit Kennzeichen aus ganz Deutschland nichts Ungewöhnliches, vor allem in Ferienzeiten. Die Anwohner hatten sich daran gewöhnt, dass täglich Fremde in Erpfingen, Genkingen und Undingen unterwegs waren. Doch kaum einer der Gäste von Rentadep, hielt in einer der drei Ortschaften und es gab nie Ärger. Die Älbler, nach außen genauso rau wie die Landschaft, die sie hervorbrachte, dachten sich ihren Teil, und waren gegenüber Fremden sehr verschwiegen. Optimal.

      Jo Volland steuerte den neuen Mercedes E8 zur Pforte von Rentadep.

      Ein Pförtner salutierte und öffnete die Schranke. Jo gefiel das. Sollten die ruhig salutieren. Der Mann an der Pforte hatte Dreck an seinen Sicherheitsschuhen. Aufgeputscht vom Koks, in Sicherheit gehüllt vom Heroin und genervt von der Aussicht auf den Arbeitstag fragte er den Security Mann:

      „ Wie heißen sie? Gefällt Ihnen Ihr Job?“

      „ Lindner ist mein Name. Guten Morgen Herr Volland, Selbstverständlich.“

      „Dann zeigen Sie das auch. Indem sie saubere Schuhe tragen. Sie sind hier der erste Repräsentant von Rentdep. Verstanden?“

      „ Ja Herr Volland. Es tut mir leid“ Jo Volland sah das betretene Gesicht, wie er seinen Stolz herunterschluckte, für einen Job, der so inhaltslos und öde war, dass ihn nur Leute machen wollten, die nichts Besseres mehr finden würden.

      Und solche Leute sichern die Firma?

      Jo sprach ein kurzes Memo auf seine Smartphone.

      Der Wagen fuhr lautlos rüber zum Wachhaus, wo ihm ein Angestellter wortlos die Schranke öffnete.


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