Grün ist das Leben. Wolfgang Bendick
Читать онлайн книгу.andere versuchten, diese Dinge zu widerlegen. Doch kamen auch sie zu dem Schluss, dass irgendein Zusammenhang zwischen den Konstellationen der Sterne und den Pflanzenarten bestehen muss. Am auffälligsten ist das an den sogenannten ‚Knotentagen‘, den Tagen, wo man nicht säen sollte, zum Beispiel im Zeichen des Skorpions. An diesen Tagen haben Wurzelgemüse die Neigung, sich in mehrere ‚Triebe‘ zu teilen. Man kann dagegenhalten, dass sich die günstigen Konstellationen ja wiederholen, und dass die Pflanze dann nachholen kann, was sie zu Anfang versäumt hat. Doch ist eine der Grundlagen des biologischen Anbaus, gesunde Pflanzen in gesunder, lebendiger Erde zu kultivieren und unter optimalen Bedingungen. Das heisst, alle möglichen gesundheitsfördernde oder kräftigende Mittel einzusetzen, wie zum Beispiel das Ausbringen verschiedener Präparate. Diese sind nicht mit Pflanzenschutzmitteln gleichzustellen, denn sie fördern nur die äußeren Bedingungen der Pflanzen, machen sie empfänglicher für die kosmischen und irdischen Kräfte. Oder man pflanzt in Mischkulturen, man bedeckt den Boden mit Stroh oder Ernteresten (Mulch), um ihn feucht und damit lebendiger zu halten. Nützlinge, wie Marienkäfer können eingesetzt oder zumindest durch Niststellen gefördert werden. Bisweilen werden sogar Bakterienkulturen gesprüht, die den Schädlingen an den Kragen gehen sollen, falls diese sich trotzdem breitmachten. Die Basis all dessen ist der Aussaatkalender von Maria Thun, der es auch einem Laien oder Nichtanthroposophen ermöglicht, den Grundlinien des ganzheitlichen Anbaues zu folgen.
Denn wie bei den Religionen gibt es auch im biologischen Anbau verschiedene ‚Glaubensrichtungen‘. Sehr früh schon machten sich Bauern unter Führung eines Hans Müller, der anfangs auch an biodynamischen Höfen gearbeitet hatte, in der Schweiz daran, diese Weise zu entmystifizieren, von allem Anthroposophischen oder Weltanschaulichen zu befreien, also zugänglich für Jedermann zu machen. Sie nannten diese Wirtschaftsweise den biologisch-organischen Anbau. Man kann sich vorstellen, dass dieses nicht ohne Hass und Intrigen vor sich ging und noch geht. Denn Ziel der Religionen wie auch des biologischen Anbaus sollte eine bessere Welt sein, nicht wer Recht oder die größte Zahl an Anhängern hat!
Frühling
Doch wir zwei waren fern von all diesen Wortspaltereien! Denn langsam ging die Feldarbeit los. Das Land, das den Winter über brachgelegen hatte, war von einem Teppich aus Gründünger (Senf, Rüben, Klee) oder Unkraut bedeckt. Ackerland sollte auch im Winter mit einem Pflanzenteppich bedeckt sein als Schutz gegen Kälte, zur Humusförderung, zur Düngung und um das Bodenleben zu erhalten. Irgendwie ist das ja auch logisch, denn jedes abgeerntete Feld oder Blumenbeet neigt dazu, sich so schnell wie möglich mit einer Pflanzenschicht zu bedecken. Fördert man dieses Bestreben nicht durch eine gezielte Saat, so machen sich Unkräuter breit, die oft schwer wieder zu entfernen sind!
Was aber ist ein Unkraut? Das ist gar nicht einfach zu erklären. Die beste Erklärung ist wohl die, dass es eine Pflanze ist, die da wächst, wo sie nicht sein soll. Demnach ist Gras im Blumenbeet ein Unkraut, auf einer Weide eine Nutzpflanze. Aber auch Unkräuter haben ihre Berechtigung. Der Mensch neigt zu sehr dazu, alles, was er momentan nicht als nützlich (oder vermarktbar) erkennt, zu vernichten. Doch dienen manche Kräuter auch zur Heilung eines kranken Bodens, führen diesem durch ihre tiefen Wurzeln wieder bestimmte Stoffe zu, die ihm fehlen. Oder zeigen eben einen Mangel oder auch Überschuss an bestimmten Elementen an. Ampfer und Brennnesseln sind Ausdruck von einem Überschuss an Stickstoff.
Wir gingen also diesem Pflanzenteppich, der zum Teil durch den Frost zerstört oder zumindest beeinflusst war, mit Hacken zu Leibe, um dann anschließend zu säen, oder besser noch, gleich Pflänzchen zu setzen, denn diese hatten einen Vorsprung gegenüber den auflaufenden (keimenden) Unkräutern. Oder der Bauer fuhr, wenn der Boden trocken genug war, mit der Fräse darüber, um die Pflanzenschicht leicht einzuarbeiten und den Boden zu lockern. Hierbei erwies sich eine zweite Passage nach ein paar Tagen als nützlich, um die frisch gekeimten Unkräuter zu zerstören. Tiefenbearbeitung des Bodens ist auf jeden Fall zu vermeiden, denn in den verschiedenen Tiefen des Ackers leben entsprechende Bodenorganismen, die man durch ein tiefgreifendes Umwenden behindert oder zerstört. Dieses erschien uns vollkommen logisch. Wir fragten uns, wie die Menschheit seit Jahrhunderten schon gegen diese Prinzipien verstößt, ohne sich dessen bewusst zu werden! In jedem Labor kann das nachgewiesen werden. Nur bei einer Verwandlung von Wiese in Ackerland ist dieses zulässig! Der Hauptgrund ist wohl der, dass man die Unkrautsamen so tief wie möglich vergraben will. Nur vergisst man, dass die meisten davon so langlebig sind, dass sie irgendwann doch wieder an die Oberfläche kommen und aktiv werden, wahrscheinlich schon beim nächsten Pflügen! Und dann greift man zur ‚chemische Keule‘, denn es geht ja nicht mehr anders…
Auch im Garten war zu tun. Waren die Beete die Aufgabe der Bäuerin und von Doris, so war es augenblicklich meine Sache, den Zaun zu erneuern. Ich hatte schon lange wegen eines Stückchens Land für einen Kräutergarten gefragt. Jetzt bekam ich dieses zugewiesen. Der Bauer wollte den Garten etwas vergrößern und bot mir den neu gewonnenen Streifen von zwei Metern Breite an. Nachdem der Maschendraht versetzt war, grub ich diesen erst mal um, um die Grasnarbe zu beseitigen. Das ist gar nicht so einfach, denn, wenn man ungenau arbeitet und Grashalme am Tageslicht bleiben, fangen diese wie wild an zu wachsen! Wichtig ist, dass man die erste Reihe der Spatenstiche an die Seite tut, damit die nächsten nicht umfallen. Ist man am Ende angelangt, legt man diese in der letzten Furche ab. Im Umgraben hatte Doris schon etwas Erfahrung, auch wenn dieses zu Hause meist die Mutter gemacht hatte. Schicht an Schicht legten sich bald die Erdstreifen schräg aneinander, das Gras nach unten. Je grösser das umgelegte Stück wurde, um so gleichmäßiger und vollkommener wurden die Reihen. Und gegen Ende machte sich in mir ein so großer Enthusiasmus breit, dass ich versuchte, die letzte Furche perfekt zu gestalten. Ich schaute auf die entkleidete Erde, nahm einen Klumpen davon in die Hand und roch daran. Der Duft der Erde. Mineralisch und organisch zugleich. Der Geruch meiner Kindheit, der Geruch des Lebens. Und nach derselben Struktur bin auch ich gemacht. Und ich spüre: auch die Erde hat Bewusstsein!
Mit dem Rechen strich ich zuerst die Anfangsreihen glatt, als letztes die vollkommenen, bis alles eine feine Krümchenschicht deckte. In die leicht gehackte und mit dem Rechen geglättete Erde pflanzten wir dann auf der einen Hälfte in der Natur ausgegrabene oder von meinem Heilpraktiker geschenkte Heilkräuter, unter anderem eine Pflanze von Cannabis Sativa. Wir sahen wirklich keinen Grund, warum diese Pflanze verboten war! Ist es doch eine der ältesten Kulturpflanzen, die den Menschen begleiten, seit er sesshaft geworden ist. Ebenso wie der Hund das älteste Haustier ist! Und vielleicht war auch etwas Provokation dabei, denn wir waren gespannt, wie der ‚Bulle‘ reagieren würde, der Bruder unseres Bauern! Um die Kräuter legten wir dann am Wegrand gemähtes grünes Gras als Mulch, um die Unkräuter fern zu halten. Neben jede Pflanze kam ein Schildchen mit dem deutschen und lateinischen Namen darauf. Die andere Hälfte bestellten wir mit Gemüsepflanzern. Dieser Garten diente uns dann als Versorgungsquelle für den Eigenbedarf und auch als Schaugarten für Leute, die wissen wollten, wie bestimmte Pflanzen aussehen.
Durch die Kunden, die zum Hof kamen, hatten wir viele neue Bekannte und Freunde kennen gelernt. Außerdem kamen laufend junge Leute vorbei, die mal mithelfen oder sogar längere Zeit bleiben wollten, um ein Praktikum zu absolvieren. Unser Bauer nutzte das oft, um uns klar zu machen, welch eine Vorrangstellung wir hätten! Auch öffnete in der Stadt der erste Bioladen. Doch gehörte dieser zu einer Kette, die täglich beliefert wurde und keine Produkte aus der Umgebung kaufte. Das machte unseren Bauer wütend, und auch zu Recht, denn es ist eines der Prinzipien des biologischen Landbaues, dass die Produkte nicht weiter als 50 Kilometer verkauft oder transportiert werden sollen, um die Umweltverschmutzung durch die kurzen Wege gering zu halten. Und es ist sicher auch eine Möglichkeit, besser den Ursprung der Waren kontrollieren zu können. Denn wo was zu verdienen ist, ist auch der Drang groß, Schmu zu machen!
Landes-, ja weltweit, herrschte gerade ein Bauboom für Atomreaktoren. Gab es doch schon genügend Atombomben, um die ganze Erde mehrmals zu zersprengen, so sollte jetzt noch die ‚zivile‘ Atomkraft dazu kommen! Auch ohne sehr militante ‚Bio-Freaks‘ zu sein, machte uns das eine Gänsehaut und wir schlossen uns denen an, die gegen diesen Wahnsinn waren. Damit wurden wir automatisch zu Feinden der Republik. Denn ‚ohne Atomstrom gehen in Deutschland die Lichter aus!‘, war der Wahlspruch der Atomlobby und der von ihr manipulierten Marionetten,