Gabrielas Reise nach Trentino. Helena Zauber
Читать онлайн книгу.so, Sylvia, du glaubst also nicht, dass wir in sieben Stunden in Bozen sind?“, neckt sie ihre Freundin. Diese antwortet:
„Ja, wir kommen heute echt gut durch. Das habe ich in meiner Pendlerzeit selten erlebt. Aber ich befürchte, dass das vor dem Brenner vorbei ist!“
„Ich hoffe ja, dass wir spätestens bis 19:00 Uhr da sind, dann habe ich noch eine knappe Stunde bis Pian dei Pradi und kann noch in Ruhe Pizza essen im Hotel. Ich habe im Internet gelesen, dass es dort sehr gute Pizzen gibt.“
„Das hoffe ich auch für Dich, aber meine Erfahrungen auf dieser Tour sind leider anders. Vielleicht haben wir ja heute Glück! Und nun erzähl schon weiter!“, fordert Sylvia ihre Nochbeifahrerin lächelnd auf.
„Ich erklärte dem Hausmeister, dass ich noch Buchhaltung machen müsste, worüber Marcus herzlich lachte:
,So so, Maus! Das nennt man jetzt Buchhaltung!´, und zeigte auf den gedeckten Tisch. Wir waren so verliebt und freuten uns über unser Wiedersehen. Später fuhren wir an die Elbe, gingen dort Hand in Hand spazieren. Wir hatten eine Decke mitgenommen.“
Gabriela hält wieder inne. Die Erinnerungen sind wieder sehr präsent. Sie lächelt und sagt:
„Weißt du, Sylvia, ich könnte dir jedes einzelne Treffen haargenau erzählen. Aber es waren im Laufe der neun Jahre so viele, da reicht unsere Fahrt bis Bozen mit Stau nicht aus. Wir waren zusammen im Urlaub, Marcus ist mitgekommen zu meinem Klassentreffen, zum Geburtstag meines Bruders in Leipzig. Mir bleiben ja die vielen schönen Erinnerungen an unsere Treffen. Zumal wir uns immer was einfallen lassen mussten, wo wir uns treffen würden. Manchmal haben wir uns einfach in einem Kornfeld oder unter Apfelbäumen getroffen. Das war im Sommer prima aber im Winter schwierig. Aber als ich dann in Bremen als Dozentin anfing, war es wieder einfacher, da ich in der Woche in einem Hotel blieb. Es blieb aber immer spannend, wann und wo wir uns treffen würden. Marcus war auch immer an meinem beruflichen Werdegang interessiert.“
„Aber er wollte sich nicht von seiner Frau trennen?“, fragt Sylvia nun nach.
„Nein, aber das wollte ich auch nicht. Na ja, vielleicht mal, nachdem ich geschieden war. Aber als ich dann vor vier Jahren meine erste eigene Wohnung einrichtete, fand ich es doch gut so, wie es war. Ich begann mein Leben zu genießen, ohne dass ich auf jemanden Rücksicht nehmen musste. Da ich beruflich ja auch immer öfter unterwegs war, kam mir diese Art einer Beziehung eher passend vor. Nun mussten wir nicht mehr überlegen, wo wir uns trafen. Marcus kam einfach zu mir nach hause. Aber dadurch wurde alles Routine. “
„Wie meinst du das?“, neugierig schaut Sylvia kurz zu Gabriela. Die lacht und sagt:
„Ich kam mir schon fast wie in einer Ehe vor! Es war immer das Gleiche: Marcus kam morgens mit belegten Brötchen zu mir. Ich ließ abends den Schlüssel stecken, so dass er zu mir hoch ins Schlafzimmer kommen konnte, wo ich ihn empfing. Wir hatten natürlich immer guten Sex. Aber irgendwie war nach zwei Jahren etwa bei mir die Spannung raus. Es war wirklich immer das Gleiche: Sex, dann frühstückten wir, danach noch mal Sex.
Manchmal kochte ich uns was zum Mittag, dann fuhr er wieder. Weißt du, solche Art Affäre muss ihre Spannung halten oder in eine andere Qualität einsteigen.“
„Wie meinst du das jetzt?“, fragt Sylvia kurz.
„Also, wenn man jemanden kennenlernt und richtig mit dem zusammen ist, gibt es ja auch die verschiedenen Phasen. Zuerst hat man die rosarote Brille auf. Ist schwer verliebt und hat ganz viel Sex. Dann kommt die Phase, in der man viel gemeinsam unternimmt, ins Kino, Essen gehen und so. Irgendwann dann Phase drei, man zieht zusammen und im besten Fall entwickelt sich eine tiefe Gemeinsamkeit und Liebe. Man bewältigt auch den Alltag miteinander, macht Pläne, fährt in den Urlaub, geht gemeinsam mit Freunden und Familie aus. Lernt die Kinder kennen usw. In der Zwischenzeit kannte Marcus meine Familie und auch einige meiner Freunde. Aber ich kannte keinen seiner Freunde, geschweige denn seine Kinder. An Feiertagen war er bei seiner Familie und ich bei meiner. Wir hatten keine dritte und vierte Phase.“
„Und dann war irgendwann die Spannung raus!“, stellt Sylvia nun fest.
„Ja, genau! Das fiel mir ganz bewusst zu meinem Geburtstag am Pfingstsonntag auf. Ich wollte nicht groß feiern. Nur gute Freunde, meine Kinder, meine Mutter hatte ich zu meinem 60. eingeladen und natürlich auch Marcus. Ein paar Tage vorher hatten wir uns noch getroffen und er versprach zu kommen. Aber er konnte nicht, weil irgendwas in seiner Familie vorgefallen war. Eine Freundin blieb mit ihren Kindern über Nacht. Als sie die beiden ins Bett brachte, es war schon 22:30 Uhr, fiel mir auf, dass Marcus mir nicht gefehlt hatte. Mein Tag war so toll, dass ich die ganze Zeit nicht an ihn dachte.“
„Oh ja, das ist ein Zeichen!“, wirft Sylvia ein.
„Ja, und ich habe mich selbst darüber erschrocken, als mir das bewusst wurde. Na und dann kam eins zum andern. Irgendwie war in seiner Familie der Wurm drin, dauernd passierte irgendwas und er regte sich bei mir über seine Eltern, seine Schwiegereltern, seine Kinder und sonst wen auf. Das hat mich echt genervt. Ich wollte davon nichts wissen!“
„Das kann ich verstehen, zumal du die ja alle nicht kennst!“, stimmt Sylvia zu.
„Ja, genau und so beschloss ich, es zu beenden, bevor wir im Bösen auseinander gehen würden. Auch hatte ich keine Lust mehr, auf immer das gleiche Ritual der Treffen.“
„Und er hat nicht versucht, dich umzustimmen?“, wundert sich Sylvia.
„Nein, er hat gemeint, das sei schade. Das war es!“
„Das finde ich sehr komisch. Nach so langer Zeit, immerhin waren es ja neun Jahre!“, Sylvia schüttelt mit dem Kopf. Dann sagt sie:
„Du hast schon recht. Es ist gut, dass du es beendet hast. So kannst du eure Treffen in guter Erinnerung behalten“, und lachend fügt sie hinzu:
„Vielleicht lernst du ja in Caldonazzo einen feschen Italiener kennen!“
Gabriela muss nun herzhaft lachen und kichernd sagt sie:
„Das haben Simone und ich heute Morgen schon gesagt. Nur das wir es noch mehr übertrieben haben und an einen italienischen Prinzen auf dem weißen Pferd gesprochen haben!“
„Na, dann weißt du ja, was dich dort erwartet!“, kichert Sylvia.
Inzwischen sind sie schon in der Nähe von Ingolstadt.
„Noch ca. eine Stunde und wir sind in München, wenn es weiter so gut läuft“, stellt Sylvia freudig fest.
„Was hältst du von einem kleinen Mittagsimbiss? Kurz vor München gibt es noch eine Raststätte. Wollen wir dort noch mal halten? Wir können dort dann auch Fahrerinnenwechsel machen“, schlägt sie noch vor.
„Ja, das ist eine gute Idee! So machen wir das“, stimmt Gabriela zu. Beide Frauen schweigen jetzt. Jede hängt ihren Gedanken nach.
Sylvia erinnert sich jetzt an ihre Pendlerzeit und was sie alles so im Internet auf Partnerbörsen erlebt hat und sagt dann plötzlich:
„Aber immerhin ist dir durch deine Langzeitaffäre allerhand erspart geblieben. Was glaubst du, was ich da alles auf diesen Partnerbörsen im Internet in den letzten zehn Jahren erlebt habe“, dann lacht sie und meint:
„Darüber kann ich echt ein ganzes Buch schreiben.“ Gabriela antwortet lachend:
„Ja, lass uns gemeinsam ein Buch schreiben. Titel: Was Frau ab 50 im WWW auf Partnerbörsen erleben und finden kann. Ich schreibe dann alles auf, was ich mit Marcus erlebt habe, den ich ja auch auf so einer Partnerbörse getroffen habe und du, was dir so begegnet ist.“
„Na ja, ich weiß nicht, ob ich dazu die Geduld habe, du bestimmt. Am besten du machst nachher dein Diktiergerät an, wenn ich dir meine Stories erzähle.“
„Hey, das ist eine prima Idee, Sylvia und wenn wir wieder zu Hause sind, schicke ich dir dann den Text zum Korrigieren.“
Sylvia lacht: „Dann kommen wir